1978 - Meldungen 125-130

1978 - Meldungen 125-130 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Deutschland

BRD

(125) Nov 1977. Als "ungeheure Chance" für die Kirche bezeichnete Domkapitular Huber (Freiburg) den durch Grundgesetz, Landesverfassung und Schulgesetz abgesicherten Religionsunterricht.
(126) Jan 1978. Nach dem spektakulären Sturz des Chefs der Westdeutschen Landesbank in Düsseldorf, Ludwig Pouflain, äußerte dessen langjähriger Gönner, der Konstanzer Finanzmakler Franz Josef Schmidt, gegenüber Bankmanagern in Stuttgart, er habe Poullain und die Westdeutsche Landesbank (drittgrößte Bank in der BRD) Ende 1973 mit Vatikangeldern aus einer schwierigen finanziellen Situation geholfen.
(127) Feb 1978. Vor der Delegiertenkonferenz der nordrhein-westfälischen Jungdemokraten erklärte der Hamburger Verfassungsrechtler Ulrich Klug (FDP), die im Entwurf des neuen Bundesmeldegesetzes vorgesehene Erlaubnis zum Weitergeben von Personendaten an die Kirchen sei "mit Sicherheit verfassungswidrig". Diese Daten mußten dann auch an verfassungsrechtlich gleichgestellte andere Glaubensgemeinschaften gegeben werden oder was er wegen der Trennung von Staat und Kirche für richtig halte - an gar keine kirchlichen Organisationen.
(128) Feb 1978. Die Deutsche Bundespost gab ihre "Sonderpostwertzeichenplanung" für 1979 bekannt. Sie hat damit wieder einmal ein Zeichen gesetzt für ihre klerikal beeinflußte Briefmarkenpolitik. Für die 25 Einzelmarken bzw. Serien, die 1979 zur Ausgabe gelangen, wurden neben ideologisch neutralen Motiven folgende Anlässe gewählt: 450 Jahre Erstveröffentlichung des Kleinen und Großen Katechismus von Martin Luther; Heiligtumsfahrt Aachen 1979; 800. Todestag der Hildegard von Bingen (einer christlichen Heiligen, die 1179 bei Bingen starb); ferner gedenkt die Post eines unbedeutenden Religionsphilosophen zu seinem 100. Todestag, des 1879 gestorbenen Immanuel Hermann Fichte, der als Sohn Johann Gottlieb Fichtes vor allem das Werk seines Vaters betreute. Die Literatur ist nur mit einer einzigen Marke vertreten: zum 100. Geburtstag von Agnes Miegel (geboren am 9.März 1879). Dagegen wurde ein Vorschlag des MIZ-Mitarbeiters Klaus M. Rarisch, Arno Holz zum 50. Todestag am 26. Oktober 1979 zu ehren, ohne Begründung abgelehnt, nachdem bereits 1963 der 100. Geburtstag des sozial- und kirchenkritisch engagierten Dichters postalisch unbeachtet geblieben war (vgl. MIZ Nr. 4/76). Arno Holz wie Agnes Miegel sind vor allem durch ihre Gedichte bekannt geworden; beide erhielten als gebürtige Ostpreußen die Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg. Während aber Holz als erster deutscher Großstadtlyriker und Erneuerer der poetischen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten in die Literaturgeschichte einging, ist Agnes Miegel eher durch konservative Tendenzen und Titel wie "Kirchen im Ordensland" (1933) hervorgetreten. In der Nazizeit unterschrieb sie "feierlichst" ein "Gelöbnis treuester Gefolgschaft" zu Adolf Hitler und verfaßte entsprechende Führerhymnen. - über die Ausgabe der Sondermarken entscheidet routinemäßig der Bundespostminister nach Empfehlungen eines "Programmbeirats". Die Zusammensetzung dieses Gremiums wurde von der Post nicht bekanntgegeben.
(129) Feb 1978. Die sterblichen Überreste der ehemaligen Studentin Anneliese Michel, die am 1. Juli 1976 an den Folgen einer "Teufelsaustreibung" gestorben war (vgl. MIZ Nr. 3/76) wurde fünf Wochen vor Beginn des Prozesses gegen die Exorzisten und die Eltern auf dem Friedhof von Klingenberg "umgebettet"- Das Ehepaar Michel hatte die Exhumierung ihrer Tochter wegen der "Vision" einer Nonne veranlaßt. Nach dieser Vision sollte der Körper der Toten unversehrt und unverwest erhalten geblieben sein. Trotz dieser ungewöhnlichen Begründung auf Umbettung stimmte das zuständige Landratsamt Miltenberg der Exhumierung zu. Die Gebeine wurden in Gegenwart des Exorzisten Arnold Renz und im Schutz von 30 Polizisten von einem weißen Kindersarg in einen Eichensarg mit Innenverkleidung aus Zink gelegt. Nach der Umbettung wurde die Tote wieder in einer von Salvatorianer-Pater Renz angeführten Prozession zum Grab zurückgeleitet.

DDR

(130) Mrz 1978. Am 6.März 1978 hat SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzender Honecker erstmals die führenden Vertreter des Bundes der evangelischen Kirchen zu einem Gespräch empfangen. Zuletzt hatten offizielle Vertreter der evangelischen Kirchen in der DDR im Juni 1958 ein Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Grotewohl auf höchster Ebene geführt. Honecker betonte die positive Rolle der Kirche bei ihrem Eintreten für Frieden und Menschlichkeit. Für die Kirchen im Sozialismus böten sich heute und künftig viele Möglichkeiten des Mitwirkens an den "zutiefst humanistischen Zielen" der Gesellschaft. So geschehe die diakonische Arbeit der Kirchen im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Alle Bürger hätten unabhängig von Weltanschauung und religiösem Bekenntnis in der DDR die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten, Talente und ihre Persönlichkeit voll zu entfalten. Gleichberechtigung und Gleichachtung aller Bürger sei eine für alle verbindliche Norm. Jedem Jugendlichen stehe der Weg zu höherer Bildung, beruflicher Ausbildung und Entwicklung offen. Über die zehn Verhandlungspunkte des Spitzengesprächs in Ostberlin informierte das Sekretariat des evangelischen Kirchenbundes in der DDR. Danach haben die Kirchenvertreter u.a. über Sendezeiten im zweiten Programm des DDR-Fernsehens zu besonderen kirchlichen Feiertagen und Anlässen sowie über Sendezeiten im Hörfunk für monatliche lnformationssendungen über das kirchliche Leben in der DDR gesprochen. Ein weiterer Verhandlungsgegenstand war die Seelsorge in Strafanstalten. Von kirchlicher Seite, ist um Sonderregelungen für Gottesdienste sowie um eine bessere personelle Absicherung der seelsorgerischen Betreuung der Inhaftierten gebeten worden. In diesem Zusammenhang ist der Wunsch vorgetragen worden, die Gefängnisbibliotheken mit religiöser Literatur auszustatten. Für die staatlichen Feierabend- und Pflegeheime haben die Vertreter des Kirchenbundes um großzügigere Handhabung der Regelungen für religiöse Feiern und Seelsorge gebeten. In dem Gespräch wurde das vom Kirchenbund durchgeführte Sonderbauprogramm und der Bau von Gemeindezentren in Neubaugebieten und Neustädten angesprochen. Für das 1983 anstehende Lutherjubiläum ist von staatlicher Seite Unterstützung bei den Rekonstruktionen an Luther-Gedenkstätten in Wittenberg, Eisleben und Erfurt sowie eine angemessene kirchliche Mitwirkung bei der Arbeit der Lutherhalle Wittenberg zugesagt worden. Die von den evangelischen Kirchen in der DDR betriebene Einfuhr kirchlicher Literatur aus dem westlichen Ausland soll fortgesetzt und erweitert werden. In Aussicht gestellt worden ist, daß die kirchlichen Kindergärten in bisheriger Zahl erhalten und unterstützt werden. Außerdem sollen die kirchlichen Friedhöfe gleiche finanzielle Unterstützung wie die kommunalen Friedhöfe erhalten. Verhandelt worden ist darüber, ob die auf Lebenszeit angestellten kirchlichen Mitarbeiter an die staatliche Sozialversicherung unter Wahrung ihres besonderen Status angeschlossen werden können, so daß ihre Altersversorgung künftig von der staatlichen Versicherung getragen wird. Ein besonderer Verhandlungspunkt war schließlich auch die Nutzung kircheneigener Landwirtschaftsflächen durch sozialistische Betriebe und die Frage der Abgaben der kirchlichen Landwirtschaftsbetriebe. Von den 140.000 Hektar (!) kircheneigener landwirtschaftlicher Nutzfläche werden etwa 40.000 Hektar seit 1960 und länger von sozialistischen Betrieben genutzt, ohne daß dafür ein Nutzungsentgelt bezahlt wird. In Verträgen soll künftig eine Pacht festgelegt werden. Ferner sollen die Abgaben der kircheneigenen Land und Forstwirtschaftsbetriebe den Abgaben der sozialistischen Betriebe angeglichen werden. (Vgl. berliner kirchenreport vom 9. März 1978.)