Freie Fahrt im Offenen Kanal

Aus: MIZ 4/94

Ein Stück demokratische Rundfunkkultur soll er sein, der Offene Kanal, der in einer Reihe von Bundesländern Bürgern und Bürgerinnen ermöglicht, selbstproduzierte Sendungen im Programmschema des privaten Rundfunks unterzubringen. Ohne Zensur, so sehen es die entsprechenden Mediengesetze, sollen die Beiträge über den Äther gehen - freies Wort für freie Bürger. Doch wie so oft klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Dies mußten auch IBKA-Mitglieder aus Holzwickede erfahren, denn ihre Versuche, Beiträge über den örtlichen Lokalsender auszustrahlen, wurden mit allen Mitteln torpediert (vgl. MIZ 3/94, S. 5). Nun konnten sie einen Erfolg feiern: die Landesrundfunkanstalt (LfR) verpflichtete Antenne Unna dazu, die meisten der umstrittenen Beiträge zu senden.

Die Schwierigkeiten begannen im Dezember letzten Jahres, als eine Mitarbeiterin des Senders unmittelbar vor der Ausstrahlung einiger Interviews, die sich kritisch mit dem Verhältnis von Staat und Kirche auseinandersetzten, beim Vertreter des IBKA anrief und ihm mitteilte, der Beitrag müsse leider verschoben werden, da ein Wiedergabegerät defekt sei. Nach den Blockadeversuchen des folgenden halben Jahres muß wohl davon ausgegangen werden, daß bereits dies eine Ausrede war. Offensichtlich hatten die ersten beiden Sendungen die westfälischen Amigos aufgeschreckt, so daß hinter den Kulissen daran gearbeitet wurde, keine "atheistischen" Beiträge mehr an die Ohren der Radiohörer gelangen zu lassen. Jedenfalls wurden seit diesem Zeitpunkt alle weiteren Versuche der IBKA-Ortsgruppe Holzwickede, auf Sendung zu kommen, abgeblockt1.

Die Ablehnungsbegründungen wurden dabei immer abenteuerlicher und wurden vor allem nur mündlich mitgeteilt; auf schriftliche Nachfragen wurde meist gar nicht mehr geantwortet. Obwohl die Nutzungsordnung der Offenen Kanäle ausdrücklich den Zugang ohne Vorbedingung festlegt, mußten die Beiträge plötzlich von einem Redaktionsmitglied vorkontrolliert werden. Bei der nächsten Anmeldung wurde moniert, daß in der Sendeanmeldung zwar die IBKA-Gruppe als Produzentin verantwortliche zeichne, in der Abmoderation aber nur noch eine Kontaktadresse genannt werde, so daß unklar sei, ob es sich um eine Gruppe handle oder nicht. Als immer offensichtlicher wurde, daß der Privatsender ohne rechtliche Grundlage das Programm des Offenen Kanals nach eigenem Gutdünken bestimmen wollte, wurde es den IBKA-Mitgliedern zu bunt und sie legten Beschwerde bei der Landesrundfunkanstalt ein.

Nach mehrmonatiger Bearbeitungszeit ist die Entscheidung nun gefallen: bis auf zwei Fälle hat Antenne Unna die Ausstrahlung zu Unrecht unterlassen und wurde angewiesen, dies nachzuholen. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem. Denn eine Möglichkeit, das Recht auf freien Zugang zum offenen Kanal gegen die Radiostation unmittelbar durchzusetzen, gibt es nicht. Und dies ist die Hintertür für die Zensoren, denn Beiträge mit aktuellem Bezug verfehlen ihre Wirkung nun mal, wenn sie erst nach Monaten ihre Hörer finden.

gs

Anmerkungen:

1 Der Boykott erstreckte sich auch auf den Teil der Presse, der zum selben Medienkonzern gehört wie Antenne Unna. Daß es sich dabei um eine abgestimmte Aktion handelte, ist sehr wahrscheinlich; als sicher kann gelten, daß es einen Informationsaustausch über den Fall "IBKA" gab, der über die üblichen Kollegengespräche hinausging. Denn anders ist es nicht zu erklären, daß die IBKA-Gruppe eine Pressemitteilung, die an die Ruhr-Nachrichten adressiert war, vom Radiosender mit einem Vermerk zurückgeschickt bekam.