Märkischer Sand im Potsdamer Parlamentsgetriebe

Notker Bakker

Gemeinsame Stellungnahme des IBKA mit anderen freigeistigen Verbänden erzielte Verzögerungserfolg

Aus: IBKA Rundbrief August 2004

In den letzten beiden Ausgaben berich­teten wir bereits über das Vorhaben des Landes Brandenburg, mit dem Heiligen Stuhl ein Konkordat abzuschließen. Zu­letzt fehlte nur noch die Zustimmung des Landtages. Diese erfolgte nunmehr Mitte Mai.

Dennoch sollte hier nicht auf einen Misserfolg der Aktion fehlgeschlossen werden: Wer glaubte, das Inkrafttreten des Konkordats hätte verhindert werden kön­nen, verkennt die derzeitigen Macht­verhältnisse in der Verbindung von Staat und Kirchen - und zwar nicht nur in Brandenburg, dessen Ministerpräsident vor einiger Zeit der Evangelischen Kirche beitrat.

So enttäuschend der politisch falsche Abschluss des Konkordates auf den ersten Blick sein mag, klar ist auch: Ohne die gemeinsame Stellungnahme hätte es keine von der PDS beantragte Anhörung im Hauptausschuss des brandenburgischen Landtages gegeben. Ohne unser Ein­greifen hätte es nicht einmal die kleinere öffentliche Diskussion über das Kon­kordat gegeben, sondern schlicht und einfach überhaupt keine.

Die Anhörung im Hauptausschuss zeigte auf, dass das Problembewusstsein der Abgeordneten für die Thematik "Tren­nung von Staat und Kirchen" (TSK) nicht übermäßig entwickelt ist. So enthielt be­reits der Fragenkatalog, der vor der An­hörung den geladenen Experten zuging, als abschließende Frage 23: "Inwieweit wird der vorliegende Staatsvertrag den besonderen Verhältnissen der Bevölke­rungsstruktur in Brandenburg als weit­gehend säkularisiertes Land gerecht bzw. in welcher Weise besteht Ergänzungs­bedarf, um eine dieser Situation ange­passte notwendige Missionierung politisch zu unterstützen?" Politiker, die mehr oder weniger unverhohlen Experten befragen, ob Missionierung ein politisches Ziel sei, sollten sich vielleicht zunächst Basis­kenntnisse zum Thema aneignen, bevor sie sich erneut zur Wahl stellen.

Vor solchem Hintergrund hatten die Experten, meistenteils so genannte "Staatskirchen"rechtler, vergleichsweise leichtes Spiel, das Konkordat als etwas völlig Normales und Unproblematisches darzustellen.

Dabei wurde auch nicht davor zurück­gescheut, die Kritik am Konkordat seitens der Verbände zu entstellen.

So berichtete am Tag nach der An­hörung die Berliner Zeitung über die Rechtslage ohne Konkordat: "Andernfalls müssten bis zu 60 Einzelverträge abge­schlossen werden." Dies geht zurück auf eine Äußerung des Hallenser so genannten "Staatskirchen"rechtlers Prof. Dr. Ger­mann: "Sie können die 20 Artikel in diesem Vertrag auch in 20 Verträge zerhacken. Sie müssen diesen Vertrag auch nicht mit der katholischen Kirche insgesamt schließen, sondern Sie können mit den drei Bistümern auf dem Landes­gebiet dann insgesamt 60 Einzelverträge schließen. Aber ich kann mir nicht vor­stellen, dass Sie dies für sinnvoll er­achten." Mit dieser Äußerung hat Ger­mann offensichtlich beim zuhörenden Vertreter der Berliner Zeitung und wohl auch bei den Abgeordneten eine Art "Antibürokratismusreflex" getroffen.

Zu einer Aussage wie der Germanns kann man indes nur kommen, wenn man gegnerische Argumentationen nicht ernst nehmen will (oder nicht kann?).

Hierzu ist folgendes anzumerken: Zum einen ist mir keine Kritikeraussage be­kannt, dass - alternativ zum Konkordat - dann jeweils mit jeder der drei in Brandenburg existenten Diözesen ein eigener Vertrag abgeschlossen werden müsste. Es gäbe sehr wohl die Möglich­keit eines Vertrages mit dem Land Bran­denburg als Vertragspartner auf der einen und den drei Diözesen als Vertragspartner auf der anderen Seite. Diese Lösung hätte immerhin den Vorteil, Problemen mit der "Internationalität" der Konkordate aus dem Wege zu gehen. Zum zweiten igno­riert die Germann'sche Äußerung, dass die Kritiker des Konkordates die Ansicht ver­treten, dass etliche der Regelungen ja überflüssig sind. Folgt man der Kritiker­meinung gibt es keine zwanzig zu regeln­den Einzelpunkte, sondern - bei einer sauberen, eng ans Grundgesetz ange­legten Sichtweise - vielleicht ein halbes Dut­zend.

Aber Germann zeigt, dass er nicht nur nicht im Detail innerhalb der Kritiker­meinung zu denken versteht, sondern dass er übersieht, dass der Vorschlag, mit Diözesen statt mit dem Heiligen Stuhl Verträge zu schließen, eine hilfsweise Kritik darstellt: Eigentlich sind sowohl das Konkordat wie Einzelverträge nicht erfor­derlich. Wenn der Staat meint, auf dem Gebiet "Rechte und Pflichten von Welt­anschauungsgemeinschaften" etwas regeln zu sollen, ist der Weg des allgemeinen Gesetzes der richtige, statt je einzelne Verträge mit verschiedensten Gemein­schaften - wie mit Evangelischer Kirche, jüdischer Gemeinde und nun Katholischer Kirche - einzugehen. Letztlich sind gera­de die Positionen der Kritiker wesentlich unbürokratischer.

Leider mangelte es in der Anhörung an Abgeordneten, die die Problematik "allgemeines Gesetz versus Sonderverein­barungen im Vertragswege" themati­sierten.

Die Diskussion über den Problem­punkt "Internationalität des Vertrages" - die ja gerade dadurch entsteht, dass der "Heilige Stuhl" Vertragspartner ist - wurde nicht ernsthaft angegangen. Das Niveau, auf dem dieses Problem behandelt wurde, wird in dieser Aussage des Kölner "Staatskirchen"rechtlers Prof. Dr. Rüfners deutlich: "Der Landtag kann ein entgegen­stehendes Gesetz erlassen, aber er darf es nicht. Er handelt rechtswidrig und ver­tragsbrüchig. Das ist nicht nur eine Frage der Psychologie. Ich weiß natürlich auch, dass der Papst im Ernstfall nicht die Schweizergarde schicken wird. (Heiterkeit und Zurufe.) Das hat schon Stalin gewusst."

Es bleibt abzuwarten, ob sich mancher Abgeordnete in den nächsten Jahren hieran noch zu erinnern vermag. Im Zuge von Haushaltsberatungen werden sie sich jedenfalls nicht mehr erinnern können: Die festgeschriebenen Leistungen sind ja nicht mehr gleichermaßen disponibel wie finanzielle Leistungen anderer Natur - auch ein demokratietheoretisches Prob­lem, welches nicht ernsthaft erörtert wurde.

Auf diesem geschilderten Hintergrund mag es auch nicht mehr verwundern, dass eine offizielle Antwort auf die gemein­same Stellungnahme der Verbände seitens des Ministerpräsidenten, des beteiligten Kultusministeriums wie auch der Fraktio­nen im brandenburgischen Landtag bis heute aussteht.

Unverändert wichtig bleibt es, das TSK-Kernthema "Staatskirchenverträge" weiter zu verfolgen. Die Berliner Morgen­post vom 16. Juni 2004 meldete: "Zehn Jahre lang hat man verhandelt: Jetzt soll noch in diesem Jahr ein neuer Staats­vertrag zwischen dem Land Berlin und der Evangelischen Kirche geschlossen wer­den. Das gaben gestern übereinstimmend Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Landesbischof Wolfgang Huber nach einem Treffen im Evangelischen Zentrum in Friedrichshain bekannt. Beide äußerten sich optimistisch, trotz einiger noch vorhandenen Kontro­versen das Vertragswerk zügig unter Dach und Fach zu bringen." Und am Schluss des Artikels heißt es: "Mit Blick auf die ebenfalls seit inzwischen fünf Jahren unterbrochenen Verhandlungen mit der katholischen Kirche erklärte Wowereit seine Bereitschaft, ähnlich zu verfahren wie jetzt mit der evangelischen Kirche."

Ebenso ist weiterhin zu befürchten, dass in Hamburg Vertragswerke - auch hier öffentlich undiskutiert und ohne Ein­beziehung von Verbänden des freigeisti­gen Spektrums - längst hinter den Kulis­sen ausgehandelt werden.

Das schlechte Beispiel Deutschlands im Rahmen des Staatskirchenvertrag­unwesens macht gerade auch in Osteuropa Schule: Fast überall wurden bereits Ver­träge zwischen den neuen Staaten und dem Heiligen Stuhl abgeschlossen. Die verbleibenden "weißen Flecken" werden - diplomatisch und meist geräuschlos - angegangen: So wurden offensichtlich in der Ukraine Verhandlungen aufgenom­men. Tschechien, das sich bislang am intensivsten und mit gutem Grund sträubt ein Konkordat abzuschließen, steht massiv unter Druck und muss sich nicht wundern, dass es im vatikanischen Bericht zum Stand der Religionsfreiheit negativ er­wähnt wird. In Lettland ist man mittler­weile auf dem Gebiet der Staatskirchen­verträge so weit, sogar mit den Sieben­tagsadventisten einen Vertrag abzuschlie­ßen. Selbst Israel hat - auf Druck US-amerikanischer Senatoren hin - erneut, vor Jahren unterbrochene Verhandlungen mit dem Vatikan wieder aufgenommen.

All denjenigen, die meinen, es sei lediglich relevant, den Einfluss der Kir­chen auf die Gesellschaft zu verfolgen, und Staatskirchenverträge seien nur etwas für Spezialisten, sei abschließend noch einmal dieses Zitat des Staatsrechtlers Konrad Hesse in Erinnerung gerufen: "[Die Kirchen versuchen] ... das, was sie an unmittelbarem Einfluss auf die moder­ne Gesellschaft verloren haben, mittelbar durch staatskirchenrechtliche Institutiona­lisierung zurückzugewinnen."