Konfessionslose schrauben Gläubigen die Kirchensteuer hoch

Rolf Heinrich

Aus: MIZ 2/92

Die pauschale Kirchensteuer, angewandt bei 500-Mark-Beschäftigten und der sogenannten "Direktversicherung", war viele Jahre ein Ärgernis für alle, die zwar kein Mitglied einer "kirchensteuererhebenden Körperschaft" sind, aber trotzdem ganz offiziell - entweder direkt oder über den Arbeitgeber - für die evangelische und katholische Kirche zur Kasse gebeten wurden (siehe MIZ 3-4/89, S. 36ff). Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 30. November 1989 (siehe MIZ 3-4/90, S. 20) änderte sich das teilweise. Welche Hürden es trotzdem zu nehmen gab, zeigen zwei Fälle aus der Bischofsstadt Fulda.

Fall 1:

Roland W.1, konfessionslos, Angestellter in einer größeren Firma, hatte jahrelang unter Protest - was ihm aber nichts nützte - für seine Lebensversicherung eine pauschale Kirchensteuer bezahlt, weil es sich um eine "Direktversicherung" handelte (Die Beiträge werden einmal jährlich erhoben).

Als ihm 1990 das BFH-Urteil bekannt wurde, verlangte er mit Hinweis darauf von seinem Arbeitgeber; daß dieser ihm in Zukunft nicht mehr die pauschale Kirchensteuer abziehen solle. Der Arbeitgeber informierte sich beim örtlichen Finanzamt, wo aber angeblich nichts bekannt war. Daraufhin schrieb Roland W. selbst an die Behörde und bekam die Antwort: (...) Grundlage für die Erhebung der Kirchensteuer sind die Kirchensteuergesetze der einzelnen Bundesländer: Für das Bundesgebiet gilt also kein einheitliches Kirchensteuerrecht. Die Finanzbehörden verwalten lediglich die Kirchensteuer. Demzufolge hat das o.a. BFH-Urteil lediglich Bedeutung für das Land Hamburg. Eine Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt ist bisher auch noch nicht erfolgt. Es bleibt daher die Entscheidung der Kirchenbehörden der übrigen Bundesländer abzuwarten, ob die Regelung für Hamburg auch auf diese übertragen wird und ob diese Rechtsauffassung auch Auswirkung auf den laufenden Steuerabzug haben wird. (...) Im übrigen besteht für Ihren Arbeitgeber die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen die eingereichten Lohnsteuer-Anmeldungen einzulegen.2

Der Arbeitgeber machte von diesem Recht aber keinen Gebrauch und im nächsten Jahr wurde die Kirchensteuer wieder abgezogen.

In diesem Jahr will Roland W. das nicht mehr hinnehmen und rechtlich dagegen vorgehen. Trotzdem räumte er seinem Arbeitgeber noch einmal die Möglichkeit ein, die Sache intern zu klären und bat um ein Gespräch mit dem Personalsachbearbeiter. Dieser erklärte ihm, warum damals kein Rechtsbehelf eingelegt und die Kirchensteuer weiterhin abgezogen wurde: Würden wir Sie aus der Pauschalierung der Kirchensteuer herausnehmen, müßten die anderen anstatt 7% dann den vollen Kirchensteuersatz bezahlen. Deshalb waren wir der Meinung, es sei die beste Lösung, Sie weiterhin dabei zu lassen. Was Roland W. dazu sagte, kann man sich leicht ausmalen! Vom Sachbearbeiter wurde versichert, man werde sich noch einmal beim Finanzamt erkundigen und ihm dann mitteilen, wie man sich "entschieden" habe.

Roland W. setzte sich unabhängig davon mit dem Finanzamt in Verbindung3 und sein Erstaunen war groß: Seit 1990 ist das BFH-Urteil bundesweit verbindlich: (..) Tatbestandsvoraussetzung für die Erhebung der Kirchensteuer ist auch in den Fällen der Pauschalierung der Lohnsteuer die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in einer kirchensteuererhebenden Körperschaft.4

Der Arbeitgeber lenkte daraufhin ein, behauptete aber, bis zu diesem Zeitpunkt nichts davon gewußt zu haben. Roland W. ist jetzt nachdenklich geworden, denn in diesem Erlaß heißt es auch: (...) In den Fällen der Pauschalierung der Lohnsteuer nach den §§40 und 40b EStG führt der Nachweis der Nichtzugehörigkeit zu einer kirchensteuererhebenden Körperschaft für einen Teil der Arbeitnehmer dazu, daß für die übrigen Arbeitnehmer die Kirchensteuer mit dem vollen Kirchensteuersatz von 9 v.H.5 zu erheben ist. (...)

Und das war doch auch die Aussage seines Arbeitgebers, obwohl dieser den Erlaß angeblich nicht kannte!

Fall 2:

Eine konfessionslose, auf 500-Mark-Basis Beschäftigte ärgerte sich darüber, daß der Arbeitgeber für sie eine pauschale Kirchensteuer abführt. Damit wurde sie zwar nicht belastet, aber in jeder Monatsabrechnung tauchte der Betrag als Arbeitgeberanteil auf. Als das BFH-Urteil bekannt wurde, bat sie ihren Arbeitgeber, die pauschale Kirchensteuer für sie nicht mehr abzuführen. Sie bekam die Antwort (...) mit dem Grundsatzurteil von 1990 haben Sie recht. Wenn aber die pauschale Lohn- und Kirchensteuer vom Arbeitgeber getragen wird, ist in diesem Grundsatzurteil auch ein Wahlrecht des Arbeitgebers eingeräumt worden, entweder nach den Gegebenheiten einzelner Arbeitnehmer die pauschale Lohnsteuer abzuführen oder nach einem pauschal festgelegten Satz für alle Mitarbeiter die unter diese Regelung fallen, den entsprechenden Satz abzuführen.

Wir haben uns für die zweite Regelung entschieden und leider ist es nicht möglich, Sie dort außen vor zu lassen. Wir können natürlich auf die Pauschalversteuerung verzichten. In diesem Fall müßten Sie uns eine Lohnsteuerkarte vorlegen und die Lohnsteuer selbst tragen. (...)

Anmerkungen:

1 Namen von der Redaktion geändert.

2 Brief des Finanzamtes Fulda vom 11. September 1990.

3 Die Sachbearbeiterin: Das muß ich erst heraussuchen, das wird bei uns so selten gebraucht!

4 Bundessteuerblatt 1990, Teil I, Nr.21, S. 773-775.

5 Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Hamburg 8 v.H.