Aus: IBKA Rundbrief Juli 2001
Während die Caritas der Katholischen Kirche die Ergebnisse der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst bisher im
Wesentlichen übernommen hat, nutzen die diakonischen Arbeitgeber die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Kirchen in
Deutschland schamlos aus, um über die Arbeitsrechtlichen Kommissionen Lohndumping zu betreiben. Mit der Absenkung der Vergütung
im Hauswirtschaftsbereich bis zu 30 Prozent, schlechteren Regelungen für die Urlaubsvergütung, der Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall und die Berechnung des Weihnachtsgeldes insbesondere für die Schichtdienstleistenden, der einprozentigen
Beteiligung an der Zusatzversorgungskasse vom Bruttolohn, der Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen fast ausschließlich im
Interesse der Arbeitgeber und weiteren Verschlechterungen verschaffen sich die diakonischen Einrichtungen gegenüber den
öffentlichen Arbeitgebern einseitig Konkurrenzvorteile. Im diakonischen Bereich wird damit eine zweite Tarifebene unterhalb des
BAT eingezogen.
Im Fachjargon wird dies als "Schmutzkonkurrenz" bezeichnet. Der für viele diakonische Einrichtungsleitungen einfache Weg der
direkten Lohnkürzung bei ihren Beschäftigten entlastet sie erst einmal von dem Druck, die Konkurrenzfähigkeit zu anderen
vergleichbaren Einrichtungen über eine Modernisierung ihrer Einrichtung und optimierte organisatorische Strukturen zu
erreichen. Sie verschaffen sich aber nur kurzfristig Konkurrenzvorteile, denn sie zwingen die anderen Arbeitgeber wie auch im
Öffentlichen Dienst, bei der Absenkung des Tarifniveaus nachzuziehen und setzen damit eine Abwärtsspirale für den gesamtem
Gesundheits- und Sozialbereich in Gang. Die Entwicklung in der Diakonie hat fatale Auswirkungen auf alle Beschäftigten im
sozialen Bereich. Bei den oben erwähnten Tarifverhandlungen für den Krankenhausbereich begründeten die öffentlichen Arbeitgeber
ihre Absichten zur Verschlechterung der Arbeitszeitregelungen auch mit dem Verweis auf die bereits bestehenden abgesenkten
Regelungen in der Diakonie.
Im übrigen treffen diese Verschlechterungen in der Diakonie im überproportionalen Maße Frauen, nämlich die fast
ausschließlich Arbeiterinnen im Hauswirtschaftsbereich und die überwiegend weiblichen Beschäftigten im Schichtdienst in der
Pflege. Die innerkirchliche Schlichtungsstelle in Bremen sah die Einführung der neuen Leichtlohngruppen für den
Hauswirtschaftsbereich als unbillig an, da er gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße (Beschluss vom
17. Januar 2000). Das kirchliche Verwaltungsgericht der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) hob zwar am 4. Mai 2000 diesen
Beschluss wieder auf, doch die ÖTV will die Einführung dieser neuen Niedriglohngruppen fast ausschließlich für Frauen vom
Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen.
(E. Schleitzer, Mitarbeitervertreter im Diakonischen Werk Hessen-Nassau; aus: Mabuse 128 (Nov./Dez. 2000))
"Die Kirchen sind als Arbeitgeber, Eigentümer von Geld- und Grundvermögen, Bauherr oder Betreiber von Einrichtungen und
Häusern auch wirtschaftlich Handelnde. Sie können nicht Maßstäbe des wirtschaftlichen Handelns formulieren und öffentlich
vertreten, ohne sie auch an sich selbst und das eigene wirtschaftliche Handeln anzulegen. Mit Recht wird dies als eine Frage
der Glaubwürdigkeit angesehen."
(Zitiert aus: "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit: gemeinsames Wort der Kirchen zur sozialen Lage in
Deutschland", 1997)