IBKA: Grüne brechen Wahlversprechen: Kirchen dürfen weiterhin diskriminieren

Pressemitteilung vom 22.12.2004

Antidiskriminierungsgesetz

Grüne brechen Wahlversprechen: Kirchen dürfen weiterhin diskriminieren

Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA) bewertet den Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz(1) als völlig unzureichend. Erst ein Strafverfahren der EU konnte die Bundesregierung überhaupt verspätet bewegen, die Umsetzung der beiden EU-Richtlinien endlich anzugehen, was auf Druck der Kirchen in der letzten Legislaturperiode noch gescheitert war. Entsprechend kirchenfreundlich ist der jetzige Entwurf ausgefallen. Die verbesserten Möglichkeiten, sich gegen Diskriminierungen zur Wehr zu setzen, beziehen sich im Gesetzentwurf lediglich auf Formen einer "offenen Diskriminierung". Ein "Ausländer unerwünscht"-Schild am Eingang einer Diskothek wäre demnach unzulässig, der faktische Nichteinlass - nach inhaltlich nicht explizit angegebenen Selektionskriterien durch den Türsteher - jedoch nicht.

Im Gegensatz dazu will der Gesetzentwurf jedoch den Kirchen in einer Ausnahmebestimmung sogar die Fortsetzung einer ganz offen proklamierten und im besonderen kirchlichen Arbeitsrecht fixierten Diskriminierungspraxis weiter ausdrücklich erlauben. Öffentlich finanzierte kirchliche Sozialeinrichtungen sollen weiterhin ihre Kunden nach weltanschaulichen Kriterien auswählen dürfen. Zudem werden den 1,3 Millionen Beschäftigten in diesen Einrichtungen, wie Krankenhäusern, Kindergärten, Altenheimen und Beratungsstellen weiterhin wesentliche Grundrechte vorenthalten. Sie müssen auch künftig mit Kündigungen oder Änderungskündigungen rechnen, wenn sie aus der Kirche austreten oder - vor allem in katholischen Einrichtungen - wenn sie nach einer Scheidung wieder heiraten, einen geschiedenen Partner heiraten oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Ebenso sind Arbeitssuchende vom verbesserten Schutz durch das Antidiskriminierungsgesetz weiterhin ausgenommen, wenn sie sich bei kirchlichen sozialen Einrichtungen bewerben. Dadurch sind insbesondere konfessionsfreie Arbeitssuchende erheblichen Nachteilen ausgesetzt, weil kirchliche soziale Einrichtungen als Anbieter von Arbeitsplätzen in bestimmten Berufen weithin eine marktbeherrschende Stellung haben, vielerorts praktisch ein regionales Monopol.

Längst überfällig ist die Ausdehnung des allgemeinen Arbeits-, Sozial- und Tarifvertragsrechts auch auf kirchliche Einrichtungen. Vor allem Bündnis 90/Die Grünen haben sich hier mit Absichtserklärungen hervorgetan, die sich nun als leere Versprechungen erweisen. Es darf nicht hingenommen werden, so der 1. Vorsitzende des IBKA, Rudolf Ladwig, dass kirchliche Altenheime, Kindergärten oder Krankenhäuser, deren Betrieb weit überwiegend oder vollständig aus nichtkirchlichen Mitteln bestritten wird, dennoch immer wieder Beschäftigte und Arbeitssuchende diskriminieren: wegen Nicht-Zugehörigkeit zu einer Kirche, wegen einer Eheschließung oder wegen ihrer sexuellen Orientierung. Ferner sollten öffentliche Mittel lediglich solchen Institutionen zukommen, in denen der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung konsequent eingehalten wird.

Dragan Pavlovic (IBKA e.V., Pressesprecher)

1) Dieses Gesetz soll in erster Linie den Ausschluss von der Benutzung bestimmter, der Allgemeinheit dienender, aber in privater Hand befindlicher Einrichtungen aus rassischen und anderen diskriminierenden Gründen verhindern. Es handelt sich um den quasi-öffentlichen Bereich, der nicht mehr vom Schutz der Privatsphäre umfasst ist. Ein Eingriff in die Vertragsfreiheit ist auch in solchen Fällen erforderlich und nicht unverhältnismäßig, etwa wenn ein Vertragsverhältnis aufgrund diskriminierender Motive nicht eingegangen oder vorzeitig beendet wird bzw. die Vertragsbedingungen einen diskriminierenden Charakter haben.

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