Zu Besuch bei Atheisten in den USA

René Hartmann

Bericht von der Convention der Atheist Alliance International

Aus: IBKA Rundbrief August 2002

Einer Einladung August Berkshires folgend, der bei der AAI für internationale Kontakte zuständig ist und Ende November 2001 den IBKA in Deutschland besucht hatte, flog ich am Gründonnerstag nach Dallas/Fort Worth, um an der jährlichen Convention der Atheist Alliance teilzunehmen.

Am Flughafen nahm mich August, begleitet von seiner Freundin Rachel Wilson, in Empfang und wir begaben uns unverzüglich zum Tagungshotel, wo die Sitzung des AAI-Boards (der Delegiertenversammlung) schon in vollem Gange war.

Auf der Sitzung ging es um eine breite Palette von Themen, darunter viel US-spezifisches sowie organisatorische und Satzungsfragen. Doch auch internationale Fragen wurden diskutiert. So ging es um die geplante Europa-Reise im September, während der unsere amerikanischen Freunde auch an der diesjährigen IBKA-Mitgliederversammlung teilnehmen werden. Hierbei erhielt ich Gelegenheit, die Planung unserer MV vorzustellen.

Ein weiterer Punkt betraf eine mögliche Mitgliedschaft der AAI in der International Humanist and Ethical Union (IHEU). Hierzu erläuterte ich die Gründe für das Ausscheiden des IBKA aus der IHEU. Die Frage einer IHEU-Mitgliedschaft der AAI wurde schließlich an die internationale Arbeitsgruppe der AAI verwiesen, ebenso wie die Frage einer möglichen korporativen Mitgliedschaft der AAI im IBKA.

Die Sitzung wurde am Freitagvormittag fortgesetzt und vertagte sich dann auf Sonntag, damit plangemäß die eigentliche Convention stattfinden konnte. Diese bestand aus einer Reihe von Veranstaltungen, teils im großen Saal, teils mehrere gleichzeitig in kleineren Räumen.

Unter anderem berichteten Vertreter der anwesenden Gruppen vor den versammelten Teilnehmern über die Aktivitäten ihrer Organisation. Für mich ergab sich so die Gelegenheit, ein wenig über den IBKA und seine Arbeit zu erzählen.

Daneben gab es Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu den verschiedensten Themen. Ein kleiner Überblick:

Dr. Faye Girsh von der Hemlock Society berichtete über die Bemühungen, die aktive Sterbehilfe in den USA zu legalisieren. Ein entsprechendes Gesetz war in Oregon verabschiedet worden (gewissermaßen ein amerikanisches Gegenstück zu dem Sterbehilfegesetz in den Niederlanden). Konservative Kreise, insbesondere die katholische Kirche sowie der als extrem konservativ bekannte US-Justizminister Ashcroft, bekämpfen dieses Gesetz vehement.

Bürgerrechtsaktivist Rob Sherman berichtete über seine Aktivitäten zur Trennung von Staat und Kirche. Zwar sind Staat und Kirche in den USA weitgehend getrennt, doch kommen Verstöße dagegen immer wieder vor, z.B. Schilder mit den 10 Geboten an öffentlichen Gebäuden oder staatliche Zuwendungen an Boy Scouts, die Atheisten und Homosexuelle diskriminieren. Sherman berichtete über seine Strategien, mit denen er schon in so manchem Fall erfolgreich war.

Um die Streitfrage Evolutionstheorie vs. religiöser Kreationismus - ein Thema, das hierzulande bei vielen eher Kopfschütteln auslöst, in den USA aber immer wieder aktuell ist - ging es in einem Disput vor Publikum, in dem John Blanton von den North Texas Sceptics die Evolutionstheorie vertrat. Als Befürworter des kreationistischen Standpunkts war Dr. Don Patton eingeladen worden.

Wer schon einmal die Webseiten von Kreationisten besucht hat, weiß, dass diese keineswegs immer nur mit der Bibel argumentieren, sondern häufig bemüht sind, ihren Argumenten ein wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen. Mit Vorliebe werden dabei einzelne Zitate von seriösen Evolutionswissenschaftlern präsentiert, um den Eindruck zu erwecken, die Autoren hätten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Theorie. Die Argumentation von Dr. Patton lieferte hierfür ein gutes Beispiel. Für einen Kenner der Materie - es ging um die Frage, ob die Fossilien Argumente für oder gegen die Evolutionstheorie liefern - brachte die Debatte wenig Neues; gleichwohl war sie recht interessant im Hinblick auf Diskussionsstrategien.

Margaret Downey berichtete über die Aktivitäten des Anti-Discrimination Support Network (ADSN), das sich bemüht, das negative Bild zu korrigieren, welches in der US-Öffentlichkeit oft von Atheisten gezeichnet wird.

Danny Barnett hielt einen informativen und unterhaltsamen Vortrag über medizinische Quacksalberei.

Andrew Laska informierte über die Strategien der Holocaust-Leugner.

In einer der Veranstaltungen informierte ich über die Verhältnisse in Europa und besonders in Deutschland. Speziell an der NS-Zeit, dem Verhältnis von Kirchen und Nationalsozialismus sowie an der Frage nach den religiösen Überzeugungen Hitlers zeigten sich einige Zuhörer interessiert. Unter Religionsanhängern in den USA scheint die Ansicht weit verbreitet zu sein, dass Hitler "Atheist" gewesen sei.

Im Unterhaltungsprogramm präsentierte Steve Benson religions- und kirchenkritische Karikaturen aus seiner Feder, musikalisch begleitet von Dan Barker. Dies war ein Moment, in dem ich mir für Deutschland "amerikanische Verhältnisse" wünschte, denn einen § 166 müssen Karikaturisten in den USA zumindest derzeit nicht fürchten. Die gezeigten Karikaturen ließen denn auch zum großen Teil an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

In einem separaten Raum wurden atheistische und religionskritische Bücher und Zeitschriften sowie sonstige Produkte (T-Shirts, Scherzartikel u. a.) angeboten (siehe Foto).

Der Kongress fand in einer angenehmen und lockeren Atmosphäre statt. Den Tagesausklang bildete jeweils eine abendliche Party im kleineren Kreis, die im Hotelzimmer stattfand. Dort und am Rande der Convention führte ich auch einige Gespräche mit Convention-Teilnehmern, die an Deutschland interessiert oder sogar dort schon im Urlaub gewesen waren.

Vor meinem Abflug am Montag nahm ich noch die Gelegenheit wahr, mit einigen Besuchern der Convention einen Abstecher nach Dallas zu unternehmen und dort u. a. den Ort der Ermordung Kennedys in Augenschein zu nehmen.

Alles in allem war dieses Treffen eine interessante und bereichernde Erfahrung. Der nächste Kongress der AAI wird voraussichtlich in Florida stattfinden. Vielleicht ergibt sich ja für das eine oder andere weitere IBKA-Mitglied eine Gelegenheit daran teilzunehmen.