200 Jahre Säkularisation ...

Diskussionsgrundlage von Notker Bakker, Jurist, zum Workshop: "Staatsleistungen als Subventionen?"

Anlässlich des 200sten Jahrestages des Reichsdeputationshauptschlusses in die­sem Jahr wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern, mit diesem Ereignis verbunden, die Ablösung der durch die Säkularisation "legitimierten" Staatsleistungen gefordert werden könnte.

Eine der Überlegungen war die Ent­wicklung eines eigenen Gesetzesvorschla­ges im Sinne des Art 140 GG in Ver­bindung mit Art 138 I WRV - wenn schon die Politik nicht bereit ist, ein solches Gesetzesvorhaben anzugehen, heißt dies ja nicht, dass nicht der IBKA einen ent­sprechenden Vorschlag bereits quasi "be­schlussfähig" als Angebot vorhalten kann.

Der Versuch eines solchen Gesetzes­textes ist unten wiedergegeben. Zu diesem Gesetzestext gehört noch eine längere Be­gründung, die hier der Kürze halber nicht mit abgedruckt wird.

Natürlich hat - unabhängig von seiner Qualität - ein solcher Gesetzesentwurf der­zeit keine Chancen. Er kann aber ein An­knüpfungspunkt für Diskussionen rund um das Thema Staatsleistungen/Subven­tionen sein. Im Rahmen der diesjährigen Mit­gliederversammlung in Schney wird es am Sonntag, von mir moderiert, auch eine Arbeitsgruppe zum Thema Staatsleistun­gen/Konkordate geben. Hierfür könnte der Gesetzestext, neben anderen Texten und Problemstellungen, eine Diskussionsbasis bieten.

Warum z.B. wird immer wieder das Stichwort "Kohlesubventionen", nicht je­doch das Feld der quantitativ weit umfang­reicheren Kirchensubventionen in der Öf­fentlichkeit aufgegriffen? Ja, warum tau­chen in den diesbezüglichen Diskussionen, auch in längeren und fundierteren Be­richten zum Thema, die Kirchensubven­tionen gar nicht einmal auf? Wieso wird im Subventionsbericht der Bundesregie­rung als einzige Subvention dieses Be­reiches die einkommensteuerrechtliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer aufge­führt, obwohl diese eine negative (es wird nicht etwas gezahlt, sondern seitens des Staates auf etwas verzichtet) und zudem eine indirekte (direkter Profiteur der Sub­vention ist nicht die Kirchensteuer erhe­bende Religionsgesellschaft, sondern der einzelne kirchensteuerpflichtige Bürger) Subvention der Religionsgesellschaften darstellt?

Handelt es sich möglicherweise heute bei den Staatsleistungen auch nur noch um Subventionen (diesen steht ja kein "Ge­genwert" gegenüber; die Entschädigungs­funktion ist längst historisch)? Wie sind die beiden Begriffe, wenn überhaupt, denn voneinander abzugrenzen?

Könnte ein Rahmengesetz im Sinne des Art 140 GG in Verbindung mit Art 138 I WRV möglicherweise eine verfas­sungskonforme Möglichkeit darstellen, ein generelles Trennungsgesetz, im finanziel­len Bereich ein generelles Subventions­verbot für Religionsgesellschaften, zu er­reichen?

Insbesondere Fragen wie die letzte, bleiben mindestens so lange Theorie, solange es kein politisches Klima gibt, in dem das Thema "Trennung von Staat und Kirche" eine Rolle spielt. Wie kann dieses Thema also stärker in die öffentliche De­batte gebracht werden? Wo bestehen An­knüpfungspunkte zu bestehenden politi­schen Debatten? Gibt es Möglichkeiten auf prozessualem Wege Änderungen oder zumindest Diskussionen hierzu herbeizu­führen?

Rahmengesetz zur Ablösung der Staats­leistungen nach Artikel 140 Grund­gesetz (RASAG)

§ 1 [Ursprüngliche Staatsleistungen]
Die auf Gesetz, Vertrag oder beson­deren Rechtstiteln beruhenden Staatsleis­tungen an die Religionsgesellschaften ge­mäß Artikel 138, Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung gelten als abgelöst. Ausnahmen sind nach den Regeln des § 4 zulässig.

§ 2 [Folgende Staatsleistungen]
(1) Die nicht als Staatsleistungen ge­mäß Artikel 138, Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung geltenden Staatsleistun­gen und Staatsleistungen, die nach In­krafttreten der Weimarer Reichsverfassung eingegangen wurden, sind einzustellen. Dies gilt ebenfalls für nicht wieder­kehrende, einmalige Leistungen.
(2) Ausgenommen hiervon sind Leis­tungen seitens der öffentlichen Haushalte, denen eine entsprechende Leistung der Religionsgesellschaften gegenübersteht.

§ 3 [Rückforderung übermäßiger Staats­leistungen]
Staatsleistungen an Religionsgesell­schaften, die, dem ursprünglichen Zweck der Staatsleistung folgend, zuviel geleistet wurden oder denen keine entsprechende Leistung der Religionsgemeinschaft gegen­überstand, können nach Maßgabe der Regelungen nichtiger öffentlich-recht­licher Verträge von den Religionsgesell­schaften zurückgefordert werden.

§ 4 [Beweislast]
(1) Wird seitens einer Religionsgesell­schaft bestritten, dass die erfolgten Zah­lungen den Rechtsgrund der Staatsleistung faktisch ablösten, ist die Religionsgesell­schaft für diese Tatsache beweispflichtig. Hierbei ist die ursprüngliche Art des Er­werbs des Anspruchs seitens der Reli­gionsgesellschaft zu berücksichtigen.
(2) Wird seitens des Bundes, der Län­der oder Gemeinden eine übermäßige Zah­lung nach § 3 behauptet, sind diese hierfür beweis­pflichtig.
(3) Es besteht ein gegenseitiger An­spruch auf Auskunft über für die Beweis­führung erhebliche Tatsachen.

§ 5 [Steuerbefreiungen]
Den Religionsgesell­schaften aufgrund ihrer Eigenschaft als Körper­schaft des öffentlichen Rechts gewährte Steuer- und Gebühren­befreiungen sind von den Be­stimmungen dieses Gesetzes ausgenom­men.

§ 6 [Konkordatsbestimmungen]
Regelungen in Verträgen zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden auf der einen Seite und Religionsgesell­schaften auf der anderen Seite, die den ablösenden Bestimmungen dieses Geset­zes entgegenstehen, sind zu kündigen.

§ 7 Das Nähere regeln Gesetze der Länder nach Maßgabe dieses Gesetzes.