§ 166 StGB abschaffen!

Die Kampagne "Gegen Zensur" ist angelaufen

Aus: MIZ 1/98

Wer den Film Toto che visse due volte (Toto, der zweimal gelebt hat) sehen will, muß sich wohl noch etwas gedulden. In Deutschland ist der Streifen noch nicht angelaufen und in Italien hat ihn die Kommission zur Freigabe von Kinofilmen Anfang März erstmal verboten. Begründet wurde das Verdikt unter anderem mit dem Blasphemie-Vorwurf (in einer Szene wird Jesus nach der Kreuzigung von Mafiosi in Säure aufgelöst, in einer anderen werden sexuelle Aggressionen gegen Heiligenbilder gerichtet). Zwar ist diese Vorzensur-Kommission in Europa ziemlich einzigartig, aber die Indizierung dieses mit Filmfördermitteln ausgestatteten Werkes zeigt, daß die religiös motivierte Zensur auch am Ende des Jahrtausends noch quicklebendig ist.

In Deutschland, wo die klerikalen Wächter über Kunst & Kommunikation in der Regel mit dem § 166 StGB hantieren, hat sich im Fall des Maria-Syndroms, jenes Rock-Comicals, dessen Aufführung seit Mai 1994 durch das Verbot des Ordnungsamtes der Stadt Trier auf Eis liegt, eine neue Situation ergeben: das Bundesverwaltungsgericht hat Anfang Januar eine Revision gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen, die das städtische Verbot bestätigt hatten, nicht zugelassen. Damit war der Weg frei für eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Autor Michael Schmidt-Salomon geht davon aus, daß seine Klage gute Erfolgsaussichten hat: "Bislang haben die Richter den Aspekt der Kunstfreiheit völlig vernachlässigt."

Parallel zu den juristischen Bemühungen um eine Aufhebung des Verbots ist im Februar eine Kampagne angelaufen, die der Forderung nach Kunst- und Meinungsfreiheit Nachdruck verleihen soll. Mit Veranstaltungen und Medienarbeit soll die Öffentlichkeit auf den Fall und den dahinterstehenden Paragraphen aufmerksam gemacht werden. Die ersten Vorträge haben in Augsburg und Heidenheim stattgefunden, eine große Auftaktveranstaltung ist für Ende Mai in Trier geplant. Danach soll die Kampagne ein Jahr lang laufen und am fünften Jahrestag des Verbots mit der Aufführung des Stückes enden.

Den InitiatorInnen geht es dabei nicht allein um das Maria-Syndrom; sie sehen in dem Verbot ein Indiz für ein zunehmend restriktiveres politisches Klima in der Bundesrepublik, das sich unter anderem auch in vielfältigen Einschränkungen der Meinungsfreiheit niederschlägt. "Mein Stück kritisiert genau den Geist, dem es dann zum Opfer gefallen ist", meint Michael Schmidt-Salomon, "diesen in vielen Menschen schlummernden Wunsch, nicht denken und diskutieren zu müssen. Genau an dieses untertänige Harmoniebedürfnis appellieren zur Zeit viele PolitikerInnen und in den Kirchen finden sie ihre eifrigsten Claqueure."