Ersatzfach oder Alternative?

In Baden-Württemberg wird über den Stellenwert des Ethikunterrichtes diskutiert

Aus: MIZ 4/93

Ende Oktober veranstalteten die GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg eine Anhörung zu Religion und Ethikunterricht, auf der die Gleichstellung des Zwangsersatzfaches Ethik diskutiert wurde. Als Referenten waren der Mainzer Religionspädagoge Gert Otto, Gerd Eggers aus der Projektgruppe des Schulmodellversuchs "Lebensgestaltung/Ethik/Religion" und Gerhard Czermak, einer der Autoren des Handbuches für konfessionslose Lehrer, Eltern und Schüler geladen. Wir dokumentieren in Auszügen die vorangegangene Landtagsdebatte und das Statement Edgar Baegers, der ebenfalls als Sachverständiger an der Expertenrunde teilnahm.

Die Vorgeschichte der Auseinandersetzung über den Stellenwert des Ethikunterrichts beginnt 1992 mit dem Versuch der Kultusministerin Schultze-Hector (CDU), die Teilnahme an diesem Fach für die Schüler der gymnasialen Oberstufe weniger attraktiv zu machen. Hierzu wurde in einer Nacht- und Nebelaktion die Religionslehre institutionell aufgewertet, indem eine Regelung erlassen wurde, die das Fach bezüglich der Einbringung der Noten ins Abiturzeugnis begünstigte(1). Die Maßnahme war in Abstimmung mit den Kirchen ausgeheckt worden und hatte nichts anderes zum Ziel, als dem Ethikunterricht seine ursprüngliche Funktion wieder zuzuweisen: die Zahl der Abmeldungen vom Religionsunterricht zu vermindern. Denn dies hatte in der letzten Zeit immer weniger geklappt. Seit der Einführung des Ethikunterrichtes ist die Zahl der teilnehmenden Schüler je nach Schulart auf bis zu 23% angestiegen(2).

Protestierten damals noch einige Bildungsexperten der SPD im Parlament, konnte die Anderung der Verordnung über die Abiturprüfung an Gymnasien nach Zustandekommen der Großen Koalition in Stuttgart unbeschadet über die Bühne gehen. Anfang dieses Jahres startete dann die Landtagsfraktion der GRÜNEN zwei parlamentarische Initiativen zur Aufwertung des Ethikunterrichts. Am 16. Juni stand das Thema schließlich auf der Tagesordnung des Landtages.


Abg. Monika Schnaitmann GRÜNE: Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir wollen auf die Chancen und Herausforderungen reagieren, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen verbunden sind, auf die dringendsten sozialen Probleme der Gegenwart, auf das Nebeneinander verschiedenster Kulturen, Lebensauffassungen und Lebensweisheiten, Weltanschauungen und Religionen in einer sich verändernden Welt.

So ein Zitat aus dem Grundsatzpapier des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg zur Einführung des Faches Lebensgestaltung, Ethik, Religion.

Nun mag die Situation des Neuanfangs als Argument dienen, daß Brandenburg diesen Weg geht. Doch sehen wir in unser Nachbarland Bayern, so finden wir zumindest in diesem Bereich durchaus Vorbildliches. Ethik wird an allen weiterführenden Schulen ab Klasse 5 erteilt und wird dem Religionsunterricht gleichgestellt. (...)

Anders jedoch in Baden-Württemberg. In der Stellungnahme zu unserem Berichtsantrag und zu dem Antrag, das Fach Ethik im Abitur der Religionslehre gleichzustellen, sucht man vergeblich nach einer differenzierten und qualifizierten Würdigung des Fachs. Im Begründungszusammenhang wird allenfalls auf die beschämend dürftige Stellungnahme des Landeselternbeirates verwiesen, wonach das Fach Ethik eben nicht dasselbe leiste wie der Religionsunterricht, da es wegen der weltanschaulichen Neutralität des Staates die Gottesfrage offenlasse. Es sei dann doch die Frage erlaubt: Was hat die Gottesfrage mit den Prüfungsordnungen des Abiturs zu tun?

(Abg. Birgitt Bender GRÜNE: Gute Frage!)

Auch der Religionsunterricht als christlicher Religionsunterricht darf als versetzungserhebliches Fach nur eine Antwort anbieten. Er darf nicht zu einem zensurverteilenden Missionsfeld verkommen.

(Beifall der Abg. Birgitt Bender GRÜNE)

Auf die Frage, ob die Landesregierung daran denke, das Fach Ethik angesichts der steigenden Zahl von Schülern und Schülerinnen dem Fach Religion gleichzustellen, wird zwar zugestanden, daß Ethik nach §lOOa des Schulgesetzes ordentliches Unterrichtsfach sei. Was bleibt auch anderes übrig, nachdem dies das Bundesverfassungsgericht bereits 1975 anerkannt hat? Dennoch - so das Ministerium - sei es nur Ersatzfach für diejenigen, die aus Glaubens- und Gewissensgründen aus dem Religionsunterricht ausgetreten seien. Es ist Ersatzfach und kein ordentliches Lehrfach.

Nirgendwo wird aber der eigentliche Kern unseres Anliegen berücksichtigt, nämlich der, daß sich eine wesentlich größere Zahl von Schülern und Schülerinnen und zudem eine steigende Zahl erst gar nicht aus dem Religionsunterricht abzumelden braucht, weil sie entweder gar keiner Konfession angehören oder Glieder einer anderen Religionsgemeinschaft sind. Ethik ist schon längst vom Ersatzfach zum Alternativfach geworden, auch wenn das Kultusministerium diese gesellschaftliche Entwicklung ausblenden will. Die aber sieht so aus:

Erstens: Europa ist nicht mehr einheitlich religiös geprägt. Zweitens: Deutschland ist, als Ganzes gesehen, kein rein christliches Land mehr. Drittens: Unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen prägen unsere eigene und die europäische Gesellschaft im besonderen.

Dem Fach Ethik kommt dadurch große Bedeutung zu. Es ist ein Armutszeugnis, wenn sich das Ministerium nicht einmal bemüht, in seiner Antwort die Inhalte dieses Faches zu definieren.

(Abg. Schlauch GRÜNE: Wahrscheinlich wissen sie es nicht!)

Ich will es so formulieren: Erstens das Begleiten der emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, zweitens Hilfe zu leisten als Orientierungssuche in einer komplexen, bedrohten und bedrohlichen Welt, drittens Erweitern des Horizonts für gut begründete, selbstbestimmte Entscheidungen, viertens Anbahnen des Handlungsspielraums für zukunftsfähiges Verhalten und fünftens gegenseitige Toleranz und Offenheit einzuüben, um in Andersglaubenden und Andersdenkenden nicht das Fremde zu sehen, sondern eine Bereicherung.

Sicher. - Eine Aufwertung des Faches Ethik vom Ersatzfach zum Alternativfach hat Folgen. In Stichworten: die Aufwertung in den Jahrgangslehrplänen, die Einführung an Haupt- und Berufsschulen, die Einführung in allen Schularten ab Klasse 5, die Entwicklung eines Studienfaches Ethik, wie es derzeit an der Universität Leipzig in der Fortbildung der Lehrer und Lehrerinnen geschieht, und in der Gleichbehandlung in den Prüfungsordnungen.

Ein Letztes: Eine Konkurrenz zwischen Ethik und Religion gibt es von verfassungs wegen nicht, auch wenn das Ministerium das so begründet. Erst recht ist der Verfassung keine Präferenz für das Unterrichtsfach Religion zu entnehmen. Immerhin geht Bayern sogar so weit, den Stellenwert des Fachs Ethik und dessen Inhalte mit der bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz zu begründen und an ihnen zu bemessen. Wenn aber das baden-württembergische Kultusministerium nach wie vor glaubt, mit seinem missionarischen Eifer dem Fach Ethik die Gleichstellung versagen zu müssen, werden wir dafür sorgen, daß diese Situation vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit und der damit verbundenen Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich überprüft wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und auf der Pressetribüne)

Stellv. Präsident Straub: Das Wort erteile ich Frau Lazarus.

Abg. Ursula Lazarus CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion sieht durchaus die Bedeutung des Fachs Ethik. Sie ist nicht loszulösen von der aktuellen Wertediskussion, wie wir sie teilweise auch heute morgen hier erlebt haben. Die CDU-Fraktion sieht die Verpflichtung, bei Erziehungsdefiziten in Familien und bei den fast unkontrollierbaren Einflüssen von außen, die auf die Erziehung einwirken, verstärkt Erziehung als Wert und soziale Verhaltensweisen in die Schulen hineinzutragen. (...)

Der strittige Punkt: Die CDU-Fraktion sieht Ethik nicht als frei wählbares Alternativfach an, sondern es ist ein Ersatzfach. Es ist - kann man sagen - ein Ersatzpflichtfach. Das ist richtig. Es ist aber ein Ersatzfach. Dafür gibt es gute Gründe. Ich darf mich darauf beschränken, einige wenige zu nennen.

Religion hat eine besondere Stellung durch die Verfassung, und zwar nicht nur durch Artikel 18 der Landesverfassung von Baden-Württemberg, sondern auch durch Artikel 7 des Grundgesetzes, in dem der Religionsunterricht gesichert ist, und zwar als ordentliches Lehrfach, während eben die Ethik "nur" - was uns als ausreichend erscheint - durch das Schulgesetz abgesichert ist. (...). Der Erziehungsauftrag nach unserer Landesverfassung - die Kernaussage ist dabei wohl "Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott... zu erziehen" - gibt unserer Meinung nach der Stellung des Religionsunterrichts ein besonderes Gewicht. Diese Stellung - das haben sie selbst gesagt - kann der Ethikunterricht nicht haben, weil dort diese Frage, nämlich die Glaubensfrage, die Gottesfrage, in ihrer Letztendlichkeit, in ihrer Verbindlichkeit sogar ausgeschlossen werden muß. (...)

Religionsunterricht wir inhaltlich nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften gehalten, während in der Ethik der Staat die Maßstäbe setzt. Das ist doch ein sehr wesentlicher Unterschied. Die Lehrer für den Religionsunterricht haben eine eigene Lehrbefugnis - sie kann ihnen sogar entzogen werden -,während die Ausbildung für den Ethikunterricht in Staatshand ist und der Unterricht anschließend ja auch zugegebenermaßen ohne eigentliches Korrektiv durch eine Institution wie beim Religionsunterricht sehr personalgebunden ist.

(Abg. Zeller SPD: Aber Werteerziehung ist in Staatshand!)

Wertevermittlung - ich komme gerade darauf - ist in einer Religionsgemeinschaft verwurzelt und wird dort ja auch praktisch umgesetzt. Die Schüler, die Kinder haben ja die Möglichkeit, diese Werte anschließend, zum Beispiel in einer Gemeinschaft, in einer Pfarrei, auch in sozialen Einrichtungen erlebbar zu gestalten. Das heißt, da sind mitunter Zusammenhänge vorhanden, die weit über den Unterricht hinausgreifen. Das alles kann im Grunde genommen vom Inhaltlichen her ein Ethikunterricht, der da gewissermaßen doch sehr viel freischwebender ist, im Unterschied zum Religionsunterricht nicht bieten.

Wir sind also für die Gleichstellung - das sieht ja auch das Gesetz vor; das ist völlig in Ordnung-, aber nicht für die Austauschbarkeit; so möchte ich es formulieren. (...) Ich möchte fast schon abschließend sagen, sehr geehrte Damen und Herren: Die CDU-Fraktion sieht durchaus die von Ihnen zu Beginn angesprochenen Realitäten,

(Abg. Schlauch GRÜNE: Das ist ein elender Eiertanz, was die CDU-Fraktion da macht!)

nämlich, daß die Statistik ausweist, daß die Zahl der Schüler, die in den Religionsunterricht gehen, sowohl prozentual als auch absolut abnimmt. Deshalb sehen wir es ja auch als richtig an, daß diese Schüler - zum Teil sind sie in anderen Religionsgemeinschaften; zum Teil sind sie in keiner Religionsgemeinschaft - ein Ersatzfach angeboten bekommen. Das ist durchaus richtig. Für diesen Fall gehen wir davon aus, daß das Kultusministerium alle Bemühungen unternimmt, im Rahmen der Möglichkeiten, die momentan vorhanden sind, vermehrt Ethikunterricht anzubieten. (...)


In der Landtagsdebatte nicht hinterfragt wurde die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit eines Zwangsersatzfaches Ethik. Auf der Anhörung ging Edgar Baeger (Foto), Mitglied im Beirat von Humanistischer Union und des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), auf diese grundlegenden Fragen ein(3):

Foto Edgar Baeger

Für konfessionsfreie Menschen in Deutschland ist das Religionsersatzfach "Ethik" in der Form, in der es bisher in vielen Bundesländern realisiert wurde unter keinen Umständen hinnehmbar. Es beseitigt de facto die Religionsfreiheit an deutschen staatlichen Schulen und muß als der größte Angriff auf die Religionsfreiheit seit Bestehen der Bundesrepublik gewertet werden. Ich möchte diese Wertung nachfolgend begründen:

Zunächst ist festzuhalten, daß das Fach "Ethik" ausschließlich eingeführt wurde, um den zunehmenden Abmeldungen vom Religionsunterricht entgegenzuwirken. Dieses läßt sich anhand von zahlreichen Verlautbarungen aus Kultusministerien, Äußerungen von Politikern und einschlägigen Presseberichten dokumentieren. In der Landtagsdebatte vom 16. Juni 1993 in diesem Hause wurde immer wieder von verschiedenen Rednerinnen und Rednern betont, das Fach Ethik sei ein Ersatzfach für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Unterricht teilnehmen. Die diesen Ausführungen zugrundeliegende Sichtweise ist aber geradezu abenteuerlich! Ein Staat kann nämlich grundsätzlich von seinen Bürgern nur dann eine Ersatzleistung einfordern, wenn eine Originalpflicht existiert, der nachzukommen sich die Betreffenden weigern. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland jedoch garantiert die Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4, Abs. 1). Daraus folgt zwingend, daß auch das Recht, sich zu keiner organisierten Religion zu bekennen, durch die deutsche Verfassung verbrieft ist. Wenn dem so ist, dann kann niemals für konfessionsfreie Schüler eine Pflicht existieren, einen christlichen Religionsunterricht zu besuchen. Eine solche Verpflichtung würde das Ende der Religionsfreiheit an deutschen Schulen bedeuten. Da also für konfessionsfreie Schüler (die keiner Religionsgesellschaft angehören), keine Verpflichtung zum Besuch eines Religionsunterrichts existiert und existieren darf, kann es keinerlei rechtliche Grundlage geben, diese Schüler ersatzweise zum Besuch eines anderen Faches gleicher Stundenzahl zu verpflichten, dieses Fach möge heißen, wie es wolle. Mit einem Ersatzfach für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, wurde eine Quasi-Religionspflicht an deutschen Schulen eingeführt und damit die Religionsfreiheit beseitigt.

Man kann nur vermuten, daß manche Abgeordnete sich der Verfassungswidrigkeit dieser Ersatzfach-Konstruktion irgendwie doch bewußt sind, denn anders wären viele beschönigende und wahrheitswidrige Äußerungen nicht erklärbar. So zum Beispiel die Reden, in denen immer wieder davon gesprochen wird, den nicht an einem Religionsunterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schülern werden das Fach Ethik angeboten. Diese Formulierung laßt sich nur noch als Heuchelei klassifizieren. Wenn Worte überhaupt noch einen Sinn haben, muß ein Angebot auch abgelehnt werden können. Schüler jedoch, die sich weigern, das Fach Ethik ersatzweise zu besuchen, werden vom zuständigen Amtsgericht mit Geldstrafen belegt und müßten ihre Weigerung durch die gesamte juristische Instanzenleiter bis zu einer höchstrichterlichen Klärung verteidigen. Deshalb sei es hier ausdrücklich betont: alle bisher in deutschen Bundesländern eingeführten Ersatzfächer für Religionsunterricht sind keine Angebote, es besteht vielmehr Besuchszwang.

Ebenso grotesk sind Äußerungen, die besagen, der Ethikunterricht sei ein Unterricht für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen oder sich vom Religionsunterricht abmelden. Wenn diese Definitionen der betreffenden Schülergruppe wirklich so zutreffen würden, dann könnten damit niemals konfessionsfreie Schüler gemeint sein. Im Falle konfessionsfreier Schüler ist es mitnichten so, daß diese an einem konfessionellen Unterricht nicht teilnehmen wollen, vielmehr ist dieses Fach für sie überhaupt nicht eingerichtet worden. Konfessionsfreie Schüler können sich auch von einem Unterricht, der für sie nicht eingerichtet wurde, niemals abmelden (Die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme steht hier nicht zur Diskussion). Da jedoch auch konfessionsfreie Schüler erklärtermaßen zum Besuch dieses Religionsersatzfaches gezwungen werden sollen, müssen alle diese Formulierungen als Versuche gewertet werden, über den tatsächlichen Sachverhalt einer verfassungswidrigen Rechtskonstruktion hinwegzutäuschen. (...)

Zum Schluß will ich die Frage erörtern, wie Modelle aussehen könnten, die aus der Sicht konfessionsfreier Menschen und ihrer Verbände verfassungskonform wären. Ich zähle diese Modelle zunächst auf, ohne Rücksicht auf ihre Realisierbarkeit zu nehmen.

Modell 1:
Der Staat behandelt alle Religions- und Weltanschauungsgesellschaften gleich, wie es Art. 3, Abs. 3 des Grundgesetzes entsprechen würde. Dieses würde bedeuten, daß jede Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft Anspruch auf ein von ihr verantwortetes religiöses und weltanschauliches Unterrichtsfach an den Schulen hat, mit staatlicher Besoldung der jeweiligen Lehrkräfte, die ihrerseits an deutschen Hochschulen auf Kosten des Staates auszubilden wären. Die Vielfalt religiöser und weltanschaulicher Vereinigungen in Deutschland indes laßt diesen Ansatz völlig unrealistisch erscheinen.
Modell 2:
Der privilegierte konfessionelle Religionsunterricht bleibt bestehen, da die christlichen Kirchen in ihrem in Art. 7, Abs. 3 festgeschriebenen Privileg festhalten. Aus dem heuchlerischen Angebot eines Ethikunterrichts mit de facto Teilnahmezwang wird jedoch ein echtes Angebot, d.h. ein Wahlfach. Für Schüler, die am konfessionellen Religionsunterricht nicht teilnehmen, besteht kein Zwang zum Besuch des Wahlfaches. Dieses ist derzeit die neue Rechtslage in Italien und Spanien.
Modell 3:
Der privilegierte christliche Religionsunterricht bleibt aus den o.g. Gründen bestehen. Für Schüler, die einer Religionsgesellschaft angehören, in deren Namen ein Religionsunterricht in den Schulen erteilt wird, die diesen (ihnen zugedachten) Religionsunterricht jedoch nicht besuchen wollen, wird ein Ersatzpflichtfach eingerichtet. Da der Staat den konfessionellen Religionsunterricht für diese Schülergruppe mit enormen Kosten (geschätzt eine Mrd. DM pro Jahr) eingerichtet hat und aufrechterhält, besteht er auf einer Teilnahmepflicht für die so Begünstigten. Konfessionsfreien Schülern oder Schülern, die kleinen (beispielsweise nichtchristlichen) Religionsgesellschaften angehören, für die ein Religions- oder Weltanschauungsunterricht also noch nie angeboten wurde, ist der Besuch eines Religionsersatzfaches - als Wahlfach - stets freigestellt.
Modell 4:
An Stelle eines Religionsunterrichts wird ein für alle Schüler gemeinsames Fach eingerichtet, beispielsweise ähnlich dem Brandenburger Modell Lebenskunde, Ethik, Religionen. Bei einem solchen Fach müßte es sich allerdings zwingend um ein Unterrichtsfach auf ausschließlich wissenschaftlicher Grundlage handeln. Es dürfte, da für alle Schüler gedacht, nicht ideologisch geprägt sein. Funktionäre religiöser Organisationen oder Religionslehrer dürften einen solchen Unterricht unter keinen Umständen erteilen. Die hierfür erforderlichen Lehrer müßten vielmehr auf wissenschaftlichen Hochschulen speziell hierfür ausgebildet werden. Religion würde in diesem Fach rein deskriptiv als Religionenkunde zu behandeln sein.

Anmerkungen:

1 Wer sich über diese Vorgänge genauer informieren möchte, kann gegen Einsendung von DM 3,- in Briefmarken ein unveröffentlichtes Manuskript beim IBDK Verlag anfordern.

2 Nach den Ausführungen der schul- und religionspolitischen Sprecherin der GRÜNEN im baden-württembergischen Landtag besuchen in der Hauptschule 20%, in der Realschule 12%, im Gymnasium 14% und in den Berufsschulen 23% der Schüler den Ethikunterricht (der in Baden-Württemberg übrigens erst ab der 8. Klasse erteilt wird).

3 Vgl. den Artikel Edgar Baegers zum Ethikunterricht in MIZ 1/92.