IBKA: Konfessionslose erinnern an Antidiskriminierungsgesetz

Pressemitteilung vom 07.06.2004

Hält Rot-Grün kirchliches Sonderrecht für wichtiger als EU-Richtlinien?

Konfessionslose erinnern an Koalitionsversprechen für ein Antidiskriminierungsgesetz

Bereits 2000 erließ die EU zwei Richtlinien, die sich gegen die Diskriminierung verschiedenster Bevölkerungsgruppen wendeten (2000/43/EG und 2000/78/EG).

Den Mitgliedsstaaten wurde bis 2003 Zeit gegeben, die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.

Mit Bedauern stellt der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) fest, dass die Bundesregierung es bis heute nicht geschafft hat, den europäischen Standard mit Hilfe eines Antidiskriminierungsgesetzes zu erfüllen.

Bereits in der vorhergehenden Wahlperiode hatte die Koalition einen entsprechenden Anlauf unternommen. Er blieb folgenlos.

Im Koalitionsvertrag von 2002 wurde das Wahlversprechen erneut festgeschrieben. Doch es blieb weiterhin bei der bloßen Absicht.

Am 4. April 2003, also vor etwa 14 Monaten, verkündete Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion: Innerhalb der Koalition machen wir uns sehr deutlich für die zügige Umsetzung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes stark. Die Arbeiten sind also in vollem Gange.

Weitere Versprechungen dieser Art gab es immer wieder. Allein: Den Worten folgen keine Taten.

Woran liegt diese Untätigkeit?

In der Vergangenheit hatten die beiden großen Kirchen immer wieder Vorbehalte gegen das Gesetz angemeldet. Auch zum Scheitern des Gesetzes in der vorhergehenden Legislaturperiode trugen die Kirchen maßgeblich bei: Gerade im Sozialsektor sind es die großen Religionsgemeinschaften, die Diskriminierung praktizieren.

Wenn die EU-Richtlinie 2000/78/EG ernsthaft umgesetzt werden soll, dann muss sie auch den Menschen einen effektiven Rechtsschutz vor der Kündigung durch kirchliche Arbeitgeber gewähren, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben oder als Katholiken nach einer Scheidung wieder heiraten oder einen geschiedenen Partner heiraten, oder die aus der Kirche ausgetreten sind. Darüber hinaus sollte seitens der rot-grünen Koalition das kirchliche Sonderarbeitsrecht insgesamt, so auch § 118 II BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz), zur Disposition gestellt werden.

Hören die rotgrünen Koalitionspolitiker hier erneut allzu intensiv auf die Einflüsterungen der Kirchen?

So hieß es im Bundestagswahlprogramm 2002 von Bündnis 90/Die Grünen: Wir wollen mit den Kirchen einen Dialog über die Stellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen führen. Hier streben wir die Geltung des allgemeinen Arbeits-, Sozial- und Tarifvertrags an.

Wurde dieser Dialog allzu intensiv gepflegt und vergessen, worum es in der Sache geht? Wenn der Dialog offenkundig nicht fruchtet, so der IBKA, muss an die Stelle des Dialoges der Primat der Politik treten. Es ist nicht hinzunehmen, dass 1,3 Millionen Arbeitnehmer faktisch vom allgemein geltenden Arbeitsrecht ausgeschlossen sind, ob in Caritas oder Diakonie, in Altenheimen, Kindergärten oder Krankenhäusern, deren Betrieb weit überwiegend oder vollständig aus nichtkirchlichen Mitteln bestritten wird. Öffentliche Mittel sollten ferner lediglich solchen Institutionen zur Verfügung stehen, die die Menschenrechte uneingeschränkt einhalten. Der Gesetzgeber muss den Kirchen die Grenzen aufzeigen und verdeutlichen, dass EU-Richtlinien gegenüber kirchlichem Sonderrecht vorrangig sind.

Pressemitteilung des Behindertenverbandes Netzwerk Artikel 3 vom 6. Juni 2004