Kirchgeldinitiative in NRW vorerst [!] gescheitert

Rudolf Ladwig

Aus: IBKA Rundbrief März 2000

Im Rundbrief September 1999 (Heidensteuer, S. 12) berichtete Matthias Krause über Versuche der evangelischen Kirche, in sämtlichen Bundesländern auf eine Änderung der jeweiligen Landeskirchensteuergesetze hinzuwirken. Überall sollte ein "Besonderes Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe" neu eingeführt werden - so, wie ihnen dies politisch in bereits 11 Bundesländern gelang.

In Nordrhein-Westfalen wurde im Frühjahr 1999 zunächst die jüdische Kultusgemeinde initiativ und forderte die Schaffung der Möglichkeit, Kirchgeld zu erheben. Dieser Vorstoß war sichtlich durch die evangelischen Kirchen inspiriert, welche offenbar hofften im Schatten der besonderen historischen Verantwortung, die eine genauere Prüfung unwahrscheinlich machte, zum eigentlichen Nutznießer einer entsprechenden Gesetzesänderung zu werden.

Die zuständigen katholischen Bistümer blieben bei der auch anderenorts zumeist vertretenen Haltung, sich nicht argumentativ dagegen zu stellen, aber zu erklären, auf die Inanspruchnahme eines Kirchgeldrechtes verzichten zu wollen. Sie ließen erkennen, dass sie durch das Kirchgeld mit Austritten rechneten und ihnen dieser Verlust wichtiger sei, als die erwarteten Mehreinnahmen.

Als die Kirchgeldpläne ruchbar wurden, haben diverse Verbände aus dem bürgerrechtlichen, humanistischen und freidenkerischen Spektrum im Sommer 1999 ihre Bedenken einer Heranziehung von Nichtkirchenmitgliedern zur direkten Kirchenfinanzierung, gegenüber der Landesregierung und den Landtagsfraktionen und Landesparteien schriftlich vorgetragen.

Im Herbst 1999 kamen dann Reaktionen, u.a. auch offiziell schriftlich aus der Staatskanzlei in Düsseldorf, dass der Gesetzesentwurf zurückgezogen sei.

Im Januar 2000 brachte jedoch Ministerpräsident Clement (SPD) die Idee trotzdem in das Kabinett ein, pikanterweise in Abwesenheit der beiden Minister des grünen Koalitionspartners. Hauptargument war, er, Clement, habe dies den Kirchen versprochen und stehe nun im Wort. Landesbauminister Vesper (Bündnis90 / Die Grünen) reagierte auf innerparteiliche Bedenken mit den Behauptungen, eine Ablehnung hielte man politisch nicht durch und man solle doch ruhig den Kirchen geben was diese wollten.

Dagegen formierte sich innerparteiliche Kritik. Immerhin war im Koalitionsvertrag nichts zum Kirchgeld gesagt und die Legislaturperiode steht kurz vor ihrem Ende. Im Februar 2000 kam es zu einem Treffen zwischen Mitgliedern von Bündnis 90 / Die Grünen und einem für Kirchgeldfragen zuständigen Funktionär der evangelischen Kirche. Der Kirchenvertreter gab an, dass die evang. Kirche sich pro Jahr in NRW durch ein Kirchgeld Mehreinnahmen von 20 Millionen DM erwarte.

Die VertreterInnen der Grünen machten deutlich, dass es für eine Gesetzesänderung zur Einführung der Kirchgelderhebungsmöglichkeit keine Unterstützung ihrer Partei geben werde; einer warf gar die Systemfrage auf, ob die Kirchensteuer selbst noch zeitgemäß sei. So kam es im Februar 2000 nicht zu einem Pro-Kirchgeld-Kabinettsbeschluss und auch zu keiner Gesetzesinitiative in der bereits im Mai endenden Legislatur.

Bündnis 90 / Die Grünen beschlossen am 19.02.2000 im Programmteil 'Demokratie, Recht und kommunale Selbstverwaltung' in ihrem Landtagswahlprogramm unter der Abschnittüberschrift 'Das Verhältnis von Kirche und Staat neu regeln' u.a. folgenden Satz: "Die Einführung eines 'besonderen Kirchgeldes in glaubensverschiedener Ehe' lehnen wir ab."

Nun hängt es vermutlich vom Ausgang der Landtagswahl am 14. Mai 2000 ab, ob die Kirchen ihre Kirchgeldinitiative erneuern. Nötig hätten sie es angesichts steigender Kirchensteuereinnahmen wahrlich nicht.

Da sowohl SPD wie CDU für die Einführung von Kirchgeld und absolute Mehrheiten gegenwärtig unwahrscheinlich sind, könnte es entscheidend darauf ankommen, ob die F.D.P. sich in dieser Frage auf ihre bürgerrechtlichen Wurzeln besinnt. Von Ministerpräsident Clement (SPD) ist bekannt, dass er den grünen Koalitionspartner gerne los wäre. Und die F.D.P. scheint ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen zu wollen.

Deren Spitzenkandidat Möllemann, der aus dem katholischen Münsterland stammt, ist jedenfalls vor wenigen Jahren noch als vehementer Befürworter des konfessionellen Religionsunterrichtes aufgetreten.

Sollte die Politik nach der Landtagswahl in NRW das Kirchgeld einführen, böte dies jedoch für humanistische und freidenkerische Verbände einen willkommenen Anlass, eine Kirchenaustrittskampagne zu starten.