Unsere Meinung zum § 218 StGB

Unsere Meinung zum § 218 StGB

Aus: MIZ 3-4/89

Die Reform des § 218 ist im Zuge der Emanzipationsbewegung der Frauen nur ein kleiner Schritt in Richtung der notwendigen Demokratisierung und zur Erfüllung der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau gewesen.

Wir betonen hier, daß Abtreibung noch immer strafgesetzlich verboten ist; die Reform regelt lediglich Ausnahmen von der Bestrafung über eine Indikationserstellung. Die betroffene Frau darf nicht eigenverantwortlich entscheiden, sondern ein Arzt bestätigt ihr per Indikation die Unzumutbarkeit der Schwangerschaft, ganz nach seiner persönlichen Einstellung.

Wir setzen uns als Konfessionslose und Atheisten für die ersatzlose Streichung des § 218 ein:

  • weil eine Frau genauso selbstverständlich ihr eigenes Leben - unabhängig von ihrer biologischen Fähigkeit, Mutter zu werden, planen können soll, wie ein Mann;
  • weil dieser Paragraph der Änderung der weiblichen Rolle in unserer Gesellschaft nicht mehr angemessen ist. Der Zweck der Aufrechterhaltung des Paragraphen 218 StGB ist es, die Werte Familie und Mütterlichkeit erneut bindend durchzusetzen, auch gegen die Lebenspläne der Frau;
  • weil jede Schwangerschaft und jedes Kind wesentlich die individuelle Lebensplanung der Frau beeinflußt, worüber sie selbst entscheiden können muß;
  • weil Sexualität ein Moment von ungeplantem und spontanem Verhalten beinhaltet. Das mechanistische Denken. daß durch Verhütung Schwangerschaft prinzipiell geplant oder verhindert werden kann, entspricht nicht der Lebensrealität. Chaos und Unzulänglichkeit als menschliche Lebensbedingungen suchen sich ihren Ausdruck in der gelebten Sexualität, gerade auch gegen unsere komplexe und verplante Welt;
  • weil alle heute bekannten Verhütungsmittel und Methoden in ihrer Anwendung oder in ihren Nebenwirkungen so unbefriedigend sind, daß allein dadurch Abtreibungen notwendig bleiben;
  • weil das Ziel, späte Abtreibungen zu verhindern, nurdurch umfassende gesundheitliche Aufklärung erreichen kann, die frei ist von moralischem oder gesetzlichem Druck. Frauen zu unterstellen, sie würden bei Abschaffung des Gesetzes möglichst spät abtreiben, ist eine irrationale Phantasie und bedeutet, ihnen Fähigkeiten abzusprechen, mit Leben verantwortlich umzugehen. Dies wird eben aber durch gesellschaftliche Diskriminierung verhindert;
  • weil der Paragraph verhindert, daß über Ambivalenz zu Schwangerschaft und Mutter-Sein in gewünschten Beratungsgesprächen nachgedacht werden kann;
  • weil Frauen über Abtreibung genauso gut oder unsicher entscheiden können, wie über ihre Eheschließung oder das Kind zu bekommen.

Literatur:

Gerhard Amendt, Die bestrafte Abtreibung, Argumente zum Tötungsvorwurf, Verlag IKARU, 1988.

Susanne von Paczensky, Gemischte Gefühle von Frauen, die ungewollt schwanger sind, Becksche Reihe, 1987.

Verena Krieger, "Entscheiden" - was Frauen (und Männer) über den § 218 wissen sollten, Konkret Literaturverlag, 1987.

Die genannten Bücher sind über den IBDK-Vertrieb, Postfach 3005, 3000 Hannover 1, zu beziehen.

MIZ-Redaktion