Kinderhoroskope als Wegweiser
Astrologische Erziehungsberatung in einer evangelischen Bildungsstätte
Aus: IBKA Rundbrief August 2003
Dass die Kirchen ihre eigene Lehre für die wahrhaftige Ausformung in getreuer Folge einer göttlichen Offenbarung halten, ist bekannt. Konkurrierende Irrationalismen werden hingegen als "falsche" Lehren oder gar "Aberglaube" abqualifiziert. Hierfür beschäftigen die Kirchen auch theologische "Experten", deren Aufgabe es ist, die weltanschauliche Konkurrenz zu beobachten und öffentlich kritisch zu portraitieren. Wiewohl die Interesse geleitete Unterscheidung - zwischen "gutem" Glauben und "bösem" Aberglauben - aus religionskritischer Sicht unhaltbar ist, bleibt festzustellen, dass die kirchliche Kritik an Esoterik - trotz mancher gelegentlich hysterischer Züge - inhaltlich oft berechtigt ist.
Esoterische Angebote haben aber inzwischen einen sehr lukrativen Marktanteil erlangt. Dies weckt offenbar auch im Bereich kirchlicher Anbieter gewisse Begehr-lichkeiten, welche dazu verführen, die kirchliche Kritik an Esoterik selbst nicht mehr anzuwenden.
Und so konnte man im Programm der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Elly Heuss-Knapp (Herzog-Wilhelm-Str. 24/I, 80331 München, Tel.: 089-552241-0, Fax: 089-5501271, efbs@efbs-muc.de, www.efbs-muc.de) in diesem Frühjahr bislang eher ungewohnte Kurse (1/501 u. 1/502) entdecken. Wurde dort doch etwas gelehrt, was bei Konkurrenzunternehmen gerade von kirchlichen Sektenbeauftragten heftig kritisiert wird: die Astrologie als Lebensberatung.
Die angebotenen Kurse allerdings sind tatsächlich bedenklich, geben sie doch vor, ein Kind anhand von Horoskopen erziehen zu können: "Über die Stellung des Merkurs im Horoskop des Kindes lässt sich erkennen, welcher Lerntyp das Kind ist, welche optimalen Lernbedingungen es braucht und wie es Wissen am besten aufnimmt. Dadurch ergeben sich praktische Erziehungstipps und konkrete Fördermöglichkeiten, individuell abgestimmt auf die Persönlichkeit des Kindes." und "Über einen Horoskopvergleich von Eltern und Kind lässt sich erkennen, warum es oftmals zu Verständigungsschwierigkeiten, Unklarheiten und Unsicherheiten kommt. Das Horoskop gibt wichtige Anhaltspunkte, zeigt neue Sichtweisen auf und gibt Ansätze zur Lösung auf." Voraussetzung ist jeweils ein Geburtshoroskop, das die Kursleiterin zu einem stolzen Preis erstellt.
Andreas Viehl vom bfg München hat die Familienbildungsstelle angeschrieben:
"Beim Stöbern in Ihrem Programm bin ich auf die beiden Kurse ,Das Kinderhoroskop als Wegweiser. Lernen, Lerntyp und Wissensaufnahme.' und ,Hilfe, mein Kind ist so anders als ich! Hilfen und Unterstützung durch das Horoskop.' gestoßen. Ich finde, solche ,Bildungs'angebote gehören nicht in das Programm einer mit Kirchensteuer- und öffentlichen Mitteln geförderten seriösen Bildungseinrichtung für Familien. Meiner Meinung nach ist Astrologie Hokuspokus. Aus der Konstellation der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt Rückschlüsse auf die Lernfähigkeiten eines Kindes oder die komplexe Eltern-Kind-Beziehung zu ziehen, ist schlicht absurd. Wenn die Kursleiterin ihr astrologisches System ohne Rücksicht auf den individuellen Fall anwendet, kann dies sogar schädliche Auswirkungen haben, weil daraus abgeleitete Lösungsversuche und Handlungsratschläge der tatsächlichen Situation nicht entsprechen.
Die Ausbildung zur ,psychologischen Astrologin' hat die Kursleiterin, Frau Rosa Griesbeck, laut Angaben auf Ihrer Homepage (www.sternen-rosa.de) am ,Institut für psychologische Astrologie' (www.die-lebensschule.com) erhalten, das natürlich eine rein private Einrichtung ist. In 21 Wochenend- und 3 Ferienkursen kann man sich dort die Kenntnisse der psychologischen Astrologie aneignen. [?]
Bitte überdenken Sie, ob Sie auch in Zukunft Angebote in ihr Programm aufnehmen wollen, die die Astrologiegläubigkeit (und damit eine Form des Aberglaubens) fördern und hoffähig machen. Es würde mich sehr interessieren, zu welchem Schluss sie diesbezüglich kommen."
Erst nach etlichen Wochen erhielt Andreas Viehl eine Antwort. Probleme sieht man wohl - aber nur auf dem "Markt". Das eigene Angebot wird nicht infrage gestellt:
"[..] Ihre Sorge ist verständlich. Auch wir finden so manches, was zurzeit an Ratschlägen und so genannten Erziehungshilfen auf dem Markt ist, besorgniserregend.
Selbstverständlich liegen uns (wie Ihnen) Kinder ,am Herzen' .Wir setzen uns dafür ein, dass sie sich ihren Anlagen und Bedürfnissen entsprechend als eigene Persönlichkeiten entfalten und entwickeln können, und dass sie als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen werden (unser Leitbild).
Eltern stehen in dieser Leistungsgesellschaft heute oftmals und schon sehr früh unter einem enormen Druck ihre Kinder ,richtig' zu erziehen. Sie suchen nach den besten Möglichkeiten für ihr Kind, damit es ein tüchtiger und erfolgreicher Erwachsener wird. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen und sie zu ermutigen, ihre Kinder mit all ihren Stärken und Schwächen anzunehmen. (Vor Gott sind alle Menschen gleich - unabhängig von ihren unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten und ihrem gesellschaftlichen Status - Sie wissen das.)
In den von Ihnen beanstandeten Kursen geht es darum, dass Eltern die ganz persönlichen, individuellen Anlagen und Bedürfnisse ihrer Kinder mit Hilfe eines Geburtshoroskops leichter erkennen können, als das einem als Eltern, als Mutter und/oder Vater manchmal möglich ist.
Die Inhalte dieser Kurse sind uns bekannt. Die psychologische Astrologie, so wie sie bei uns angeboten wird, ist ein mögliches Hilfsmittel, Eltern und Kinder auf ihrem Weg zu begleiten. Es werden dabei keine krankmachenden Unsicherheiten und/oder Abhängigkeiten geweckt oder gar gefördert. [...]"
Übrigens: Die angeschriebene Evangelische Familienbildungsstätte wird von der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, der Landeshauptstadt München und dem Bayer. Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst gefördert. Nur 35% der Kosten tragen die Kursteilnehmer. Somit wird hier also auch der Astrologieglaube der Eltern, über den doch deren Kinder gerade im Religions- und Ethikunterricht angeblich kritisch aufgeklärt werden sollen, von Staat und Kirche mit fast zwei Dritteln der Kosten unterstützt. Vielleicht sollten Bürgerinnen und Bürger dazu auch mal die Stadt München und den "Freistaat" Bayern kritisch befragen.