Warum sind Sie aus der Kirche ausgetreten?

Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2000

Neben einer lesenswerten Stellungnahme des IBKA-Regionalbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Christoph Lammers, zum Streitpunkt "Wie kritikwürdig ist die katholische Kirche?", die als Gegenrede zu dem Historiker Prof. Hubert Mohr am 1.9.00 im Neuen Deutschland abgedruckt wurde, gab Lammers der Rheinpfalz nachfolgendes Interview, welches am 12.9.00 erschien:

Über sein Verhältnis zur Kirche und die Ziele des Vereins IBKA sprach Redakteurin Petra Depper mit Christoph Lammers (Trier), dem rheinland-pfälzischen Regionalbeauftragten des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten.

Sie haben drei Jahre lang katholische Theologie in Münster studiert. Warum sind Sie aus der Kirche ausgetreten?

Ich hatte immer wieder Konflikte mit Professoren und Kommilitonen, die Kritik an der Institution Kirche nicht akzeptieren wollten. Ein Mensch, der religiös sein möchte, braucht keine Kirche.

Was stört Sie denn so an der Institution Kirche?

Dass es den handelnden Personen nur um Ämter geht und lediglich zehn Prozent der Kirchensteuern in soziale Dienste oder Einrichtungen wie Kindergärten fließen. Der Rest verschwindet in der Tasche der Kirche, geht für Verwaltungskosten drauf. Zu allem Überfluss lassen sich die Würdenträger auch noch vom Staat bezahlen.

Die Studenten der 68er Revolte haben das auch schon kritisiert.

Stimmt. Der Bund der Konfessionslosen ist aus der 68er Bewegung entstanden. Seit Mitte der 80er Jahre setzt sich der Verein auch für die Interessen der Atheisten ein.

Wieviele Mitglieder hat der Verein denn bundesweit?

Rund 350, darunter so bekannte Leute wie Professor Franz Buggle, der das Buch "Denn sie wissen nicht, was sie glauben" geschrieben hat. In Rheinland-Pfalz haben wir leider erst 25 Mitglieder.

Welche Ziele verfolgt der IBKA?

Die Trennung von Staat und Kirche muss endlich vollzogen werden. Wir sind der Ansicht, dass Erziehungsaufgaben nicht in die Hände der Kirche gehören. Der Staat sollte die sozialen Dienste übernehmen. Arbeitsplätze dürfen nicht von der Religionszugehörigkeit abhängig gemacht werden. Oder davon, ob jemand verheiratet ist oder nicht. Das ist nicht demokratisch. Vor dem Gesetz sind alle Religionen, Weltanschauungen und Philosophien gleich. Darauf wollen wir aufmerksam machen.

Finden Sie, dass Atheisten und Konfessionslose benachteiligt werden?

Ja. Die Kirche hat immer noch den Auftrag zu missionieren und hindert viele Menschen daran, sich frei zu entfalten. Selbst unter den Politikern sind viele, die ihre religiöse Anschauung nach außen tragen.

Was hat Sie als Student der Politikwissenschaft dazu bewogen, Regionalbeauftragter zu werden?

Ich bin jung, und es macht mir Spaß, etwas gegen Missstände zu tun. Und schließlich bin ich konfessionslos und benachteiligt.

Heftige Reaktion der Kirchen

Auf diesen Artikel musste die Kirche natürlich reagieren. Bereits zwei Tage später erschien in der Rheinpfalz unter der Überschrift "Viertel der Kirchensteuer für Soziales" die Zurückweisung der Vorwürfe seitens des Bistums Speyer und der evgl. Landeskirche. Die beiden Institutionen gaben hierzu gar eine gemeinsame Stellungnahme ab - hier funktioniert trotz "Dominus Iesus" sogar die Ökumene.

Man monierte in dem Interview eine Reihe "unhaltbarer Vorwürfe". Vor allem Lammers Angaben zur Verwendung der Kirchensteuer wollte man so nicht gelten lassen: "Das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz geben nicht zehn Prozent, sondern mindestens 25 Prozent ihrer Einnahmen für ihre sozialen Einrichtungen und Dienste aus."

Auch die Behauptung, kirchliche Würdenträger würden vom Staat finanziert, wurde zurückgewiesen: "Die Kirchen erhalten vom Staat lediglich so genannte Staatsleistungen als Entschädigung für die im 19. Jahrhundert enteigneten Kirchengüter. Diese betragen etwa vier Prozent der Einnahmen des Bistums und der Landeskirche."

Merkwürdigerweise nennen allerdings die Kirchen selbst auf ihren eigenen Internetseiten andere Zahlen. So heißt es dort vom Bistum Speyer: "19,2 Prozent der Kirchensteuer werden für soziale Aufgaben ausgegeben." Und die evangelische Landeskirche der Pfalz gibt nach eigenen Angaben "18,7 % für Diakonie (einschl. Kindergärten), Entwicklungshilfe, Hilfe für ostdeutsche Landeskirchen" aus.

Dies sind aber eindeutig weniger als ein Fünftel und nicht mindestens ein Viertel, wie die Kirchen in ihrer Stellungnahme so pauschal großzügig formulieren. Zieht man davon noch die rein innerkirchlichen Ausgaben ab - wie die Hilfe für ostdeutsche Kirchen - kommt man den von Lammers genannten 10 % immer näher.

Auch die "etwa 4 %" Staatsleistungen an den Gesamteinnahmen findet man auf den kirchlichen Websites nicht. Die evangelische Landeskirche gibt dort 6,02 % an, das Bistum Speyer differenziert hier nicht und spricht von 20 % aus Staatsleistungen, Zuschüssen und anderen Einnahmen.