Kongress zum Einfluss von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung
IBKA-Kongress zum Einfluss von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung
Aus: IBKA Rundbrief August 2003
Vom 22. bis 25. Mai 2003 fand an der Universität Trier ein vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.), der Hochschulgruppe Forum Demokratischer AtheistInnen (fda) und der Jenny Marx Gesellschaft für politische Bildung e.V. veranstalteter Bildungskongress statt, der sich kritisch mit den religiös-esoterischen Inhalten verschiedener privater Anbieter auf dem Bildungssektor auseinandersetzte. Unterstützt wurde der Kongress vom AStA der Universität Trier, von der GEW Trier, dem Deutschen Freidenker-Verband, zwei Ortsvereinen des BfG, von der Atheistischen Gruppe Kiel und weiteren Gruppen.
Den Rahmen des Kongresses "Die ewige Wiederkehr des Religiösen. Kongress zur Untersuchung der Auswirkungen von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung" bildete das Handelsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation WTO. Einer der vielen Aspekte des GATS behandelt die Frage der Privatisierung von Bildungseinrichtungen weltweit. Deutschland wird, ebenso wie andere europäische und nichteuropäische Länder, von diesen Veränderungen stark betroffen sein.
Die Forderung nach einer Trennung von Schule und Weltanschauung und die Frage, wie diese zu erreichen sei, waren für die konfessionsfreien Verbände schon immer von großer Bedeutung. Gerade der IBKA mit seiner Konzentration auf politische Fragestellungen muss auf die "neue Marktsituation", die in absehbarer Zeit entstehen wird, reagieren. Da das Netz der Bekenntnisschulen, aber auch der weltanschaulichen Montessorischulen und der Waldorfschulen, in den letzten Jahren stark ausgeweitet werden konnte, ist es wichtig, jetzt die Inhalte der einzelnen Träger zu untersuchen und sie zu kritisieren. Die Frage nach der Trennung von Staat und Kirche in Schulen muss hier um die Forderung nach Transparenz und Kontrolle religiös-esoterischer Inhalte erweitert werden.
Während der vier Kongresstage diskutierten über 80 TeilnehmerInnen mit verschiedenen ReferentInnen und VeranstalterInnen über die Problematik von religiös-esoterischer Erziehung im pädagogischen Bereich. Den Anfang bildeten am Donnerstagabend der Soziologiedozent Dr. Waldemar Vogelgesang und der MIZ-Redakteur Frank Welker. In ihrem Vortrag "Jugendkultur und Okkultismus", Teil der von Dr. Vogelgesang erarbeiteten Trierer Jugendstudie, stellten sie die Bedeutung von okkulten und religiösen Symbolen und die damit speziell von Jugendlichen verbundenen Inhalte vor und versuchten deut-lich zu machen, dass Jugendliche immer mehr zu einer Form von Patchwork-Religion neigen. Religiöse und okkulte Symbole, die für viele mit klaren Bedeutungen verbunden sind, bekommen in bestimmten Jugendkulturen eine eigene Gewichtung. Dabei gehen Jugendliche sehr vorsichtig und kritisch mit der Thematik Religion um, auch wenn sich viele nicht als Anhänger/in einer christlichen Kirche verstehen wollen.
Am Freitag wurden, neben der Lehre der italienischen Ärztin Maria Montessori, die Esoterik und die in esoterischen Kreisen immer stärker frequentierte "systemische Familienaufstellung" nach Bert Hellinger kritisiert. Sowohl im Workshop von Dipl. päd. Claudia Barth, als auch im Workshop von Dr. Fritz Glunk wurden die missionarischen Aspekte der Esoterik und der Lehre des Ex-Missionars Bert Hellinger hervorgehoben. Aspekte der Esoterik, insbesondere die der Anthroposophie, finden sich immer öfter in Schulen (Waldorfschulen) wieder, ohne genannt zu werden. Dazu zählen Karma, irrationale Welterklärungsansätze und völkische Ideen ebenso wie bestimmte patriarchale Vorstellungen von Familie, Sippe und Volk. Dr. Wolfgang Proske machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Lehre von Maria Montessori nicht das Kind in den Vordergrund ihrer Pädagogik stellt, sondern es als Mittel zum Zweck einer göttlichen Ordnung benutzt. Dieser Aspekt wird immer wieder übersehen, wenn es um die Bewertung alternativer Erziehungsmodelle geht.
Am Samstag standen den TeilnehmerInnen sechs verschiedene Workshops offen, um die Thematik des Kongresses vertiefen zu können. Neben einem weiteren Workshop zu Bert Hellingers "Familienaufstellung", gehalten von Dipl. psych. Sigrid Vowinckel, und einem Workshop von Dipl. päd. Claudia Barth zu völkischen Tendenzen in der Esoterik, bot Dr. Maria Wölflingseder einen Einblick in die Thematik "Irrationalismus". Sie versuchte den Begriff näher zu bestimmen und mit den TeilnehmerInnen die wachsende Bedeutung von irrationalen Erklärungsansätzen in den letzten Jahren herauszustellen. Am Nachmittag bot Frank Welker einen Workshop zum Thema "Jugendkultur und Okkultismus" an, der die Thesen des Vortrages am Donnerstag noch einmal aufgriff. Zur selben Zeit stellte der Tübinger Pädagoge Prof. Klaus Prange seine Thesen zur Waldorfpädagogik vor. In diesem Workshop ging Prof. Prange vertiefend auf die Verbindung von Karmalehre und schulischer Entwicklung in der Pädagogik Rudolf Steiners ein. Schließlich bot das aus Freiburg i. Br. angereiste IBKA-Beiratsmitglied Prof. Franz Buggle einen Workshop zur christlichen Erziehung an. Unter dem Titel "Ist christliche Erziehung noch verantwortbar?" versuchte der Psychologe mit den Anwesenden strittige Passagen aus der Bibel herauszuarbeiten. Ihm war es 1992 mit der Streitschrift "Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann" gelungen, die Bibel einer präzisen Kritik zu unterziehen. Das Buch, so das Resümee von Prof. Buggle, ist denkbar ungeeignet zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen.
Am Sonntag griff der Erziehungswissenschaftler PhD Eamon Kiernan die Diskussion um die allgemeine Pädagogik auf und versuchte, die Entwicklung der Pädagogik in einen Zusammenhang mit der auf dem Kongress formulierten Kritik an religiös-esoterischen Erziehungsmodellen zu stellen. Zur Abschlussdiskussion hatten die VeranstalterInnen Lars Schewe als Vertreter der Studierendenschaft vom Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften (fzs) eingeladen, um die Entwicklung und den Stellenwert des GATS im Hinblick auf den Bildungssektor zu erläutern. Überraschenderweise musste festgestellt werden, dass viele TeilnehmerInnen kaum bzw. nichts von der Entwicklung auf dem Bildungsmarkt wussten und sie sich einhellig dafür aussprachen, vertiefende Veranstaltungen zu diesem Thema anzubieten.
Alles in allem waren die TeilnehmerInnen und ReferentInnen mit den Diskussionen sehr zufrieden. Die hohe TeilnehmerInnenzahl hat gezeigt, dass diese Problematik durchaus einen wichtigen Stellenwert in der aktuellen, öffentlichen Diskussion findet. Es bleibt nun abzuwarten, wie die einzelnen Verbände sich diesem Thema nähern. Eine Kongressdokumentation wird im kommenden Jahr im Alibri Verlag erscheinen.
Gut eine Woche vor dem Kongress gab der IBKA e.V. folgende Pressemitteilung heraus:
GATS lässt Ausgaben der öffentlichen Hand für private Bildung steigen
Nutznießer sind Konfessionsschulen und Waldorfschulen
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) erwartet für die kommenden Jahre eine weitere Zunahme der religiösen und weltanschaulichen Schulen. Anlässlich des Kongresses weist Vorstandsmitglied Christoph Lammers darauf hin, dass nach Einschätzung des IBKA durch die im Rahmen der Durchführung von GATS zu erwartenden Privatisierungen im Bildungsbereich Waldorfschulen und Konfessionsschulen ihr Angebot weiter ausbauen werden und damit auch ein deutlicher Anstieg der staatlichen Zuschüsse für diesen Bereich zu erwarten ist. Die Antworten des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage des bündnisgrünen Abgeordneten Nils Wiechmann (Drs. 14/2042) haben ergeben, dass die betreffenden Zuwendungen bereits von 1998 bis 2002 um rund 20% gestiegen sind.
Noch weit problematischer als dieser finanzielle Aspekt ist die damit einhergehende Sortierung der Schulkinder nach Religionszugehörigkeit. Da die jeweiligen religiösen bzw. esoterischen Vorstellungen im Unterricht von Konfessions- und Waldorfschulen (auch wenn letztere dies beharrlich bestreiten) einen bedeutenden Platz einnehmen, bleiben Kinder aus einem weltanschaulichen Lager unter sich. Die für eine pluralistische Gesellschaft so wichtige Begegnung mit Andersdenkenden findet nicht statt - mit allen bekannten Folgen für die spätere Kritik- und Konfliktfähigkeit der angehenden BürgerInnen. Welche Formen die religiöse Indoktrination von Schulkindern annehmen kann und wie hilflos staatliche Behörden darauf reagieren, hat jedoch der Fall der Auerbacher Schulschwestern (Bayern) gezeigt.
Zu befürchten ist, dass im Rahmen der rechtlichen Gleichbehandlung evangelikale und islamistische Gruppen ihre religiösen Schulen öffentlich finanzieren lassen. Der IBKA fordert daher, die Ausgaben der öffentlichen Hand für den privaten Bildungssektor insgesamt einzuschränken und die Lehrinhalte privater Einrichtungen besser zu kontrollieren.