Die spinnen, die Humanisten?

Christian Brücker

Im Heft 94/2011 der diesseits kommentiert Thomas Hummitzsch die HVD-interne Debatte über den Bekenntnischarakter (oder eben nicht) des Humanismus.

Es kann dem säkularen Spektrum nur gut tun, wenn sich der HVD dieser Diskussion stellt, und dabei insbesondere auch die eklatanten Interessengegensätze innerhalb der Szene offen anspricht. Auch wenn viele vielleicht gern an der Lebenslüge festhalten würden, dass wir doch alle dasselbe wollen – eine nur oberflächlich zelebrierte Einmütigkeit, verbunden mit einem permanenten Eiertanz um die in der Tat sehr kritischen Streitpunkte kann sie auf Dauer nur lähmen. Erst wenn die unterschiedlichen Interessen offen auf dem Tisch liegen, kann man konstruktiv über die jenseits dieser strittigen Punkte mögliche Zusammenarbeit sprechen.

Es wäre allerdings einer konstruktiven Zusammenarbeit durchaus zuträglich, wenn dabei die Positionen der Anderen zumindest halbwegs zutreffend dargestellt würden. Leider ist bei Hummitzsch, jedenfalls im Bezug auf den IBKA – für die anderen Organisationen können wir nicht sprechen – das Gegenteil der Fall. Wenn er schreibt, der IBKA vertrete die Position, "dass sich gesellschaftliche Konzepte, die auf Zustimmung stoßen, auch ohne Staatsgeld durchsetzen", dann könnte man über diesen Unfug noch milde schmunzeln. Dass er aber behauptet, der IBKA lehne den Gleichbehandlungsansatz ab, grenzt an Verleumdung.

Selbstverständlich verficht auch der IBKA zuerst und vor allem das Gleichbehandlungsprinzip! Selbstverständlich muss, solange (!) es eine staatliche Religionsförderung gibt, diese auch für die Weltanschauungsgemeinschaften gelten.

Dass der IBKA – und das tut er in der Tat – jegliche staatliche Förderung von Religions-, und konsequenterweise Weltanschauungsgemeinschaften ablehnt, heißt nicht, dass er von den Weltanschauungsgemeinschaften verlangt, diese nicht zu nutzen, solange es sie nun einmal gibt. Es kann doch nicht im Interesse des IBKA sein, wenn so "die säkularen Humanisten gegenüber der weltanschaulichen Konkurrenz noch mehr ins Hintertreffen geraten"! Für wie weltfremd hält Hummitzsch den IBKA denn?

Aber dass man sich in einem System einrichtet, weil es nunmal da ist, bedeutet noch lange nicht, dass man es gut finden muss, und dass man es nicht ändern oder gar abschaffen wollen kann. Und so ist es ebenfalls falsch, wenn Hummitzsch behauptet, die Konfliktlinie laufe zwischen den Weltanschauungsgemeinschaften einerseits und dem Rest andererseits. Offensichtlich kann sich Hummitzsch nicht vorstellen, dass eine Weltanschauungsgemeinschaft, die die Abschaffung der Privilegien fordert, diese dennoch in der Zwischenzeit selber in Anspruch nehmen kann, dass man sich auch in einem System, das man letztlich abschaffen will, durchaus einstweilen einrichten kann, ja muss.

Deswegen hat auch der IBKA kein Problem mit Weltanschauungsgemeinschaften, die dies tun, deshalb sind Weltanschauungsgemeinschaften, darunter welche mit Körperschaftsstatus, korporative Mitglieder im IBKA. Problematisch wird es aus IBKA-Sicht erst dann, wenn eine Weltanschauungsgemeinschaft erkennen lässt, dass sie nicht langfristig bereit ist, die Privilegien – selbstverständlich zeitgleich mit den Kirchen – wieder abzugeben.

Diese Ablehnung staatlicher Religionsförderung ist allerdings keine Absage an die staatliche Finanzierung gesellschaftlicher Projekte. Denn der IBKA vertritt keineswegs die von Hummitzsch unterstellte marktliberale Position, "dass sich gesellschaftliche Konzepte, die auf Zustimmung stoßen, auch ohne Staatsgeld durchsetzen". Ganz im Gegenteil fordert der IBKA hier sogar nachdrücklich ein staatliches Engagement, denn der IBKA sieht derartige Projekte als Aufgaben der Gesamtgesellschaft, und damit als originäre Staatsaufgabe, die der Staat mitnichten irgendwelchen konkurrierenden wirtschaftlichen Interessen überlassen darf. Allerdings fordert der IBKA, dass solche gesamtgesellschaftlichen Projekte auch die Gesamtgesellschaft widerspiegeln, und nicht irgendwelche Teilgesellschaften. Der IBKA steht für Individualismus, für die individuelle Entfaltung des Einzelnen in einer Gesellschaft, nicht für einen gesellschaftlichen Pluralismus, in dem der Einzelne lediglich zwischen untereinander verschiedenen, in sich geschlossenen Teilgesellschaften wählen kann. Der IBKA fordert deswegen, dass der Staat grundsätzlich nur solche Projekte fördern darf, die in sich weltanschaulich neutral sind, und lehnt deshalb die staatliche Förderung weltanschaulich gebundener gesellschaftlicher Projekte ab. Der IBKA fordert keine atheistischen Kindergärten neben katholischen, ganz gleich ob mit oder ohne staatliche Förderung, sondern Kindergärten für Atheisten und Katholiken, und alle anderen, und diese selbstverständlich vom Staat finanziert.