Freigeister-Tanz verboten

Die angekündigte

Atheistische Filmnacht des bfg München mit anschließender Heidenspaß-Party

ist am 4. 4. 2007 verboten worden: Freigeister-Tanz verboten

Zur Vorgeschichte:
Veranstaltungsankündigung im Freigeisterhaus
Religionsfreier Zone droht Verbot
Religionsfreie Zone München 2007

Zu der Vorbotsandrohung hatte der Veranstalter am 2. 4. 2007 noch erklärt: „Keiner soll daher kommen und behaupten, dass man bei uns gezwungen ist, eine Minderheit zu sein! Jeder hat das Recht, sich einer Mehrheit anzuschließen! Dann braucht er sich auch von keiner Minderheit majorisieren lassen!“ Gerhard Polt * Presse-Meldung zu „Heidenspass statt Höllenqual“ Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom 26.03.07 ist dem Bund für Geistesfreiheit München vom Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München mitgeteilt worden, dass „beabsichtigt“ ist, „die Durchführung der Heidenspass-Party am Karfreitag, 06.04.2007, zu untersagen und diese gegebenenfalls zu unterbinden.“

Der bfg München hat bis 04.04.07 Gelegenheit, sich hierzu schriftlich zu äußern. In dem Schreiben werden wir weiter darüber aufgeklärt, dass „gemäß Art.3 FTG (Feiertagsgesetz) öffentliche Vergnügungen, die nicht dem Ernst des Tages entsprechen, an Stillen Tagen verboten sind. Zudem dürfen am Karfreitag in Räumen mit Schankbetrieb keine musikalischen Darbietungen stattfinden (Musikverbot). Ausnahmen hiervon sind gemäß Art. 5 FTG am Karfreitag nicht möglich.“

Zur Klarstellung Der bfg München plant für Karfreitag, 06.04.07, eine politische Veranstaltung mit dem Zweck, auf das aus unserer Sicht nicht zeitgemäße und undemokratische Feiertagsgesetz hinzuweisen und eine Überarbeitung zu erreichen. Die Veranstaltung besteht aus Erläuterungen zum Anliegen des bfg München, Kino („Chocolat“ und „Wer früher stirbt ist länger tot“) mit Schokoladenbuffet, anschließend öffentliche Aufnahme zweier Ehrenmitglieder mit Vorstellung der Ziele des bfg München und schließlich Party unter dem Motto „Heidenspass statt Höllenqual“. Aus dem Schreiben des KVR geht nicht eindeutig hervor, inwieweit auf Antrag des Erzbischöflichen Ordinariats lediglich die Party verboten werden soll als Teil der geplanten Veranstaltung oder aber die gesamte Veranstaltung. Wenn sich das Verbot nur gegen die Party richtet, dann bedeutet dies, dass die beiden Filme als „dem Ernst des Tages“ angemessen bewertet werden mitsamt dem öffentlichen Schokolade-Buffet. Zur Erinnerung: Im Film „Chocolat“ eröffnet eine alleinerziehende Mutter mitten in der Fastenzeit in einem bigott christlichen, französischen Dorf eine „Chocolaterie“ gegen alle christlich begründeten Widerstände. Zug um Zug zieht jedoch mit der mutigen, nicht angepassten Frau und ihrem Schokolade-Laden unaufhaltsam der Freigeist ins Dorf!

Zum Anliegen Es kann nach unserer Auffassung nicht demokratisch legitimiert werden, dass auch Nicht-Christen und Andersgläubige (über ein Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung ist bereits konfessionslos) in einem demokratischen Staat des 21.Jahrhunderts gesetzlich gezwungen werden, auf Anhänger christlicher Glaubenslehren „Rücksicht“ zu nehmen und deshalb auf Musik-Darbietungen und andere Vergnügungen in geschlossenen Räumen verzichten zu müssen. Religionsfreiheit ist das Recht aller Bürger/innen. Was die Menschen heutzutage glauben wollen oder eben nicht glauben wollen, ist ihre persönliche Entscheidung und muss frei von staatlicher Einflussnahme sein. Für eine echte Trennung von Staat und Kirche! Für die Durchführung unserer politischen Veranstaltung haben wir ein privat betriebenes Theater gemietet, da wir über keine geeigneten eigenen Räume verfügen. Der Vermieter hat mit der Veranstaltung nichts zu tun. Es handelt sich um ein Veranstaltungsangebot des bfg München an die interessierte Öffentlichkeit, niemand wird gezwungen, zu kommen, der Eintritt ist (gegen Bezahlung) freiwillig. Das Theater erfüllt alle Auflagen für Theater- und Schankbetriebe.

Zur Strategie Es wird uns vorgeworfen, sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten und öffentlich zum Rechtsbruch aufzurufen. Diesen Vorwürfen begegnen wir mit Gelassenheit und möchten anhand von zwei Beispielen (historisch bedeutender Rechtsbrüche für das Erreichen demokratischer Ziele) unsere Strategie begründen. Im Dezember 1955 hat eine 42-jährige, einfache schwarze Näherin in Montgomery, Alabama (USA) sich geweigert, im Bus ihren Sitzplatz, der nach damaligem geltenden Recht für Weiße reserviert war, einem weißen Fahrgast zu überlassen. Nachdem der Busfahrer die Polizei rief, wurde Rosa Parks (1913-2005) verhaftet und wegen dieses Rechtsbruchs zu 114 Dollar Geldstrafe verurteilt. Dieser Rechtsbruch blieb nicht ohne historische Wirkung und führt zum „Montgomery Bus Boycot“, der sich zur Bürgerrechtsbewegung auswächst und mit Martin Luther King einen der berühmtesten und vielleicht auch erfolgreichsten Bürgerrechtler für die Demokratie des 21.Jahrhunderts hervorbringt. Bis vor einigen Jahren hätte man Frau Parks auch fragen können, warum sie diese Methode gewählt hat und nicht einfach bei der Stadtverwaltung in Montgomery einen entsprechenden Antrag stellte. Die berühmte deutsche Schauspielerin Inge Meysel (1910-2004), „Mutter der Nation“, hat sich 1971 in einer Kampagne der Zeitschrift „STERN“ zusammen mit 373 weiteren Frauen mit dem Slogan „Ich habe abgetrieben“ öffentlich des Strafrechtsbruchs in Bezug auf den damals geltenden § 218 bezichtigt. Dieser und die anderen 373 Rechtsbrüche und ihre Folge(n) sind ein Meilenstein für die Frauenbewegung in der Bundesrepublik und das Recht auf Selbstbestimmung. Bis vor ein paar Jahren hätte man Frau Meysel noch fragen können, warum sie diese Methode gewählt hat und nicht einfach einen entsprechenden Antrag stellte.

Zum öffentlichen Interesse Nach unserer Erfahrung ist es nicht zeitgemäß – und es ist fraglich, ob es das jemals war - die gesamte Bevölkerung gesetzlich zu zwingen, aus Rücksicht auf ein religiöses Bekenntnis Feiertage einzurichten, an denen ein „Ernst des Tages“ beachtet werden muss, der sich einem großen Teil der Bürger/innen gar nicht erschließt. Und vermutlich ist selbst unter den eingetragenen Christen das Bedürfnis nach Vergnügen und dem Ernst des Tages womöglich gar nicht angemessener Unterhaltung groß. Wie sonst erklärt sich Herr Röhmel den Umstand, dass die Veranstaltungskalender der bayerischen Landeshauptstadt voll sind mit Alternativ-Angeboten zu den Gottesdiensten beider Konfessionen, die den Verdacht nahe legen, den „Ernst des Tages“ nicht als übergeordnetes Veranstaltungsmotto zu haben? Warum pocht das erzbischöfliche Ordinariat nicht konsequent auf Einhaltung der Vorgaben des FTG? Weil die Herren dort vielleicht schon lange selbst wissen, dass ihre Angebote für die Öffentlichkeit immer mehr an Attraktivität verlieren und eine allzu strenge Auslegung der gesetzlichen Vorschriften nach FTG noch mehr Kirchenaustritte provozieren könnte? Und noch weniger Besucher/innen der Gottesdienste als eh schon? Der bfg München wird ein Verbot dieser Veranstaltung (bzw. eines Teiles davon) nicht hinnehmen und gegebenenfalls juristische Schritte einleiten. Dies gilt ebenfalls für einen Großteil der Mitveranstalter. So hat etwa die Giordano Bruno Stiftung mittlerweile angekündigt, diesen Fall, sofern nötig, bis zum Europäischen Gerichtshof zu bringen. Für Ihr Interesse, Ihre Unterstützung, Ihre Bericht-erstattung danken wir an dieser Stelle ausdrücklich. Und versprechen für den Tag, an dem die „Gottlosen“ die demokratisch legitimierte Mehrheit in der Republik haben, dass wir die Anhänger/innen christlicher Bekenntnisse NICHT gesetzlich zu zwingen versuchen, den ganzen Karfreitag Rock’n Roll zu tanzen. ;-))! Mit herzlichen Grüßen bfg München

Siehe auch: Stellungnahme des IBKA zur Verfassungsbeschwerde 1 BvR 458/10 (Heidenspaßparty) (Link ergänzt 18.12.2018)