III. Atheistische Weltkonferenz in Helsinki

Aus: MIZ 2+3/83

Inhalt


Grußadresse an die III. Atheistische Weltkonferenz in Helsinki

Rüstungswahnsinn und Hunger - Umweltzerstörung und leidende Menschen

Die Situation der Welt scheint wenig hoffnungsvoll. Diese Hoffnungslosigkeit verleitet viele Menschen zu einer geistigen Flucht in höhere Regionen, die aber die Wirklichkeit nicht ändert. Die prophetische Vorstellung von einer Welt ohne Krieg, einen ewigen Frieden, in der die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen machen, ist ein Teil der biblischen Weltkultur. Aber Religion kann nur Schmerzen lindern und Trost spenden, durch die Vorstellung von einer besseren Welt. Durch diese Illusion half sie dem Volk, das heißt den arbeitenden, ausgebeuteten und unterdrückten Menschen, die ihnen auferlegten Leiden zu ertragen. Aber die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der einer Illusion bedarf.

Je mehr die Mächtigen uns auf eine alles zerstörende Entwicklung zutreiben, desto dringender wird das Handeln der nicht frömmelnden Menschen. Nüchtern denkende Menschen haben, mit aller Energie, den Menschen entgegenzutreten, die uns eine, der Wirklichkeit abgewandte, Gläubigkeit predigen, damit wir aufgeben und auf ein besseres Leben nach dem Tode hoffen. Der Einfluß dieser Apostel ließe uns widerstandslos in eine weltweite Katastrophe treiben - die sie sogar noch als atomaren Exorzismus rechtfertigen würden.

Auf der anderen Seite wächst die Zahl der Christen, die sich nicht länger an der religiösen Rechtfertigung dieses mörderischen monetaristischen Systems beteiligen wollen. Ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben kann erst verwirklicht werden, wenn nicht nur Raketenbasen und Atomsprengköpfe aus allen Ländern, sondern auch religiöse Dogmen, messianische Vorstellungen und Absolutheitsansprüche aus den Köpfen der Menschen verschwunden sind.

Es ist notwendig, mit allen nicht frömmelnden Menschen zusammenzuarbeiten, die bereit sind, sich gemeinsam für die Erhaltung des Friedens einzusetzen, aber das darf nicht zum Anlaß genommen werden, die Gefahren des religiösen Fanatismus zu bagatellisieren. Dieser Einsatz kann nur erfolgreich sein, wenn er die Auseinandersetzung mit religiösen Dogmen und deren Überwindung einschließt, denn sie bestimmen weitgehend die Normen unseres gesellschaftlichen Lebens, wie auch das Verhalten von Menschen, Gruppen und verantwortlichen Staatsführern. Je weniger wir sind, desto notwendiger ist unsere Aufgabe. TROTZ ALLEDEM!

Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. - Koordinationsausschuß

Address to the III. World Atheist Meeting

Arms race and hunger - Environmental destruction and suffering people

The situation of the world seems to leave little hope. This hopelessness induces many people to a spiritual escape into higher areas, but does not change reality. The prophetic vision of a world without war, an eternal peace, in which the peoples make their swords to ploughshares, remains a part of the biblical tradition of the world's culture.

But religion can only ease pain and seek to console by imagining a better world. In this way it made people, which means the workers, the exploited and the oppressed, able to carry their burden inflicted by other people. But the demand to give up the musions about a state ot being, is a demand to give up a state of being which needs illusions.

The more we are driven into an all destroying process by the powers of our world, the more necessary will be tne action of nonbigoted people. Clear-headed people have, with all their energy, to oppose those people who preach to us a beliefe, which is turned off reality, to give in and hope tor a better life after death. The influence of these apostles would keep us drifting into world wide catastrophy, which they even try to justily as a nuclear exorcism.

On the other hand, the number of Christians increases who not longer want to take part in a religious Iustilication of the murderous monetary system.

A peaceful social life can only become reality if not only missile-basis and nuclear war-heads are banned in every country, but also religious dogmas, messianic ideas and their claim of absolutism are abolished.

It is necessary to co-operate with any non-bigoted person who is willing to stand up for the preservation of peace, but this should be no reason to trifle with the danger caused by religious fanaticism. This struggle can only be efficient if it includes arguments about religious dogmas and how to overcome them, as they largely dominate the values of our social lite as well as the behaviour of people, groups and statesmen responsible tor the fates of people.

The tewer we are, the more necessary is our task, NEVERTHELESS!

International League ot Non-Believers and Atheists

Grußbotschaft von Frau Saraswathi Gora (Atheist Centre Vijayawada/Indien) an die III. Atheistische Weltkonferenz

Die III. Atheistische Weltkonferenz in Helsinki, Finnland, ist ein weiterer Meilenstein auf dem fortschreitenden Marsch des Atheismus. Die Gastgeber, die Freidenker-Union Finnlands, verdienen alle Glückwünsche, diese historische Konferenz einberufen zu haben.

Atheismus verbreitet sich über die ganze Welt. Die erste und zweite Weltkonferenz wurde im ersten Atheistischen Zentrum der Welt abgehalten, in Vijayawada, Indien. Gora und ich waren Mitbegründer dieses Zentrums. Es ist für mich eine große Freude zu sehen, daß die Atheistische Bewegung auf der ganzen Welt zunimmt und Atheisten in der ganzen Welt lobenswerte Arbeit in ihren Ländern tun. Der Atheismus muß einfach zunehmen und den Weg bereiten für die Nachreligiöse Gesellschaft.

Atheismus ist eine positive Weltanschauung. Er ist eine Alternative zur religiösen Weltanschauung und befreit die Menschen vom Joch der Religion, erstrebt und fördert die soziale und wirtschaftliche Gleichheit. Dank der unaufhörlichen Anstrengungen von Nationalen Befreiungsbewegungen in verschiedenen Teilen der Welt, erreichten viele Länder Asiens, Afrikas und Amerikas die Unabhängigkeit. Die mit Schweiß und Blut hart erkämpfte Freiheit muß Realität werden.

Die politische Freiheit kann nur geschützt werden, wenn die Bemühungen weitergehen, sich auch von sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zu befreien. Politische Unabhängigkeit, die nicht von sozialer und wirtschaftlicher Gleichheit begleitet wird, bleibt nur ein leerer Traum für die einfachen Leute, die seit Jahrhunderten unter dem kolonialen Joch gelitten haben. Ein bloßer Wechsel der Führung, von den Händen der Weißen in die von Farbigen, wie bedeutsam das auch immer ist, bringt nicht die gewünschten Resultate; es sei denn, die Vorteile (der Nutzen) dieser schwer erkämpften Freiheit sickern bis auf die Ebene der einfachen Menschen durch. Anderenfalls würde der kulturelle Imperialismus, ob international oder einheimisch, den Herrschenden eine Hilfestellung zur Ausbeutung geben. Die Religion ist dabei, die Macht über die Menschen zu verlieren und tut daher ihr Bestes, um zu einem Come-Back zu gelangen, indem sie schwankende Regime unterstützt.

Die Menschen im Westen haben in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung. Sie haben eine beachtliche Gleichheit in vielen Lebensbereichen erreicht und haben soziale Sicherheit und Freizeit. Aber der Westen allein ist nicht die Welt; Tatsache ist: Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben noch immer in elendigsten Armutsverhältnissen. Sie sind Opfer religiösen Fanatismus, vielfältigen Aberglaubens, von Ungerechtigkeiten und politischer wie wirtschaftlicher Ausbeutung. Ausbeutung irgendwo (wo auch immer sie stattfindet) ist eine Bedrohung der Gerechtigkeit überall (generell). Daher ist es die Verantwortung der Atheisten und der atheistischen Sympathisanten und aller fortschrittlich denkender Menschen, gemeinsame Sache zu machen, um den Aberglauben auszurotten, gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung anzukämpfen.

Atheisten der ganzen Welt sollten eine globale Annäherung entwickeln, die die Grenzen ihrer Länder und Kulturen durchsichtig macht. Globale Vorstellungen werden zu einem globalen Verstehen führen, da wir ohnehin bereits in einem "globalen Dorf" leben. Durch Wissenschaft und Technik wurden bereits die Barrieren der Entfernung gebrochen. Jetzt gilt es, auch die geistigen Barrieren niederzureißen, die die Menschen in wasserdichte Einzelzellen teilen. Dem kommt besondere Wichtigkeit zu, wenn die Welt der Bedrohung eines atomaren Holocaust gegenübersteht. Frieden, Freiheit, Menschenwürde und Gleichheit sind eine Bedingung für das Überleben der menschlichen Rasse. Wenn schlechte Menschen derartiges ersinnen, müssen gute Menschen sich zusammenschließen, um den Frieden auf der Erde zu erhalten.

Positiver Atheismus unterstreicht, daß Atheismus eine konstruktive Weltanschauung ist. Aus diesem Grunde sollte Atheismus eine Veränderung in alle Lebensbereiche bringen. Die Saat der Veränderung muß in die Köpfe der Jugendlichen gesät werden. Kinder sind die Bürger von morgen. Ihre Bildung und Erziehung muß frei sein vom Joch der Religion. Dazu ist alternative Literatur und sind alternative Schulen notwendig, die auf säkularer Basis den Geist der Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit lehren (sich zu eigen machen).

Die Hälfte der Menschheit sind Frauen. Ohne ihre aktive Teilnahme würde der Mann allein die Familie nicht beeinflussen. Das trifft insbesondere auf die Entwicklungsländer zu. Religion hat immer noch einen enorm starken Einfluß auf die Entwicklung der Frauen, weil sie meist Analphabeten sind, an das Haus gebunden, und ihnen wird die Gelegenheit vorenthalten, ihre Talente frei zu entfalten. Gebt ihnen alle Möglichkeiten! Frauen sind gleichberechtigte Partner im sozialen Wandel. Sie werden Vorboten des Atheismus sein. Wenn die Frau sich wandelt, wird die ganze Familie sich wandeln. Mit meinen Erfahrungen in der atheistischen Weltanschauung im letzten halben Jahrhundert kann ich sagen, daß viele Frauen die atheistische Weltanschauung angenommen haben. Wir haben säkulare Feste gefeiert. Frauen haben religiöse Symbole abgelegt, gaben ihren Kindern säkulare Namen und legten ihre religiösen Funktionen nieder. Atheisten brechen die Mauern des Kastensystems und der Religion und propagieren kastenlose und religionslose Hochzeiten. Es ist keine geringe Errungenschaft. Diese Wandlungen waren nur möglich, weil auch Frauen sich die atheistische Weltanschauung zu eigen machten.

Atheismus fördert die Moral, die Aufrichtigkeit, die Rechtschaffenheit und die menschliche Persönlichkeit, sowie die wissenschaftliche Herangehensweise und Wirklichkeit - sie sind das Wesen des Atheismus.

Atheismus ist eine bessere Weltanschauung. Sie ist nicht negative, sondern positive Lebensweise. Atheismus ebnet den Weg, um die Entwicklung der Persönlichkeit der Individuen einzuleiten, sie von dem jahrhundertealten Vermächtnis der Theistischen Weltanschauung zu befreien. Das Joch der Religion ist ein Bann für die menschliche Zivilisation.

Die Zukunft des Atheismus ist klar. Die Zukunft gehört uns. Keine Macht der Erde kann die Religion wiederbeleben. Religion ist Vergangenheit. Atheismus hat Zukunft. Aber ewige Umsicht ist der Preis für die Freiheit von der Religion.

Ich beglückwünsche noch einmal alle Teilnehmer der Atheistischen Weltkonferenz und grüße die unzähligen Atheisten in aller Welt, die die Reise nach Finnland mangels finanzieller Mittel nicht antreten konnten. Ich hoffe sehr, daß die Vorsätze von Helsinki ein weiterer Schritt für ein besseres Verständnis zwischen Atheisten aus verschiedenen Ländern bedeutet.

Die besondere Tatsache, daß die III. Atheistische Weltkonferenz in Helsinki abgehalten wird, bezeugt, daß Atheismus eine weltweite Kraft ist. Mit Sorgfalt, Mut und Vertrauen müssen wir Brücken des Verstehens bauen für die Zukunft der Menschheit und durch die Propagierung des Atheismus mit doppeltem Nachdruck.

(Übersetzung aus dem Englischen von Brigitte Beeken.)

Resolutionen

1. Die III. Atheistische Weltkonferenz (Juni 1983 in Helsinki) erklärt, daß der Atheismus eine positive Weltanschauung ist - eine Anschauung, die zugrundelegt, daß Menschen die Fähigkeit und das Recht haben, ihr eigenes Leben selbst zu gestalten.

Da für die Gestaltung eines befriedigenden menschlichen Lebens gleiche Rechte für den Atheismus notwendig sind, kritisieren Atheisten staatlich unterstützte religiöse Privilegien, die in vielen Ländern bestehen. Die Atheisten appellieren daher an die Vereinten Nationen, für eine Gleichbehandlung des Atheismus (gegenüber anderen, normensetzenden Weltanschauungen) einzutreten.

2. Die III. Atheistische Weltkonferenz fordert, daß wir gemeinsam, innerhalb unserer eigenen Organisationen und in unseren Ländern, für die Beendigung des Wettrüstens und gegen die Bedrohung eines atomaren Schlagaustausches kämpfen. Die Stationierung von Marschflugkörpern, insbesondere ihre für dieses Jahr geplante Stationierung in Westeuropa, ist eine Lebensbedrohung, der Widerstand entgegengesetzt werden muß, damit ein für das Leben positiver Frieden vorangetrieben werden kann. Frieden in den internationalen Beziehungen ist eine Voraussetzung für das allgemeine Wohlergehen der Menschheit, besonders für das Wohlergehen der Menschen in den Entwicklungsländern.

Gleichermaßen wird von den teilnehmenden Organisationen dieser Weltkonferenz gefordert:

3. ... in ihren Ländern darauf hinzuwirken, daß es zur Einrichtung öffentlicher, allgemeinbildender und zugleich weltlicher Schulen kommt;

4. ... in ihren Ländern darauf hinzuwirken, daß es zur totalen Trennung von Staat und Kirche bzw. von Religion und Regierung kommt;

5. ... sich in ihren Ländern für Rede- und Meinungsfreiheit und Gleichbehandlung in den Medien einzusetzen;

6. ... sich in ihren Ländern dafür einzusetzen, daß eine religiöse Unterdrückung menschlicher Sexualität (Bevormundung und Unterdrückung) unterbleibt. Die Gleichbehandlung der Frau muß anerkannt sein;

7. ... sich in ihren Ländern dafür einzusetzen, daß religiöse Aktivitäten keine staatlichen Förderungen - auch nicht durch spezielle Steuervergünstigungen - erfahren.

Resolutions

1. This World Atheist Meet III (held in Helsinki, June 1983) DECLARES that atheism is a positive way of life - an outlook based upon humans' ability and right to shape their own lives.

Because equal rights for atheism are necessary tor a satistactory and full human life, atheists criticize state-supported religious privilege in many countries. Atheists therefore appeal to the United Nations for complete equality tor atheism.

2. This World Atheism Meet RESOLVES that we unite to work within aur own organizations and our nations for an end to nuclear weapon build-up and against the threat of a nuclear exchange. The profileration of missiles throughout the world, especialiy those to be pleced in Western Europe this year, is an anti-life force and must be resisted so that a positive peace may be enforced. Peace in intemational relations is a precondition tor human welfare generaliy, particularly in developing countries.

3. This World Atheist Meet RESOLVES that we unite to work within our own organizations und our nations for publicly-funded universal secular education.

4. This World Atheist Meet RESOLVES that we unite to work within our own organizations and our nations for the total separation of church und state, religion and government.

5. This World Atheist Meet RESOLVES that we unite to work within our own organizations and our nations for freedom of speech and expression and fair access to the media.

6. This World Atheist Meet RESOLVES that we unite to work wfthin our own organizations and our nations against religious repression of human sexuality and in favour of women's rights.

7. This World Atheist Meet RESOLVES that we unite to work within our own organizations and our nations against special tax exemption for and/or state-funding of religions.

Resolutionsentwurfskomitee

Die in Helsinki einstimmig beschlossenen Resolutionen wurden von folgenden Delegierten und Organisationen ausgearbeitet:

Erkki Hartikainen, Generalsekretär der "Union of Freethinkers", Finnland.

Timo J. Vasama, Präsident der "Union of Freethinkers", Finnland.

Levi Fragell, Sekretär der "National Ethical Society", Norwegen.

Barbara Smoker, Präsidentin der "National Secular Society", England.

Brigitte Beeken, Schriftführerin des "Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten" (IBKA), Bundesrepublik Deutschland.

Walter Baumgartner, Präsidiumsmitglied der "Freidenker-Vereinigung der Schweiz".

Victor Garadja, Mitarbeiter des Atheismus-Instituts Moskau, UdSSR.

Lavanam, Direktor des "Atheist Centre" in Vijayawada, Indien.

Jeffrey Vowles, Präsident der "Gay Atheist League of USA".

Jon G. Murray, Direktor von "American Atheists", USA.

Madalyn O'Hair, Präsidentin von "American Atheists", USA.