Kongress: Die ewige Wiederkehr des Religiösen

Christoph Lammers
Forum Demokratischer AtheistInnen - Hochschulgruppe an der Universität Trier

Die ewige Wiederkehr des Religiösen

Kongress zur Untersuchung der Auswirkungen von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung vom 22. bis 25. Mai 2003 an der Universität Trier

Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2002

Die Idee zu diesem Kongress entsprang uns - dem FDA (Forum Demokratischer AtheistInnen - politische Hochschulgruppe an der Universität Trier) - aus der Überlegung heraus, dass die von konfessionsfreier Seite geäußerte Kritik an Religion nicht monokausal ist. Das bedeutet, dass mit der Trennung von demokratischem Staat und hierarchischer Kirche die Bedeutung von Kritik nicht beendet sein darf. Vielmehr müssen sämtliche Phänomene religiöser und esoterischer Indoktrination zur Diskussion gestellt werden. Im Besonderen sollten der Öffentlichkeit Themen zugänglich gemacht werden, die sich mit so elementaren Dingen wie Erziehung und Bildung beschäftigen, gerade in der sich stark verändernden Welt.

1. Hintergründe:

In der Bundesrepublik Deutschland steigt die Zahl religiös-esoterischer Bildungsangebote. Dies geschieht, obwohl die Kirchlichkeit und mit ihr die Verbundenheit zur Institutionalisierung des Glaubens zusehends abnimmt. Eines der Gründe ist die aufeinander aufbauende Verbindung von Subsidiaritätsprinzip und GATS-Vereinbarung.

Seit 1961 gilt das auf die katholische Soziallehre gründende Subsidiaritätsprinzip. Der Staat muss demnach seine sozialen Aufgaben abgeben, wenn sich ein freier, vornehmlich kirchlicher Träger zur Übernahme dieser bereit erklärt. Damit zieht sich der Staat u.a. von seiner Bildungsaufgabe zurück und überlässt religiösen Institutionen den Erziehungssektor; in Folge dessen wirken diese meinungsbildend auf Heranwachsende.

In vielen Bereichen des politischen Lebens kommt es heutzutage außerdem zu immer stärkerer Zurückdrängung staatlicher Institutionen und zu weitreichender Privatisierung von Regelwerken. Eine Neufassung des "General Agreements on Trade in Services" (GATS) soll den globalen Transfer von Dienstleistungen - einschließlich Bildungsangeboten - liberalisieren. In der Bildungspolitik würde dann durch GATS-Vereinbarungen die Aufgabe der Bildung des Menschen vom Staat an private Einrichtungen übertragen. Aber welche Rolle können, welche Rolle dürfen beispielsweise multinationale Konzerne in der Bildung und beim Heranwachsen des Menschen spielen? Inwieweit sollen sie Unterrichtsinhalte gestalten können? Soll marktkonformer Wettbewerb Einfluss auf die Chancengleichheit an den Schulen haben? Wie gestalten religiös-esoterische Anbieter ihre Inhalte?

2. Die Auswirkungen

Die Funktion von Religion und religiöser Erziehung spielt in diesem gegenwärtigen Prozess der Privatisierung eine bedeutende, oftmals zu sehr unterschätzte Rolle. Durch die Sozialisation gewinnen religiöse Ideologien und fragwürdige Wahrheiten großen Einfluss auf das Denken des (jungen) Menschen. Die Folge sind Verführbarkeit und Subjektlosigkeit. Zum einen bilden diese in sich geschlossenen religiös-esoterischen Systeme einen 'Geborgenheitsraum' für viele Menschen und damit eine Basis zur Begründung einer ideologiemäßigen Scheinethik; zum anderen behindern sie gerade dadurch die persönliche Selbstentfaltung. Es entsteht damit ein unübersehbarer Markt von okkulten und esoterischen Alternativen, in dem sich der Mensch zu verfangen droht. Dabei wird die traditionell religiöse Unterweisung durch Kirche und Staat in einem ,Abnabelungsprozess' von Tradition und Familie lediglich von einer Art ,Patchwork-Religion' abgelöst. Der Mensch behält rudimentäre Elemente seiner traditionell religiösen Erziehung bei. Was viele GesellschaftswissenschaftlerInnen als das ,Ende der Religion' verstanden wissen wollen, ist in Wirklichkeit die "ewige Wiederkehr des Religiösen". Nicht zuletzt sind die Versuche, dem Scheitern an gesellschaftlichen Veränderungen und Konflikten zu entfliehen, verantwortlich für den Bruch mit dem Glauben im herkömmlichen Sinn und der damit verbundenen traditionellen Identifizierung von BürgerIn und ChristIn, aber auch für die Hinwendung zu neuen, ,gefühlsbetonteren' Heilsversprechungen. Religion, so scheint es, setzt diesem Prozess des Umbruchs ein Fluchtmoment entgegen, an dessen Ende oftmals eine Teilnahmslosigkeit an gesellschaftlichen Prozessen steht. Das entscheidende Problem ist die weitgehend anerzogene Unfähigkeit vieler Menschen, sich der eigenen Vernunft zu bedienen, ihr fehlender Mut, vermeintlich unantastbare (religiöse) Behauptungen in Frage zu stellen.

3. Der Kongress:

Diese Problematik bildet den Hintergrund für unseren Kongress, der versucht ausgewählte Themenbereiche anhand einzelner Vorträge und Workshops zu konkretisieren. Hierbei soll unter anderem untersucht werden:

  • die begriffsgeschichtliche Untersuchung von "education" und "Ausbildung",
  • welche Rolle Religionen, Quasi-Religionen und esoterische Heilslehren bereits im Prozess der Erziehung des jungen Menschen hin zum Erwachsenen spielen und
  • inwieweit dieses Erziehungsmoment das spätere Leben des Menschen bestimmt.

Alles zusammen geht Hand in Hand, ohne einer persönlichen und gesellschaftlichen Kritik unterzogen zu werden, an deren Ende eine neue "esoterische Leitkultur" steht.

Kritisch hinterfragt und auf ihre Ideologie hin überprüft werde sollen:

  • das biblische Christentum,
  • der Okkultismus,
  • die esoterische Psychoszene,
  • die Irrationalität unserer Gesellschaft,
  • die Montessori-Lehre und
  • die Anthroposophie Rudolf Steiners als alternative Erziehungsmodelle.

4. Ziel:

Insgesamt erhoffen wir uns, dass der Kongress die mangelnde Transparenz beseitigt und die Öffentlichkeit für diese Problematik sensibilisiert. Da Religionen und Heilserwartungen auch im 21. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielen und durch GATS weiter an Einfluss gewinnen werden, wollen wir nach dem Kongress ein öffentliches Forum für den kritischen Austausch über die "ewige Wiederkehr des Religiösen" bieten.

Vorläufiger Zeitplan und voraussichtliche Themenwahl

Donnerstag, 22.05.2003

18:00 bis 20:00 Uhr: Vortrag und Diskussion mit Dr. phil. Waldemar Vogelsang und Frank Welker.
Thema: Jugend und Okkultismus. Ergebnisse einer Jugendstudie am Beispiel Trier

ab 20:00 Uhr Abendprogramm

Freitag, 23.05.2003

09:00 bis 11:30 Uhr: Vortrag und Workshop mit Colin Goldner
Thema: Esoterische Psychoszene und der Kult der Unmündigkeit

11:30 bis 13:00 Uhr Pause

13:00 bis 15:30 Uhr: Vortrag und Workshop mit NN.
Thema: Die Pädagogik der Maria Montessori

15:30 bis 16:00 Uhr Pause

16:00 bis 18:30 Uhr Vortrag und Workshop mit Claudia Barth
Thema: Der neue Mensch des New Age: Im Einklang mit Volk und Führer

Ab 20:00 Uhr Abendprogramm

Samstag, 24.05.2003

09:00 bis 11:30 Uhr: Vortrag und Workshop mit Dr. phil. Maria Wölflingseder
Thema: Esoterik - rationale Irrationalität als Folge der irrationalen Rationalität unserer Gesellschaft

11:30 bis 13:00 Uhr Pause

13:00 bis 15:30 Uhr: Vortrag und Workshop mit Prof. Dr. Klaus Prange
Thema: Curriculum und Karma - das Erziehungsmodell der Steiner'schen Anthroposophie

15:30 bis 16:00 Uhr Pause

16:00 bis 18:30 Uhr: Vortrag und Workshop mit Prof. Dr. Franz Buggle
Thema: Ist christliche Erziehung noch verantwortbar?

Ab 20:00 Uhr gemeinsames Abendessen

Sonntag, 25.05.2003

09:00 bis 11:00 Uhr: Vortrag und Diskussion mit Eamon Kiernan
Thema: Ausbildung und Education - eine notwendige Diskussion

11:00 bis 13:00 Uhr Abschlussdiskussion mit den ReferentInnen