Regensburger Bischof verbietet säkularen Rechtsweg
Aus: IBKA Rundbrief Mai 2004
Neuerdings ist es katholischen Christen im Bistum Regensburg untersagt, "bei Streitigkeiten, die im Rahmen ... kirchlicher Ämter und Aufgaben entstehen, weltliche Gerichte anzugehen". Zuwiderhandlungen seien bei Kirchenmitarbeitern "Dienstvergehen", die mit einer "gerechten Strafe" geahndet würden. Diese neue Vorschrift wurde im Amtsblatt der Diözese Regensburg im November 2003 von Bischof Gerhard Ludwig Müller "Kraft meiner bischöflichen Vollmacht (can. 391)" veröffentlicht.
Die Regelung gilt zwar für "katholische Christen der Diözese Regensburg, insbesondere Geistliche und pastorale Mitarbeiter", aber jeder Jurist weiß, dass damit kein kirchlicher Mitarbeiter, ob haupt- oder ehrenamtlich (es ist ja neben "Ämtern" auch von kirchlichen "Aufgaben" die Rede), explizit von der Regelung ausgeschlossen ist.
Nachdem die Medien im Februar diesen offiziellen Erlass bekannt machten, zeigten sich Gewerkschafter, Juristen, Politiker und kirchliche Basisgruppen, die immer noch an eine Reformierbarkeit der Kirche glauben, empört.
Ernst-Wolfgang Böckenförde, der in Staat-Kirche-Fragen versierte ehemalige Verfassungsrichter, sagte der Süddeutschen Zeitung hierzu: "Die Kirche darf ihre internen Verhältnisse regeln, aber nicht einfach bürgerliche Rechte einschränken." Wenn das mit dem schwammig formulierten Edikt gemeint sei, sei es "schlicht unwirksam". Die Mainzer Kirchenrechtlerin Ilona Riedel-Spangenberger wurde im gleichen Artikel zitiert: "Das sind ja Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert" - mit dem Kirchenrecht von 1983 lasse sich der Erlass nicht begründen.
Der Frankfurter Arbeitsrechtler Manfred Weiss nannte die Vorschrift "absurd". Keiner könne Mitarbeitern den Gang zu einem staatlichen Gericht verbieten. Daher sei die bischöfliche Verfügung "von A bis Z irrelevant", sagte Weiss auf Nachfrage der Frankfurter Rundschau. Die kirchenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Christa Nickels, Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, ist "bestürzt". Nicht nur die bürgerlichen Rechte von Beschäftigten, auch die von Ehrenamtlichen sollten eingeschränkt werden, rügte sie. Auch sie erinnert das Verdikt ans 19. Jahrhundert.
"Das verschlägt einem die Sprache", meinte auch Renate Richter, Gewerkschaftssekretärin der Fachgruppe "Kirche, Diakonie und Caritas" bei Verdi. Die Anordnung des Bischofs zeuge entweder von dessen Machtgelüsten oder seiner Angst vor öffentlichen Gerichtsverfahren.
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" in Regensburg rief den Bischof vergeblich auf, die Verfügung zurückzunehmen. Er glaube offenbar, seinen "Untertanen die Wahrnehmung eines grundgesetzlichen Rechts untersagen zu können", hieß es in einer Stellungnahme.
Rechtlich zweifelhaft ist die bischöfliche Vorschrift sicherlich. Aber die herrschende Rechtsprechung und Politik gesteht den Kirchen im Bereich Arbeitsrecht weitgehende Autonomie zu. Faktisch werden die Kirchen mit 1,3 Mio. Arbeitnehmern dadurch zu einem weitgehend rechtsfreien Raum.
Das Bistum nennt es derweil eine "böswillige Unterstellung" zu behaupten, der Bischof wolle sich über Verfassungsgrundsätze hinwegsetzen. Einzige Absicht sei gewesen, dazu beizutragen, dass Streit unter Christen vor einer Eskalation bereinigt werde. "Selbstverständlich" wolle man nicht das Beschreiten von legitimen Wegen zur gerichtlichen Klärung von Streitigkeiten verhindern.
Wäre es dem Bischof jedoch nur um eine mögliche Streitschlichtung gegangen, hätte er dann den Gang vor die weltlichen Gerichte untersagen und als Dienstvergehen unter Strafe stellen müssen? An eine Rücknahme oder Präzisierung der Vorschrift ist jedenfalls auch nach den Protesten nicht gedacht.
Stattdessen erhielten die Pfarrer in der Angelegenheit Post vom Generalvikar des Bistums Regensburg, Wilhelm Gegenfurtner. Die Anordnung des Bischofs wäre "sehr bewusst in regionalen und überregionalen Zeitungen platziert und transportiert" worden. Weiter hieß es wörtlich: "Aufgeklärt hat sich in diesem Zusammenhang allerdings jetzt eindeutig, wer hinter der gesamten Kampagne gegen unseren H.H. Bischof steckt und steht." Gegen wen sich die Beschuldigungen des Generalvikars richten, blieb allerdings im Dunkeln.