1996 - Meldungen 2216-2255
Europa
Bosnien
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Dem SWF-Korrespondentenbericht zufolge wurden die Mönche vom zuständigen Bischof in ihre Klöster zurückgeschickt. Als in nationalistischen Kreisen Unmut darüber laut wurde, erklärte ein Diözesansprecher, es handle sich dabei um eine Anweisung aus dem Vatikan. Der Korrespondent spielte nur ganz am Rande auf die führende Rolle von Franziskanern während der Massenmorde an Serben und Muslimen in den Jahren 1940 bis 1942 an, wies aber darauf hin, daß die in Bosnien lebenden Kroaten von ihren Landsleuten seit jeher als besonders fanatisch, fromm und nationalistisch angesehen werden. (Südwestfunk-Radio, 9.2.96, 8.05-8.15 Uhr)
Anm. MIZ-Red.: Zu den erwähnten Massenmorden unter Führung und Mitwirkung von diversen Franziskanern während des II. Weltkriegs: Vgl. Deschner, Kirche und Faschismus, S.99-118, sowie Mit Gott und dem Führer, S.270-303, und Dedijer, Jasenovac - das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. Daher wundert nicht, daß der Vatikan eine Wiederbelebung dieser unseligen Tradition unter allen Umständen verhindern will, und sei es auch nur wegen seines Ansehens in der Weltöffentlichkeit.
Dänemark
Deutschland
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Der Jesuit darf auch sein fast fertiges neues Werk nicht veröffentlichen und keine Interviews mehr geben, weil er nach Auffassung seiner Vorgesetzten für Verunsicherung gesorgt und "erhebliche Kontroversen" ausgelöst habe. (Kinzigtal-Nachrichten, 16. u. 17.10.96; Frankfurter Rundschau, 9.12.95; KNA, 18.1.96)
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Zwischen 1970 und 1992 hatten die Kirchen ihre Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen mehr als vervierfacht, seitdem stagnieren sie und sollen 1996 sogar um jeweils knapp eine halbe Milliarde DM zurückgehen. (MIZ-Eigenmeldung auf der Basis des Statistischen Jahrbuchs 1995).
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IDW) berechnete den aus Kirchenaustritten resultierenden Einnahmeausfall der beiden Kirchen auf 13 Milliarden DM seit 1970. (Frankfurter Allgemeine, 25.10.95)
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Zum einen wurde die Streichung des "Macho-Paragraphen" abgelehnt, wonach Pfarrer in ihrem Dienstbereich die Besetzung anderer Pfarrstellen mit Frauen durch ein Veto verhindern können. Einen entsprechenden Beschluß hatte die Synode 1991 gefaßt; damals war die Zulassung von Frauen zum Pfarramt überhaupt als "Symptom der gesamtkirchlichen Glaubenskrise" bezeichnet worden (vgl. MIZ 3/91, Meldung 1423). Erst kürzlich machte ein Nürnberger Pfarrer von diesem Vetorecht Gebrauch, indem er sich auf das Paulus-Wort "Das Weib schweige in der Gemeinde" berief.
Die zweite Diskriminierungsklausel war den evangelischen Publizisten so peinlich, daß sie nicht einmal in der Kirchenpresse, sondern nur in einer Kirchenfunk-Spezialsendung zur Sprache kam: Seit 1990 übernimmt die Landeskirche Vikarinnen (d.h. Referendarinnen, die als Kirchenbeamte auf Widerruf den letzten Teil ihrer Ausbildung absolvieren, Anm. MIZ-Red.) am Ende der Ausbildung nicht als "Kirchenbeamtin zur Probe" in das übliche Dienstverhältnis, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schwanger sind. Vielmehr werden diese Frauen sogar vorübergehend entlassen, so daß auch der Krankenversicherungsschutz endet und sie die gesamten Geburts- und Folgekosten selbst tragen müssen. Offiziell wird diese grobe Mißachtung des allgemeinen Kündigungsschutzes von Schwangeren mit der Einsparung von Kosten begründet, doch weisen Kritikerinnen darauf hin, daß künftige Väter, die gleichfalls Anspruch auf Elternschaftsurlaub hätten, in der gleichen Situation anstandslos übernommen werden.
Außerdem dürfen Pfarrer(innen) grundsätzlich auch weiterhin keine nichtchristlichen Partner heiraten. Nur in Einzelfällen ist mit Zustimmung des Landeskirchenrats eine Ausnahme möglich, sofern anläßlich der Eheschließung ein evangelischer Gottesdienst stattfindet und die Kinder evangelisch getauft werden. 1993 war ein Pfarranwärter abgewiesen worden, weil er eine Jüdin heiraten wollte.
(Bayerischer Rundfunk, 5. Hörfunkprogramm, Kirchenfunk, 19.11.95; Süddeutsche Zeitung, 27.11. u. 2.12.95; Der Spiegel, 22.1.96)
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Ex-Verfassungsgerichtspräsident Simon sieht das Gesetz zwar als Fortschritt an, hält aber verschiedene Details für verfassungswidrig. So sei der Mehrheitswille völlig unerheblich, und Eltern dürfe auch keine weltanschauliche Begründung für ihren Antrag abgenötigt werden.
Laut Monitor haben bisher etwa 20 Eltern das Entfernen von Kreuzen verlangt. Mehrfach wurden sie oder ihre Kinder an den Pranger gestellt. In einem Fall ließ der Schulleiter nicht etwa das Kreuz abnehmen, sondern die betroffene Klasse in den Keller des Schulgebäudes umziehen.
Selbst Kultusminister Zehetmair, der von bislang 12 Fällen sprach, rechnet mit einem erneuten Gang nach Karlsruhe.
Für weiteren Zündstoff sorgte das Kultusministerium, indem es in einem Schreiben an die Bezirksregierungen behauptete, Lehrer dürften die Entfernung des Kreuzes nicht verlangen, weil sie nur als Amtsträger handelten und insoweit nicht grundrechtsfähig seien; außerdem hätten sie ihren Beruf schließlich freiwillig gewählt. Der Bund für Geistesfreiheit Augsburg erwiderte in einer Presseerklärung, damit würden Beamte in Bayern zu rechtlosen Subjekten "wie in einer Bananenrepublik" herabgestuft. "Anscheinend will das Kultusministerium für Volksschullehrer während der Dienststunden wieder die Leibeigenschaft einführen." Noch 1989 habe das Ministerium unter Hinweis auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit verneint, daß Lehrer Schulklassen in Gottesdienste begleiten müßten. Der bfg kündigte an, Klagen von betroffenen Lehrern zu unterstützen.
(Süddeutsche Zeitung, 14.12.95; Frankfurter Rundschau, 14.12.95, Monitor, 4.1.96; KNA, 13.1.96; Schreiben des Bayerischen Kultusministeriums vom 5.12.95)
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Welcher Anteil von anderen öffentlichen Stellen (z.B. von den Kommunen, den Bezirken oder aus Mitteln des Bundesdenkmalfonds und des Landesamts für Denkmalpflege) sowie aus halboffiziellen Quellen (wie den Lotterien oder Abführungen aus Bußgeldeinnahmen) hinzukommt, ließ der CSU-Mann offen. Hingegen ließ er keine Zweifel an den Motiven seiner Unterstützung: "Nicht nur durch die Kreuze in den Schulzimmern, sondern auch durch die Unterhaltung unserer Kirchen machen wir deutlich, welchen Stellenwert christliche Grundwerte bei uns in Bayern haben." (Süddeutsche Zeitung, 27.11.95)
Kurze Zeit später teilte das bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit, daß sein Gesamtetat wegen der allgemeinen Haushaltslage zwischen 1991 und 1996 von 49 auf 36 Millionen DM reduziert wurde; ähnliche Tendenzen seien bei den Kommunen und den Kirchen zu erkennen. Darüber hinaus steht aber noch ein "Entschädigungsfonds" von 40 Mio. DM für große Sanierungsprojekte (wie Schlösser und Klöster) zur Verfügung, der je zur Hälfte vom Land und den Kommunen finanziert wird. Aus den Angaben des Vorsitzenden des Landesdenkmalrates ist zu schließen, daß etwa die Hälfte der Zuschüsse auf kirchliche Bauten entfallen dürfte. (Augsburger Allgemeine, 31.1.96)
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Im abgelaufenen Jahr 1995 werden die Austrittszahlen entgegen bisherigen Annahmen nicht weiter steigen, sondern in etwa auf dem (hohen) Niveau von 1994 verharren, weil sich der Austrittsboom zwischen November 1994 und Februar 1995 nicht fortgesetzt hat. Laut einer Umfrage der Katholischen Nachrichten Agentur gab es in Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg, Frankfurt, Nürnberg und Erfurt Zunahmen um bis zu 18%, während die Tendenz in Hamburg, Berlin, Bonn, Leipzig und Schwerin rückläufig war; in München, Köln, Aachen und Augsburg blieb das Niveau etwa gleich. Eine Sonderentwicklung war in Dresden festzustellen, wo die Abmeldungen um 110% auf 3.463 zunahmen. Laut dem zuständigen Amtsleiter der Stadt hatte die evangelische Landeskirche dort sogenannte Prüffälle, bei denen die Zugehörigkeit unklar war, "ganz massiv" angeschrieben. Ärger und scharenweise Austritte waren die Folge. (KNA, 18.1.96)
Anm. MIZ-Red.:
- 1. Die beiden Sozialkonzerne der Kirchen, Caritas und Diakonisches Werk, finanzieren sich zu 70%
aus Leistungsentgelten wie Pflegesätzen und Elternbeiträgen, zu 20% aus Staatszuschüssen und nur zu 3 bis 5% aus
Kirchensteuern; der Rest wird durch Spenden, Erbschaften etc. gedeckt (vgl. MIZ 1/94, Meldung 1899).
2. Seit Ende der 80er Jahre gerieten beide Organisationen - wie auch andere weltliche und kirchliche Wohlfahrtsverbände - wiederholt ins Zwielicht (vgl. z.B. die MIZ-Ausgaben 1/88, S. 40, 2-3/88, S. 69, 2/89, S. 47f., 3-4/89, S. 53, sowie diverse neuere IR-Meldungen), weil sie trotz eines mangelhaften Kontrollsystems immer wieder beim Versuch ertappt wurden, mit rechtlich bedenklichen "Tricks" zusätzliche öffentliche Mittel lockerzumachen. Juristische Schritte (außer der Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Zuschüsse) folgten jedoch selten, so daß die Verlockung zu einträglichen und risikolosen Abrechnungsmanipulationen entsprechend groß ist.
In diesem Zusammenhang ist eine Studie aufschlußreich, die am 30.12.95 in der Frankfurter Allgemeinen unter dem Titel "Das teure Wohlfahrtskartell" dokumentiert wurde. Der Untertitel lautet: "Die Bereitstellung sozialer Dienste durch die Wohlfahrtsverbände verursacht unnötig hohe volkswirtschaftliche Kosten".
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Der bfg Augsburg wies in einer Stellungnahme auf die Tatsache hin, daß die Unterzeichner nicht einmal 10% der 7,5 Mio. bayerischen Katholiken ausmachten. "Die große Mehrheit ist offenbar anderer Auffassung. Dabei hat noch niemand nachgeprüft, ob nur Katholiken mit Wohnsitz in Bayern unterschrieben haben und wieviele der Unterzeichner mehrfach signiert haben. Wer 700.000 Unterschriften als "Welle der Empörung" gegen den Karlsruher Beschluß deutet, muß auch die 715.000 Kirchenaustritte in Bayern seit 1970 als "Welle der Ablehnung" gegen die Amtskirchen zur Kenntnis nehmen." (Augsburger Allgemeine, 22. u. 28.12.95)
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Bei einer Expertenanhörung im Potsdamer Landtag kritisierten drei kirchlich orientierte Juristen den Entwurf, während ihn sechs Gutachter als absolut verfassungskonform bezeichneten. Einhellig verwarfen die Experten die von Bildungsministerin Peter - im Gegensatz zur SPD-Fraktion - vorgesehene Abmeldemöglichkeit für Teilnehmer am Religionsunterricht. Der Verwaltungsrichter Dr. Czermak bezeichnete den Ethikunterricht in den meisten westlichen Ländern als "Sanktion für Religionsunterrichtsverweigerer".
Die SPD-Landtagsfraktion sah sich durch das Ergebnis der Anhörung bestätigt und lehnt im Gegensatz zur Regierung - insbesondere dem Ex-Konsistorialpräsidenten Stolpe sowie dem Pfarrer und Kulturminister Reiche - die Abmeldemöglichkeit vom LER weiterhin ab. Der Landtag soll Ende März endgültig entscheiden. (TAZ, 8.10.95; Focus, 30.12.95; Berliner Zeitung, 12.1.96; KNA, 11. u. 13.1.96)
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Grund für ihren Vorstoß sei nicht der Kruzifix-Beschluß, sondern die Veränderung der Lage seit 1990. "In Ostdeutschland sind die Christen eine kleine Minderheit, und auch im Westen kehren immer mehr Leute den Religionsgemeinschaften den Rücken. Die Kirche in Deutschland ist keine Volkskirche mehr, und das muß Konsequenzen für das Verhältnis von Staat und Kirche haben. ... Ich habe den Eindruck, daß die Kirchen und viele Politiker sich weigern, diese Veränderung zur Kenntnis zu nehmen." Sie forderte "den Abbau von Privilegien und von Verquickungen mit dem Staat". Ferner monierte sie, daß die Kirchen "mit hohen staatlichen Zuschüssen in vielen Regionen ein Beinahe-Monopol aufgebaut (haben). Andere Organisationen können genauso gut soziale Aufgaben übernehmen."
Veränderungen forderte sie beim Religionsunterricht, wo sie den brandenburgischen LER favorisierte, der weltanschaulich, aber nicht wertneutral sein solle. "Die Kirchen sind ziemlich überheblich, wenn sie meinen, nur sie könnten Werte vermitteln." Außerdem sprach sie sich gegen den staatlichen Kirchensteuereinzug sowie die jetzige Form der Militärseelsorge aus. Auch beim kirchlichen Dienstrecht gebe es Handlungsbedarf. "Dort, wo es um die Verkündigung des Glaubens geht, haben die Kirchen durchaus das Recht auf Tendenzschutz. Wenn es aber um Kindergärtnerinnen oder Krankenschwestern geht, sehen wir nicht ein, daß die Kirchen als Arbeitgeber weiterhin Sonderrechte genießen".
Das Interview rief heftige Reaktionen bei Kirchenvertretern hervor. Prälat Schätzler, Sekretär der katholischen Bischofskonferenz warf Nickels "Realitätsverlust" vor. Immerhin seien noch zwei Drittel Mitglied einer Kirche, und eine Trennung von Staat und Kirche bestehe schon.
Der evangelische Bischof Huber wandte sich gegen eine deutlichere Trennung beider. Er verteidigte auch das besondere Dienstrecht der Kirchen: Auch in Sozialeinrichtungen finde Verkündigung des Glaubens statt. "Daß die Kirche eigene Kindergärten betreibt, hat doch damit zu tun, daß Eltern ihre Kinder in diese Kindergärten schicken, weil sie wollen, daß sie dort mit Grundgehalten des christlichen Glaubens zu tun bekommen, daß da also Verkündigung des Glaubens geschieht."
Der Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands, der CSU-Landtagsabgeordnete Eykmann, räumte zwar ein, daß es eine "Erosion der Kirchlichkeit" gebe, doch habe Nickels daraus für den Religionsunterricht falsche Schlüsse gezogen. Der als Ersatz vorgeschlagene Ethikunterricht sei "zur Wertevermittlung ungeeignet", weil er ein "Selbstbedienungsladen verschiedener Ethiken" sei. Diese Form der Beliebigkeit fördere nicht die Persönlichkeitsentwicklung und widerspreche der "Kultur und Tradition" der BRD. "Wir leben in einem Staat, dessen Verfassung und Grundordnung auf christlichen Werten basiert". (KNA, 4., 5. u. 6.1.96)
Anm. MIZ-Red.: Mit dieser Einschätzung des Ethikunterrichts widerlegt Eykmann die Beteuerungen seiner Glaubensbrüder, ein Religions-Ersatzunterricht für Konfessionslose sei nötig, damit auch diesen ethische Werte vermittelt würden. Er macht das bemerkenswerte Eingeständnis, daß dieses Ersatzfach eine ganz andere Funktion hat - außer dem "Strafcharakter" bleibt wohl keine Möglichkeit mehr übrig.
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Der SPD-Bildungspolitiker Peter Glotz tritt hingegen für die Beibehaltung der theologischen Fakultäten ein. Er behauptete gegenüber epd, "gerade" ein säkularer Staat habe ein Interesse an der Wertevermittlung durch die Theologie und den Religionsunterricht an der Schule, weil der demokratische Staat mit seinem Bekenntnis zur Pluralität nicht in der Lage sei, ein Wertebewußtsein hervorzubringen. Außerdem liege es im staatlichen Interesse, daß künftige Pfarrer und Religionslehrer in Kontakt mit Studierenden kämen. Daß Theologieprofessoren Staatsbeamte sind, sichere ihren Freiraum gegenüber kirchlichen Pressionen. (KNA, 12.1.96; Das Sonntagsblatt, 2.2.96)
Anm. MIZ-Red.: Wie muß es um die SPD-Spitze bestellt sein, wenn selbst der (angebliche) "Atheist" Glotz das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche/Religion offenkundig nicht verstehen will oder kann! Mit seiner Begründung könnten ebensogut auch Pfarrer zu Staatsbeamten gemacht werden, um ihre Unabhängigkeit von den Bischöfen zu sichern - aber was hat der Staat mit innerkirchlichen Strukturproblemen zu schaffen?
Die Kirchen haben längst erkannt, daß sie ein Monopol auf "Wertevermittlung" gar nicht mehr wahrnehmen können; Glotz scheint dies entgangen zu sein. Viel schlimmer ist aber, daß er ein solches Monopol in einer demokratischen Gesellschaft offenbar für wünschenswert hält. Strebt er einen Staat an, der sich nur deshalb pro forma eine gewisse Pluralität leistet, weil die Kirchen in die Bresche springen und die einheitliche ethische Ausrichtung garantieren sollen?
Wir verkennen nicht, daß gerade in dieser Hinsicht ein beachtlicher Teil der SPD-Basis eine völlig andere Auffassung hat als die Parteispitze. Hierin liegt aber auch eine der Ursachen für ihre Enttäuschung und ihren teilweisen Rückzug.
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Beide reagierten verärgert: die Kirche, weil der Gewerkschafter früher angeblich behauptet habe, der Kirche anzugehören; Schösser wiederum bestritt dies energisch und zeigte sich empört, weil ihn die Kirche ohne Rücksprache oder gar sein Einverständnis nominiert hatte. (Augsburger Allgemeine, 30.1. u. 2.2.96; Süddeutsche Zeitung, 2.2.96)
Anm. MIZ-Red.: Der Ärger der evangelischen Kirchenführer ist wohl auf einen unerwünschten Nebeneffekt zurückzuführen. Der Öffentlichkeit wurde nämlich demonstriert, daß ihre Kirche die Verfilzung mit dem Staat genauso zielstrebig praktiziert wie die katholische. Nur die Mittel sind subtiler: Führende Vertreter möglichst aller Machtzentren in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Verbänden werden in die kirchlichen Leitungsgremien integriert, so daß die wichtigen Kontakte bereits innerhalb der Kirche geknüpft werden.
Frankreich
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Kurz nach dem Interview wurde Gaillot vom Papst empfangen und zur Treue ermahnt, mußte selbst aber über das Gespräch schweigen.
(Frankfurter Rundschau, 18., 21. u. 22.12.95)
Irland
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Die (zumeist politisch rechtsgerichteten) Scheidungsgegner gaben ihren Widerstand auch nach dem Referendum nicht auf und kündigten eine Anfechtung beim Obersten Gericht an, weil sich die Regierung für eine Reform ausgesprochen und die Anzeigenkampagne der Scheidungsbefürworter mit umgerechnet 1,2 Millionen DM unterstützt habe. Die weit massivere Förderung der Gegenseite durch den Klerus ließen die Antragsteller hingegen unerwähnt. Das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Volksentscheids begann erst im Januar 1996, ein Ergebnis ist nicht vor März zu erwarten. (heute journal, 24.11.95; Süddeutsche Zeitung, 27.11., 28.11. u. 1.12.95; KNA, 12.1.96)
Österreich
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Eine Gemeinderätin äußerte brieflich ihr Befremden. "Es erscheint mir demokratiepolitisch und verfassungsmäßig bedenklich, wenn sie - ausdrücklich in Ihrer Eigenschaft als Bürgermeister - die gewählten Gemeindevertreter zur Teilnahme an einer rituellen Handlung einer bestimmten Religionsgemeinschaft auffordern." Sie wies darauf hin, daß "die öffentliche Bevorzugung einer bestimmten Religion" unzulässig sei. "Andersgläubige und konfessionsfreie Gemeinderäte sehen sich durch Ihr Schreiben einer Nötigung ausgesetzt." Sie forderte den Bürgermeister auf, die Einladungen zu religiösen Feiern künftig "den dafür zuständigen Religionsgemeinschaften zu überlassen" und "die verfassungsmäßig verankerte Trennung von Staat und Kirche" zu beachten.
Obwohl es sich um ein privates Schreiben handelte, verlas es der Bürgermeister im Gemeinderat. Dies veranlaßte die regionale Wochenzeitung Niederösterreichische Nachrichten (nach außen als "unabhängig" firmierend, aber im Besitz jener Erzdiözese St. Pölten, die von dem extrem konservativen Bischof Krenn geleitet wird) zu einem tendenziösen Kommentar, in dem nicht etwa dem Bürgermeister, sondern der Gemeinderätin Verfassungsbruch vorgeworfen wurde.
Eine groteske Fortsetzung entwickelte sich, als der örtliche Fremdenverkehrsverein (FVV) die Hausbesitzer entlang des Prozessionsweges aufforderte, "die Ehre die damit verbunden ist" zu würdigen, indem sie "Ihrem Haus jenes festliche Kleid geben, das diesem Tag angemessen ist. Durch einen Fahnenschmuck rundet sich das festliche Bild noch ab und gibt diesem Fest jenen Glanz den es verdient und dokumentiert so seinen Stellenwert im kirchlichen Jahresablauf." Für die "Neuanschaffung einer Fahne" - nicht etwa eine kirchliche, sondern mit den Staatsfarben - wurde wiederum auf die Gemeinde verwiesen. "Mit der Bitte um Ihr Verständnis, Ihr Mittun und gemeinsam ein schöne Fest zu gestalten" schloß die Aufforderung des FVV, dessen Vorsitzender mit dem Kirchenkalender offenbar weit besser vertraut ist als mit der deutschen Sprache. Die mitbetroffene gleichnamige Mutter der Gemeinderätin kritisierte in einer Antwort diese Parteinahme und schlug dem Adressaten eine Umbenennung in "Katholischer" FVV vor. Außerdem erinnerte sie, daß vor nicht gar so langer Zeit "mit ebensolchen Prozessionen ... massenhaft Hexen und Ketzer zum Scheiterhaufen geleitet wurden". Daher fand sie eine "Lichterkette zum Andenken an die vielen Opfer" der Kirche "angemessener". Das bischöfliche Wochenblatt kommentierte diese Antwort mit der Bemerkung "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", vermochte aber sachlich ebensowenig auszusetzen wie zuvor am Schreiben der Tochter und veröffentlichte sogar eine längere Passage im Wortlaut. (MIZ-Eigenmeldung; Niederösterreichische Nachrichten, 28.6. u. 9.8.95; Kurier, 8.7.95)
Polen
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Obwohl der Stimmenvorsprung rund 650.000 betrug, wollte sich Walesa mit der Niederlage nicht abfinden. Fast 600.000 seiner Anhänger fochten die Wahl an, aber ohne Erfolg: Das Oberste Gericht erklärte nach sechsstündiger Beratung die Wahl mit 12 zu 5 Stimmen für gültig, stellte aber auch fest, daß Kwasniewskis Angabe, einen Magistertitel zu besitzen, nicht der Wahrheit entsprach. Kurz danach wurde aber auch bekannt, daß Walesa eine unkorrekte Steuererklärung abgegeben hatte; er mußte umgerechnet mehrere hunderttausend Mark nachzahlen. (Frankfurter Rundschau, 16.11.95; Süddeutsche Zeitung, 11.12.95)
Das gewiß nicht kirchenkritische CSU-Parteiorgan Bayernkurier brachte die Zusammenhänge auf den Punkt: "Walesa dürfte die massive Unterstützung der polnischen Kirche in Bevölkerungskreisen zum Verhängnis geworden sein, die den Anspruch der Bischöfe, in allen Bereichen von Politik und Gesellschaft mitzureden, wie auch den übersteigerten Nationalismus vieler Kirchenmänner für nicht mehr zeitgemäß halten." (Bayernkurier, 25.11.95)
Schweden
Spanien
Ukraine
Vatikan
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Anm. MIZ-Red.: "Hostien" sind geweihte Oblaten, die ein Priester laut katholischer Glaubenslehre während des Gottesdienstes durch das Sprechen bestimmter Gebetsformeln in das Fleisch seines Religionsstifters verwandelt. Ob deren Verzehr mit den Grundsätzen katholischer Vegetarier vereinbar ist, hat die Glaubenskongregation noch nicht mitgeteilt: Nach der unverändert gültigen "Transsubstantionslehre" handelt es sich eindeutig um Fleisch, wenn auch Aussehen, Geruch und Geschmack dieser Feststellung partout nicht entsprechen wollen.
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In seinem ersten Interview betonte Lajolo, daß seine Aufgaben nicht nur die Beziehungen zum Staat, sondern auch die Regelungen von Problemen mit aufmüpfigen Theologen umfaßten. Aus dem Absolutheitsanspruch der Kirche machte er kein Hehl: "Die Lehre der Kirche ist nicht irgendeine Lehre, sondern die Lehre, die in untrennbarem Heil des Menschen steht. Sie ist Weg zum ewigen Leben. In Fragen der kirchlichen Lehre wissen die Gläubigen, auf wen sie acht geben müssen, um sich in einem so lebenswichtigen Bereich auf sicherem Boden zu halten." Trotz aller diplomatischer Höflichkeit brachte er ungewöhnlich deutlich zum Ausdruck, daß er die deutschen Bischöfe dazu anhalten will, papstkritische Theologen künftig von der Priesterausbildung fernzuhalten: "Daß es solche (vom Papst distanzierte, MIZ-Red.) Theologen gibt, sollte Grund sein für eine tiefere Reflektion vor allem in Anbetracht von Priesteramtskandidaten, die später das Wort Gottes dem christlichen Volk verkünden werden. Es ist dies ein Bereich, in dem noch mehr und direkter als der Apostolische Nuntius die Bischöfe aufgerufen sind, ihre eigene Verantwortung mit Klarheit und überzeugender Feinfühligkeit auszuüben." Auch beim Prozeß der europäischen Einigung will der Nuntius dafür sorgen, daß Europas "Gefüge von sicheren geistig-geistlichen Werten zusammengehalten und gefördert wird. Die Kirche ist sich bewußt, daß sie eine verantwortungsvolle Rolle in diesem Prozeß zu spielen hat. Der besondere Beitrag des Apostolischen Nuntius besteht auch darin, im Rahmen seiner Kompetenzen mitzuhelfen, damit die Kirche auf der Höhe solcher Anforderungen ist und wirkt." (Süddeutsche Zeitung, 14.12.95; Welt am Sonntag, 24.12.95)
Nordamerika
USA
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Innerhalb des Klerus wird nun verstärkt über die innerkirchliche Tabuisierung des ungeliebten Themas diskutiert, zumal man dort von mehreren hundert erkrankten Geistlichen ausgeht. Vertraute von Moore meinten, der Bischof sei auch an der "weißen rassistischen Institution" verzweifelt, als die er die katholische Kirche schon 1967 öffentlich angriff. 1990 hatte er als einziger Bischof eine ganzseitige Zeitungsanzeige unterzeichnet, die ein Ende des Zölibats und eine neue katholische Sicht von Sexualität forderte. Als er danach im Episkopat zunehmend isoliert wurde, griff er nach eigenen Bekunden zu Crack und Kokain und wurde auch alkoholabhängig. (Süddeutsche Zeitung, 12.10.95)
Erst kurz nach Moores Tod fanden 40 Bischöfe den Mut, die Kirche als "multinationalen Konzern mit dem Hauptquartier in Rom" zu kritisieren, während die Diözesen als "Nebenstellen" ohne eigene Autorität degradiert seien. (Der Spiegel, 1.1.96)
Anm. MIZ-Red.: 1. Das Problem ist in den USA keineswegs neu. Schon 1988 hatte die Bischofskonferenz festgestellt, die meisten Geistlichen und auch Bischöfe seien "sexuell gestört" und vereinsamt (vgl. MIZ 1/89, Meldung 1134).
2. Die ungewöhnlich hohe Aids-Rate bei US-Geistlichen ist den Kirchenfürsten ebenfalls seit langem bewußt, doch entschlossen sie sich von Anfang an zur Isolation der infizierten Priester (vgl. MIZ 2/87, S. 26). Am 10.2.87 hatte der Boston Globe von (bis dahin) 19 nachweislich an Aids verstorbenen katholischen Priestern berichtet, die Dunkelziffer aber auf das Drei- bis Vierfache veranschlagt, was immerhin zwei Promille der damals 57.000 Priester ausmacht (heute sind es noch ca. 50.000). Angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung ist davon auszugehen, daß die Zahl der aidstoten US-Priester inzwischen eine vierstellige Zahl erreicht hat.
1987 schätzten Fachjournalisten (u.a. in Le Monde und im Boston Globe) den Anteil der Homosexuellen im katholischen Klerus auf 20, im evangelisch-freikirchlichen sogar auf 40 Prozent.
Als einzige Maßnahme führte die Bischofskonferenz 1992 einen Aids-Zwangstest für Priesteranwärter ein - um spätere Krankheitskosten zu vermeiden (vgl. MIZ 1/93, Meldung 1725).
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Anlaß für diesen Vorstoß ist die Haltung der katholischen Zentrale zu Frauenrechten, insbesondere bei Fragen von Sexualität und Geburtenregelung, wo "der Heilige Stuhl in letzter Zeit immer häufiger seinen Beobachterstatus mißbraucht, um Aktivitäten der UNO sowie die Konsenssuche unter den Mitgliedstaaten zu behindern". Außerdem kritisieren die Frauenorganisationen, daß er "das UNO-System benützen kann, um die theologischen Anschauungen der katholischen Kirche zu verbreiten". Auch die Gleichbehandlung mit anderen Religionen und nichtreligiösen Organisationen sei verletzt: "Keine religiöse Institution sollte größere Privilegien genießen als irgendein nicht-staatliches Gremium ... Die UNO hat eine ethische Verpflichtung zur Neutralität in Fragen der Religion. Die der Römisch-katholischen Kirche unter dem Mantel des Heiligen Stuhls gewährten Privilegien verletzen diese Unparteilichkeit und sollten im Interesse der Gleichbehandlung aller widerrufen werden". (Freidenker Schweiz, 2/96)
Afrika
Algerien
Asien
Indien
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In seinem Theaterstück "Die sechste der heiligen Wunden Christi" tritt Jesus als manisch-depressiver Selbstmörder auf, den Judas zum Märtyrertum überredet. Schon während der ersten Proben veranlaßte die katholische Kirche die Polizei, den Probenraum zu stürmen, das Manuskript zu konfiszieren und Antony für einige Tage zu verhaften. Dennoch wurde das Stück 1986 in Aleppey uraufgeführt.
Danach organisierte die in der Provinz Kerala einflußreiche katholische Kirche unter Leitung des Bischofs von Trichur große öffentliche Demonstrationen mit dem Ziel, das Werk zu verbieten und den Autor erneut zu inhaftieren. Nachdem es vor jeder geplanten Aufführung zu Gewalttaten in den Straßen von Kerala kam, die die Kirche ganz offiziell durch entsprechende Veröffentlichungen förderte, wurde das Stück zunächst in Trichur und dann in ganz Kerala verboten. Daraufhin veröffentlichte die Rationalist Association das Manuskript als Buch; die Absicht, auch die Druckfassung aus dem Verkehr zu ziehen, kam zu spät, da binnen kurzem Tausende von Büchern in Umlauf waren.
Nun rächten sich die Religionsfanatiker auf andere Weise. Als ein wegen Folterungen verrufener Fabrikbesitzer ermordet wurde, lenkten die Behörden den Verdacht auf den Autor, obwohl dieser zur Tatzeit ein Theaterstück in den örtlichen Tempelanlagen aufführte. Im ersten Untersuchungsbericht tauchte Antonys Name noch gar nicht auf, doch dann wurde er plötzlich als "Angeklagter Nr. 11" in den Akten geführt und aufgrund von Aussagen der Angehörigen des Ermordeten zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die Berufungsverhandlung endete 1989 nicht etwa mit einem Freispruch, sondern mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft, wobei das erste Gericht Alibizeugen aus dem Theaterpublikum ablehnte, während die Berufungsinstanz das Fehlen solcher Zeugen gegen Antony verwandte. Überdies begingen die Untersuchungsbehörden bei den Ermittlungen grobe Fehler; so gab es nicht einmal eine Gegenüberstellung von Tatzeugen mit den Angeklagten. Nach zahlreichen Protesten erreichten Freunde Antonys schließlich einen erneuten Revisionsantrag, für den sich der leitende Anwalt beim Höchsten Gerichtshof sogar unentgeltlich zur Verfügung stellte. Doch ebendiese letzte Instanz lehnte am 29.9.94 die Wiederaufnahme des Verfahrens ab.
Antony schrieb dazu: "Mir ist bewußt, daß die Aussagen meines Stückes sowohl die Kirche als auch politische Führer verärgert haben. Möglicherweise haben sich diese Kräfte gegen mich verschworen, um mich als Plagegeist und Störenfried zu unterwerfen. Was mir passierte, erinnert ans finsterste Mittelalter." Die katholischen Würdenträger begrüßten hingegen die lebenslange Haft und bezeichneten sie als gutes Beispiel für eine Strafe Gottes.
(diesseits 4/95, übernommen aus Modern Freethinker, Zeitschrift der indischen Rationalist Association)
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Auf der Straßendemonstration und der folgenden abendlichen "State Rationalist's Conference" in Madras nahmen etwa 2000 Personen teil. Nach einer kämpferischen Rede des Finanzministers von Tamil Nadu und mehrerer führender Mitglieder der Bewegung hielt auch ein Mitglied des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) eine Gastansprache. Der Redner appellierte an die KundgebungsteilnehmerInnen, Positiven Atheismus und Kampf um die Menschenrechte miteinander gleichzusetzen. Er rief dazu auf, sich mit dem Plan des verstorbenen türkischen Schriftstellers und Atheisten Aziz Nesin zur Einberufung einer Antifundamentalistischen Weltkonferenz in Istanbul zu solidarisieren. (MIZ-Eigenmeldung; Freidenker Schweiz, 2/96)
Israel
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Ben-Chorin kritisierte speziell die vom Jerusalemer Oberrabbinat streng geheimgehaltene Liste von vier- bis zehntausend Personen, die als "Bastarde" und damit als "eheunfähig" gelten. Dazu zählen Kinder aus einer verbotenen Ehe oder aus einem Ehebruch. Betroffen sind auch Nachkommen von Überlebenden des Holocaust. Frauen, deren Männer von den Nazis ermordet wurden, die das aber nicht durch zwei Zeugen beglaubigen könnten, dürfen nach den Religionsgesetzen nicht mehr heiraten; dies gilt ebenso für ihre Kinder. (KNA, 5.1.96)