60 Jahre Reichskonkordat

Aus: MIZ 3/93

Am 20. Juli konnte die katholische Kirche ein denkwürdiges Jubiläum feiern. Vor sechzig Jahren war es ihr gelungen, mit dem faschistischen Deutschland ein Konkordat abzuschließen, das ihr zahlreiche Privilegien und Vorteile brachte. Für die Nationalsozialisten war der Vertrag mit dem Vatikan der erste erfolgreiche Schritt aufs Parkett der internationalen Politik. Das Reichskonkordat ist darüber hinaus das einzige außenpolitische Abkommen der Nazizeit, das noch heute in der Bundesrepublik geltendes Recht darstellt.

Die Vorgeschichte des Konkordatsabschlusses beginnt mit den Beratungen über die Verfassung der Weimarer Republik. Da in der Frage des Verhältnisses von Staat und Kirche die Vorstellungen innerhalb der Koalition von Liberalen, Zentrum und Sozialdemokraten äußerst verschieden waren, kam es zu jenem Kompromiß, der bis heute Bestand hat: die sog. hinkende Trennung von Staat und Kirche. Seitdem versuchte der Vatikan durch quasi-völkerrechtliche Verträge die laizistischen Ansätze zu revidieren. Mit den Ländern Bayern, Baden und Preußen gelangen solche Abschlüsse, nicht jedoch mit der Reichsregierung.

Als sich abzeichnete, daß die Nationalsozialisten über kurz oder lang an einer Regierung zumindest beteiligt sein würden, setzte Rom auf diese Karte. Der päpstliche Nuntius Eugenio Pacelli und der Führer der Zentrumspartei Prälat Kaas bereiteten den Coup zusammen mit Franz von Papen, päpstlicher Geheimkämmerer und späterer Vizekanzler im Kabinett Hitler, vor. Am 4. Januar fand ein Treffen zwischen Hitler und Papen statt, auf dem dieser die Unterstützung des Papstes für den Fall der Zerschlagung der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien zusicherte. Entsprechend dem italienischen Vorbild war die Kurie bereit, den politischen Katholizismus zu opfern, wenn Hitler in der Konkordatsfrage Entgegenkommen zeigen würde.

Nach der "Machtergreifung" der NSDAP wurde sofort am Konkordatstext gearbeitet; im April hatten Göring und Papen eine Audienz bei Pius XI., ein Vierteljahr später schon wurde die herzliche Übereinkunft unterzeichnet. Sie regelte in einigen der 34 Artikel ganz generell die Freiheit der katholischen Kirche, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen, befreite Kleriker von einigen bürgerlichen Pflichten. Das Konkordat sicherte die theologischen Fakultäten, die katholischen Bekenntnisschulen und den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, der fortan die Erziehung zu vaterländischem, staatsbürgerlichem und sozialem Bewußtsein aus dem Geiste des christlichen Glaubens- und Sittengesetz gewährleisten sollte. Es schuf auch die Grundlage für die staatlich organisierte und finanzierte Militärseelsorge.

Die tiefere politische Bedeutung liegt darin, daß der deutsche Faschismus durch diesen Vertrag international hoffähig gemacht wurde. Die eigentliche Brisanz aber birgt das geheime Zusatzprotokoll, in dem Vereinbarungen für den Fall der Wiederaufrüstung Deutschlands getroffen wurden. Der Geheimanhang legte fest, daß Priester und Theologiestudenten bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht vom Militärdienstbefreit bleiben sollten; im Mobilisierungsfall seien die in der Diözesanverwaltung und der Seelsorge beschäftigten Geistlichen von der Gestellung frei, die übrigen seien dem Sanitätsdienst zuzuweisen.

Für das deutsche Episkopat war das Reichskonkordat das Signal, den Widerstand gegen Hitler aufzugeben und zu einer kooperativen Haltung überzugehen. Bis 1933 gegen die Nationalsozialisten eingestellt, nahmen sie sich den in Artikel 16 festgelegten Amtseid zu Herzen und beeilten sich, die verfassungsgemäß gebildete Regierung zu achten. Die Hirtenbriefe der folgenden Jahresprechen hier eine deutliche Sprache.

Nach Kriegsende war zunächst umstritten, ob das Reichskonkordat weiterhin gültig sei. Anläßlich einer Klage der Bundesregierung gegen ein niedersächsisches Schulgesetz stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß das Konkordat als völkerrechtlicher Vertrag weiterbestehe (auch wenn es in diesem Fall nicht anzuwenden sei, da das Schulrecht in der Kompetenz des Bundeslandes liege). Dieses sog. Konkordatsurteil vom 26. März 1957 ist das bisher letzte Wort in dieser Sache. In zwei anderen Staaten, die unter faschistischen Regierungen Abkommen mit dem Vatikan abgeschlossen hatten, wurden diese in jüngster Vergangenheit zu Ungunsten der Kirche revidiert: in Italien und in Spanien.

gs