Kirchliche Berufsverbote

Leserbrief an den SPIEGEL von Irene Nickel, Regionalbeauftragte für Niedersachsen im IBKA e.V., teilweise veröffentlicht im SPIEGEL Nr. 25/15.6.98 (Nicht veröffentlichte Passagen in eckigen Klammern).

Kirchliche Berufsverbote gibt es heute noch. Mitten unter uns bleiben Menschen arbeitslos, weil sie nicht der "richtigen" Kirche angehören. Einem [Braunschweiger] Bekannten von mir wurde eine ABM-Stelle als Friedhofsgärtner verweigert, weil er konfessionslos ist. Der Friedhof untersteht der evangelischen Kirche, und Konfessionslose dürfen sich dort zwar begraben lassen, aber arbeiten dürfen sie dort nicht.

Regelrechte Berufsverbote entstehen durch die Praxis der Kirchen, nur ihren Mitgliedern die Arbeitsplätze in ihren Einrichtungen anzubieten [, wo Kirchen ein Monopol bzw. eine marktbeherrschende Stellung haben. Das ist vielerorts im Bereich sozialer Dienstleistungen der Fall, vom Kindergarten bis zum Altenheim. Wer in diesem Bereich beruflich arbeiten möchte, aber nicht gläubig ist, für den stehen die Grund- und Menschenrechte nur auf dem Papier: Will er sein Recht auf freie Berufswahl wahrnehmen, dann ist er genötigt, gegen seine Überzeugung einer Kirche beizutreten, also sein Recht auf Religionsfreiheit aufzugeben (Artikel 4 Grundgesetz, Artikel 18 AllgErklMenschenR). Will er sein Recht auf Religionsfreiheit wahrnehmen, dann schrumpfen die Beschäftigungsmöglichkeiten im angestrebten Beruf auf Null, und sein Recht auf freie Berufswahl geht verloren (Artikel 12 Grundgesetz, Artikel 23 AllgErklMenschenR). So bringen die Kirchen nichtgläubige Menschen um ihre Grund- und Menschenrechte. Und die Gesellschaft lässt sie gewähren!]