Finanzierung der Kirchen in Europa

Gerhard Rampp

Wie finanzieren sich die Kirchen in den Staaten Europas?

Aus: MIZ 4/92

Das deutsche Kirchensteuersystem ist nicht einmalig, wird aber nur in wenigen Staaten in ähnlicher Weise praktiziert. Im internationalen Vergleich ist es als Mischform zwischen einem klassischen Staatskirchen-System und einer sauberen Trennung von Staat und Kirche einzustufen. Alle drei Modelle kommen in Europa in verschiedenen Varianten vor.1

1. Staat und Kirche sind mehr oder minder klar getrennt

In Frankreich finanziert sich die Kirche seit 1905 weitgehend selbst. Der Staat leistet für die vor diesem Zeitpunkt errichteten Kirchengebäude einen erheblichen Zuschuß, ansonsten finanziert sich die Kirche durch eine freiwillige "Kult-Abgabe", die etwa ein Prozent des Einkommens betragen soll. Wegen der stark geschrumpften Zahl der Gläubigen sind die Kircheneinkünfte rückläufig, was sich auf die Pfarrergehälter auswirkt; diese werden in den Diözesen je nach Spendeneingang jährlich neu festgesetzt.

Eine Sonderregelung besteht in den drei Departements Oberrhein, Niederrhein und Mosel (Elsaß und Lothringen), die 1905 zum Deutschen Reich gehörten. Dort finanziert der Staat die Gehälter des Klerus, dessen Wohlstand dem in Deutschland nicht nachsteht.

In den Niederlanden erhalten die Kirchen seit 1981 keine Staatsleistungen mehr; damals leistete der Staat eine einmalige Ablösung von 250 Millionen Gulden (= ca. 230 Millionen Mark). Seither finanzieren sich die Kirchen - der katholischen gehören etwa 37%, der reformierten ca. 26% der Bevölkerung an - aus freiwilligen Beiträgen, die zwischen einem und drei Prozent des Einkommens liegen sollen.

Großbritannien kennt zwei Staatskirchen: in Schottland die presbyterianische (reformierte), in England die anglikanische. Beide erhalten - ebenso wie die katholische - keinerlei Staatsgelder, besitzen aber viele Immobilien, Wertpapiere und andere Vermögenswerte, aus deren Erträgen (nebst Einnahmen aus Gebühren und Kollekten) sie ihren Aufwand problemlos bestreiten können.

Auch Portugal kennt seit 1911 eine strikte Trennung von Staat und Kirche. Da dem Klerus aber rund 20% des Grunds gehören, ist er auf Staatshilfe auch gar nicht angewiesen.

In Italien und Spanien bezahlte der Staat bis 1984 bzw. 1979 die Priestergehälter sowie einen erheblichen Teil des sonstigen Kirchenaufwands. Seither müssen alle Steuerzahler eine Zusatzabgabe von 0,8% (Italien) bzw. 0,52% (Spanien) der Steuerschuld leisten; sie können dabei aber wählen, ob sie den Betrag einer Religionsgemeinschaft, einem Wohlfahrtsverband oder dem staatlichen Sozialwesen zuführen wollen. Nur je etwa 40% aller Steuerzahler geben die Kirche als Empfänger an.2

2. Länder mit Staatskirchen-System

Belgien kennt noch immer eine enge Verflechtung von Staat und katholischer Kirche, obwohl dieser nur noch 73% der Bevölkerung angehören. Die Gehälter des Klerus sowie erhebliche Zusatzleistungen (z.B. für kirchliche Universitäten) werden aus öffentlichen Steuermitteln aufgebracht.

Noch stärker ist die Stellung der orthodoxen Staatskirche in Griechenland. Trotz eines riesigen Grundbesitzes läßt der Klerus fast den gesamten Apparat vom Staat finanzieren, der ihm überdies völlige Steuerfreiheit gewährt.

3. Staaten mit Kirchensteuer-System

In Skandinavien sind die lutherischen Kirchen zwar durchweg Staatskirchen, doch finanzieren sie sich teilweise selbst. Schweden kennt eine Kirchensteuer in Höhe von 0,85%, daneben leistet der Staat Zuschüsse von jährlich umgerechnet knapp 300 Millionen DM (für 7,5 Millionen Kirchenmitglieder). Dänemark ist neben Deutschland der einzige EG-Staat, der eine Kirchensteuer eingeführt hat. Im Unterschied zur BRD kommt sie aber unmittelbar der örtlichen Kirche zugute (entspricht also eher unserem Kirchgeld), während die Pfarrer vom Staat besoldet werden.

Auch in der Schweiz ist die Höhe der Kirchensteuer von Kanton zu Kanton, teilweise sogar von Ort zu Ort verschieden. Die Struktur differiert stark; in einigen Kantonen wie Basel-Stadt und Basel-Land herrscht eine weitgehende Trennung von öffentlicher und kirchlicher Gewalt, so daß letztere ihre Beiträge selbst einziehen muß. In anderen Kantonen sind dagegen sogar juristische Personen (z.B. Aktiengesellschaften) kirchensteuerpflichtig. Dem deutschen Muster am ähnlichsten ist Österreich, jedoch mit einem wesentlichen Unterschied: Die Kirchen ziehen ihre Beiträge selbst ein. Bei säumigen Beitragszahlern greifen allerdings auch sie zur Hilfe der staatlichen Justiz.3

Insgesamt läßt sich ein Trend zugunsten einer Entflechtung des Staates von der Kirchenfinanzierung feststellen. In Spanien 1979 und Italien 1984 geschah das sogar mit Billigung des Vatikan. Auch in Schweden und Finnland werden die Bindungen lockerer, obwohl dort die Kirchenaustritte längst nicht den Umfang angenommen haben wie in Mitteleuropa. Ob eine europäische Einigung die Änderung des deutschen Kirchensteuerwesens nach sich zieht, darf bezweifelt werden. Doch kann sie auf einem angrenzenden Terrain zu einer bahnbrechenden Änderung führen: Es bestehen gute Chancen, daß ein mit erweiterten Kompetenzen ausgestatteter Europäischer Gerichtshof die bloße Säuglingstaufe noch nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für eine Kirchensteuerpflicht des Säuglings ansieht, sondern eine Beitrittserklärung im Alter der Religionsmündigkeit verlangt. In diesem Fall mag das System gleich bleiben oder nicht - es würde schlicht und einfach von den praktischen Auswirkungen überrollt. Denn nicht einmal die Kirchen glauben, daß sich dann noch mehr als ein Zehntel der jungen Generation als Mitglied anmeldet.

Anmerkungen:

1 Hier soll nur ein allgemeiner Überblick gegeben werden. Eine Reihe von Details sind der Internationalen Rundschau der MIZ in verschiedenen Ausgaben der letzten Jahre zu entnehmen.

2 Die spanisch-italienische Lösung mag im Vergleich zur vorherigen Regelung eine Verbesserung darstellen, eine Übernahme in Deutschland (wie von Radio Vatikan angeregt) hätte aber verfassungsrechtlich keine Chance.

Inzwischen steht nämlich unstreitig fest, daß die Kirchensteuer so gut wie ausschließlich kircheninternen Belangen dient und nur zu einem Bruchteil öffentlichen sozialen Zwecken zugutekommt. Daher fehlt einer Ersatz-Sozialsteuer für Konfessionslose schon die sachliche Grundlage: Ersatz wofür, wenn das Original keine Sozialsteuer, sondern ein reiner Mitgliedsbeitrag ist? Außerdem schließt das Recht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) auch das Recht ein, keiner Organisation anzugehören. Oder soll künftig, wer keiner Partei, Gewerkschaft, Sportvereinigung etc. angehört, zu einer Ausgleichsabgabe an den Staat für politische Bildung, den Arbeitsmarkt, den Breitensport etc. verpflichtet werden?

Eine Wahlmöglichkeit nach italienischem Vorbild wäre nur denkbar, wenn sie ausschließlich auf Kirchenmitglieder begrenzt ist.

3 Die österreichische Praxis ist ein guter Beleg für die Durchführbarkeit eines kircheneigenen Beitragserhebungsverfahrens. Der hierzulande oft angeführte Vorwand, ein eigener Einzug komme den Kirchen teurer, wird dort widerlegt.