1984 - Meldungen 584-615

1984 - Meldungen 584-615 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Europa

Bundesrepublik Deutschland

(584) Saarbrücken. Die amerikanische feministische Theologin Mary Daly hat das christliche Abendmahl als "nackten Kannibalismus" und "verkappten Vampirismus" bezeichnet und forderte einen "Exorzismus des internalisierten Vatergottes". Dies löste scharfe Reaktion von konservativen Frauengruppen aus, die den Feministinnen vorwarfen, an heidnische Kulte anzuknüpfen, wenn sie sich auf die Tradition der Hexen bezögen. Außerdem dächten solche Frauen zuwenig an die Opferbereitschaft "der sich hingebenden Mutter" und zu sehr an eine "Strategie der Selbstbehauptung". (Deutsche Tagespost, 15.8.84.) Die feministische Theologie wurde von den Kirchenfunktionären ursprünglich unterstützt, um den zunehmenden Auszug jüngerer Frauen aus der Kirche zu stoppen, der maßgeblich von der überaus patriarchalischen Struktur vor allem der katholischen Kirche ausgelöst wurde. Inzwischen scheinen die noch verbliebenen Feministinnen den Kirchenoberen aber aus dem Ruder zu laufen.
(585) Siegen. Ein religiöser christlicher Fanatiker, der keiner Kirche oder Sekte angehört, setzt seit Jahren für seine neun Kinder die Schulpflicht mit Erfolg außer Kraft. Er unterrichtet seine Kinder in Bibelkunde, Erdkunde, Religionsgeschichte und Kräuterkunde selbst; in Deutsch und Rechnen helfen Verwandte. Der strenggläubige Vater, der in den öffentlichen Schulen einen Hort des Atheismus sieht und Telefon, Radio und Fernsehen als "Teufelszeug" ablehnt, meint, es genüge, wenn seine Kinder so viel lesen lernten, daß sie die Bibel verstanden. Bemerkenswerterweise setzten sich die Behörden und Gerichte nur halbherzig zur Wehr und duldeten schließlich das illegale Treiben des Fanatikers. (Süddeutsche Zeitung, 11./12.8.1984.) Es wäre sicher unvorstellbar, daß die Behörden bei einem entsprechend handelnden konsequenten Atheisten, der z. B. sowohl Religions- als auch Ethikunterricht ablehnt und religiöse Einflüsse in anderen Fächern vermeiden will, in gleicher Weise ein Auge zudrücken würden.
(586) Tübingen. Katholiken können an der evangelisch-theologischen Fakultät in Tübingen keinen Doktorhut erwerben, weil die Konfessionsklausel in der Prüfungsordnung der Fakultät dies verbietet. Mit diesem Spruch des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs wurde eine farbige englische Katholikin abgewiesen, während an der gleichen Universität Warren Lewis ein Weißer, der zugleich ein Mann ist 1976 nach seinem Übertritt zur Mun-Sekte promovieren konnte. (Lewis ist jetzt in den USA ein fahrender Vertreter der "Vereinigungskirche" des derzeit in Haft sitzenden Koreaners Mun.) Kirchenkreise vertraten die Ansicht, damit würden jene bestärkt, die in der Theologie gar keine Wissenschaft sehen, weil es hier weniger um Wissen als um Glauben gehe. (Süddeutsche Zeitung, 7.8. 84 und Evang. Gemeindeblatt Bayern, 19.8.84.)
(587) Köln. Katholische Kirche und Wirtschaftsverbände wollen ihr gutes Verhältnis "auf ein vernünftiges Fundament" stellen. Zu diesem Zweck richteten sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) als auch das den Unternehmern nahestehende Institut der Deutschen Wirtschaft Referate "Kirche und Wirtschaft" ein, die ein publizistisches Gegengewicht zu Kontakten zwischen Gewerkschaft und Kirche darstellen und die Position der Unternehmer zu Fragen von Arbeitslosigkeit, Umweltschutz, Arbeitsleben und moderne Technologien in die Kirchen tragen sollen. Geplant sind u.a. eine Religionsbuchanalyse über das Unternehmerbild und Aussagen zur Wirtschaft in Unterrichtsmaterialien sowie eine Untersuchung über den "ökonomischen Sachverstand" und die wirtschaftspolitischen Einstellungen von Geistlichen und Kirchenangestellten. Kardinal Höffner beehrte das Institut der Deutschen Wirtschaft kurz nach Einrichtung des Referats mit einem Besuch. (Deutsche Tagespost, 22.8.84.)
(588) Bonn. Der FDP-Vorsitzende Genscher sprach sich in einem Zeitungsbeitrag für eine verstärkte Zusammenarbeit von FDP und Kirchen aus. Es gebe in wichtigen Fragen große Gemeinsamkeiten, nachdem sich die Haltung der Kirchen seit den fünfziger Jahren - laut Genscher - verändert habe. Er regte gemeinsame Aktionen gegen die "Flucht" der Frauen in die soziale Indikation an, die eine Neudiskussion der Kirchen über den § 218 StGB überflüssig machten. (Rheinischer Merkur, 17.8.84 und Süddeutsche Zeitung, 11./12.8.84.)
(589) Berlin. Zu einem heftigen Streit unter Gemeindemitgliedern führte in einer evangelischen Kirche in Berlin-Neukölln ein kurz vor der Vollendung stehendes Altarbild, das ein friedliches Zusammenleben verschiedenster sozialer Gruppen zeigen sollte. Daß dort u. a. auch Behinderte, jugendliche Punker und Türken verewigt sein sollen, stieß bei dem konservativeren Teil der Pfarrmitglieder auf entschiedene Ablehnung. (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 12.8.84 und Süddeutsche Zeitung, 2.8.84.)
(590) Rain am Lech. Seitdem der dortige evangelische Pfarrer jeden Sonntag nach der Predigt einen Witz aus dem Pfarrer-Alltag erzählt, freut er sich über einen gesteigerten Gottesdienstbesuch. Pfarrer Rudolph hatte bereits vor zwei Jahren mit der Errichtung einer "Erfassungsstelle für Humor in der Kirche" Aufmerksamkeit erregt. (Augsburger Allgemeine, 21.8.84.) Wir empfehlen diesem Freund der Komik, vielleicht noch die Aufführung eines Kasperltheaterstückes für die Kleinen anzuhängen: Das würde die Besucherzahlen der unter Zehnjährigen ungemein steigern.
(591) Hannover. Nach Angaben der niedersächsischen evangelischen Kirche gehören in der BRD 2,5 Millionen Menschen einer Sekte

an. Ein Grund liege in der gesunkenen Attraktivität der Großkirchen. (Rheinischer Merkur, 20.7.84.)
(592) Kassel. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts Kassel darf die Kirche einem Ausgetretenen nicht in jedem Fall kündigen. Trotz der verfassungsrechtlich garantierten Kirchenautonomie gilt das staatliche Kündigungsrecht auch in diesem Bereich. Bei einer Interessenabwägung komme es entscheidend auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers und seine Nähe zu den spezifisch kirchlichen Aufgaben an. Im vorliegenden Fall war ein Buchhalter nach 30 Dienstjahren von der Kirche zunächst wegen angeblicher Arbeitsverweigerung gekündigt worden. Nachdem dies gerichtlich für unzulässig erklärt worden war, kündigte die Kirche aus betrieblichen Gründen und wegen des Kirchenaustritts. Nunmehr wurde auch dies für unwirksam erklärt (Aktenzeichen 7 ARZ 249/81). (Süddeutsche Zeitung, 19.6.84.) Ähnliche Entscheidungen hatten Gerichte zuvor bereits bei Ärzten in kirchlichen Krankenhäusern getroffen.
(593) Bonn. Was alle Initiativen für eine stärkere Trennung von Staat und Kirchen in Jahrzehnten trotz triftigster Argumente nicht erreicht haben, soll nun wegen der rückläufigen Zahl junger Männer im Wehrdienstalter ohne viel Federlesens Wirklichkeit werden: In Zukunft sollen auch angehende Priesteramtstheologen ihren Wehrdienst ableisten müssen. Darauf haben sich militärische Spitzen und der Bundesverteidigungsminister bereits geeinigt. Auch die Koalitionsparteien sollen ihre Zustimmung bereits signalisiert haben, ohne daß die Kirchen sich bisher gewehrt hätten. (Frankfurter Rundschau, 22.8.84 und Augsburger Allgemeine, 11.7.84.) Der Staat im Konflikt mit sich selbst.- Einerseits hat er bisher künftige kirchliche Amtsträger ganz im Sinne des nach dem Kriege etablierten Bündnisses von Staat und Kirchen privilegiert, andererseits sieht er nun eine seiner anderen Stützen, das Militär, eben dadurch geschwächt in dieser Situation scheint er sich zugunsten des Militärs und zuungunsten der Kirchen entscheiden zu wollen. Daß aus den Kirchen bislang kein Widerspruch kam, mag daran liegen, daß sie selbst ein zwiespältiges Verhältnis zu diesen "Problemen" haben. Welche Art von "Entscheidungshilfe" könnte man hier von uns Antiklerikalen erwarten? Sicherlich bedeutet der beabsichtigte Schritt des Bundesverteidigungsministers keine Lösung seines Problems. Die militärische Inpflichtnahme von Pfarramtskandidaten könnte sogar das kritische bis oppositionelle Element in der Bundeswehr und außerhalb ihrer Kasernen (bei den Kriegsdienstverweigerern) stärken.
(594) Nürnberg. Die angehenden Pfarrer der evangelischen bayerischen Landeskirche beklagen sich bitter, daß die Kirche ausgegerechnet bei den niedrigsten Gehältern kürzt: "So also wird in unserer Kirche Solidarität im Teilen verwirklicht. Bei den niedrigsten Gehältern... wird gekürzt. Derweil behalten die im Amt befindlichen Pfarrer, Dekane und Oberkirchenräte ihre ungeschmälerten Gelder. Warum kann man eigentlich nicht sagen: Bei A 15 (dem Gehalt eines Studien- oder Regierungsdirektors) ist in unserer Kirche Schluß. Warum muß man bestimmten Leuten, die verantwortliche Funktionen haben, dafür das Gehalt eines Oberregierungsdirektors oder gar eines Ministerialdirektors zahlen? ... Bei einer Kürzung der Bezüge der aktiven Pfarrer bekäme man den lautstarken Protest des Pfarrervereins zu hören. Da ist eine Maßnahme gegen die schwächste Gruppe natürlich bequemer." (Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 27.5.84.) Sollten diese idealistischen Pfarranfänger allerdings immer noch geglaubt haben, ihre Kirche halte sich an das, was sie anderen predigt, dann zahlen sie nun zu Recht Lehrgeld.
(595) Köln. Erhebliche Unruhe hat der Plan der EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ausgelöst, den (steuerfreien) Kinderfreibetrag in die Bemessung der Kirchensteuer einzubeziehen. Nicht nur Bundestagsabgeordnete der Regierungsparteien, sondern auch der katholische Frauenbund und die katholische Arbeitnehmer-Bewegung kritisierten, die Kirchen machten sich durch ihre unsoziale Haltung unglaubwürdig. Die Kölner Tageszeitung Expreß kommentierte am 21. August 1984: "Von Opfern ist auf ihren Kanzeln immer wieder die Rede. Doch wenn Opfer von ihnen gefordert werden, wie bei der Steuerreform, wollen die deutschen Kirchen sich ausgerechnet bei den ärmeren kinderreichen Familien schadlos halten, an deren Wohl sie nach ihren eigenen Worten so interessiert sind. Dabei haben die Kirchen in der Bundesrepublik eine einmalige Position. Sie lassen ihre Beiträge von Vater Staat kassieren und haben damit automatisch mehr Geld für ihre Zwecke als in jedem anderen Land der Erde." Die Kirchen hatten schon im Vorfeld der Steuerreformpläne die Regierung (vergeblich) zu beeinflussen versucht und kirchliche Einnahmeausfälle beklagt. Dabei verschwiegen sie allerdings, daß sie in der Vergangenheit von der überproportionalen Steigerung der Lohn- und Einkommenssteuer profitierten, die auch durch die jetzige Steuerreform nicht annähernd ausgeglichen wird. Da die Kirchensteuer an die Lohn- bzw. Einkommensteuer gekoppelt ist, stiegen die Kirchensteuereinnahmen der Großkirchen von 1970 bis 1982 - trotz eines Verlustes von 4,4 Millionen Mitgliedern und mehrerer Steuertarifkorrekturen - von 3,9 auf 10,1 Milliarden DM an (vgl. Statistische Jahrbücher 1971 und 1983). Das macht einen jährlichen Zuwachs von durchschnittlich 8,2% aus - weit mehr als die Lohn- oder Preissteigerungsraten. (Süddeutsche Zeitung, 21. und 23.8.84, Rheinischer Merkur, 24.8.84, Pressemitteilung des bfg Augsburg vom 27.8.84)
(596) Lichtenfels. Grundsätze zum Verhältnis von Kirche und Politik stellte Kirchenrat Allgaier, Pressereferent der evangelischen Kirche Bayerns, während eines Seminars der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung auf. Theologen durften auf der Kanzel nicht die "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" machen, meinte er im Hinblick auf einige der Friedensbewegung nahestehenden Pfarrer, denen er "Indoktrination statt Seelsorge" vorwarf. Andererseits "müsse" sich die Kirche jedoch "als gesellschaftliche Größe" zu politischen Fragen äußern. Als vorbildlich bewertete Allgaier dabei die gemeinsame Erklärung des Ratsvorsitzenden der EKD und des Vorsitzenden der Katholischen Bischofskonferenz nach dem Scheitern der Vermittlung im Tarifkonflikt der Druckindustrie: "Das ist keine Politik von der Kanzel, sondern öffentliche Seelsorge." (Süddeutsche Zeitung, 16.8.84) Jetzt wissen wir es also: Äußern sich die Spitzen der kirchlichen Hierarchie zur Politik, ist das "öffentliche Seelsorge"; bei abweichenden Meinungen im geistlichen Fußvolk nennt sich das jedoch "Politik von der Kanzel".
(597) Augsburg. Kirchliche Missionswerke sind in letzter Zeit wiederholt ins Gerede gekommen. So mußte ein ARD-Programmdirektor einräumen, man habe im Frühjahr 1984 eine Spendenkampagne der Hilfswerke aufgrund von erheblich übertriebenen Katastrophenmeldungen aus Afrika unterstützt. Die Autorin Sybille Krause-Burger erhob in ihrem Sachbuch "Wer uns jetzt regiert" den Vorwurf, daß die vor allem in katholischen Gegenden am Dreikönigstag auf Betteltour ziehenden Sternsinger zumindest einen Teil ihrer "Sterntaler" in die eigenen Taschen singen. Das bischöfliche Hilfswerk "Misereor" mußte sich nachsagen lassen, Spendengelder "auf Halde" zu legen, um damit Zinsen zu erwirtschaften, statt die Mittel, wie versprochen, "schnell und sachgerecht zum Einsatz" zu bringen. Unabhängig davon haben sich die Missionswerke seit langem mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, sie stifteten mehr Schaden als Nutzen, weil sie die wirtschafts- und bevölkerungspolitischen Ursachen des Hungers in der Dritten Welt ignorierten. (Süddeutsche Zeitung, 1. 8. und 9.8.84; Augsburger Kirchenzeitung, 26.8.84; Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 20.5.84.)
(598) Bonn/Bad Honnef. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Altenburg, ist mit der evangelischen Kirche insgesamt sehr zufrieden und lehnt eine Änderung des Vertrags über die (vom Staat bezahlte) Militärseelsorge ab, was sowohl Politiker als auch Vertreter der Kirche in jüngster Zeit gefordert hatten (vgl. MIZ 1/84, Meldung 521). Lediglich "die zum Teil wenig tolerante Haltung einzelner Pastoren" und "idealistischer Extremisten" aus dem pazifistischen Lager mißfallen dem Inspekteur. (Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 20.5. und 29.7.84.) Noch mehr Lob dürfte sicher der katholische Militärbischof Kredel beim Herrn Generalinspekteur bekommen, bezeichnete er doch die Abschreckung als "Akt der Verteidigung", der "erlaubt ist, ja sogar geboten sein kann". Kriegsverhinderung und Friedenssicherung seien so vorrangige moralische Ziele, daß sie allein die Wahl einer Strategie begründen könnten, die mit hohem Risiko und erheblichen Kosten verbunden sei. (Deutsche Tagespost, 22./23.6.84.)
(599) Köln. Das Opus Dei, ursprünglich eine reine Laienbewegung von konservativen Katholiken in Spanien, die die Kultur- und Religionspolitik des faschistischen Generalissimo Franco unterstützte, soll erstmals in der BRD die allgemeine Seelsorge in einer katholischen Pfarrei übernehmen. Dieser ausdrückliche Wunsch von Kardinal Höffner stieß jedoch bei der überwältigenden Mehrheit der Gläubigen in Köln-Holweide auf entschiedene Ablehnung. Das Opus Dei, in Italien wegen seiner Geheimbündelei auch als "Heilige Mafia" bezeichnet, war durch mehrere aufsehenerregende Berichte ehemaliger Mitglieder, u.a. über blutige Geißelungen (vgl. MIZ 2/84, Meldung 568) selbst unter Katholiken ins Zwielicht geraten. Der katholische Pädagoge Martin Blachmann urteilte zusammenfassend in der Kölner Kirchenzeitung, es bestehe "so gut wie kein Unterschied zwischen den von der Kirche kritisierten und bekämpften Jugendsekten und dem Opus Dei". (Er muß es wissen, ist er doch seit drei Jahren Jugendsekten-Beauftragter im Erzbistum Köln! MIZ.) Höffner und die Leitung des Opus Dei reagierten jedoch widersprüchlich: Während die Opus-Dei-Führung abwartete und angab, sie prüfe noch, ob sie "personell überhaupt in der Lage" sei, dem Wunsch des Kardinals zu entsprechen, präsentierte dieser bereits die Namen seiner beiden Kandidaten. Und während der Oberhirte anfangs Wert auf das Einvernehmen mit der betroffenen Pfarrei legte, betonte er nach dem unerwarteten Widerstand, er sei in seiner "Entscheidung über die Besetzung der vakanten Stelle frei". In einem KNA-Interview verteidigte Höffner das vom Papst intensiv geförderte Opus Dei und sprach von einer "Hetze der Massenmedien", ohne auf die Reaktion in der Kölner Pfarrei näher einzugehen. Er zitierte vielmehr einen Kardinal, der den Widerspruch gegen das "Werk" mit dem "eigenen schlechten Gewissen der Kritiker" erklärte. In der Aussprache mit den Repräsentanten der Kölner Kirchengemeinde ließ sich Höffner hingegen von Weihbischof Jansen vertreten. Schließlich verzichtete der Regionalvikar des Opus Dei wegen der "fehlenden Bereitschaft der verantwortliche Pfarrgemeinden" auf den Einsatz seiner Priester - gegen Höffners Wunsch, der die Opus-Dei-Priester um "Vergebung für alles" bat, was ihnen durch die "Kölner Hetze" angetan worden sei. (Süddeutsche Zeitung, 17.8., 31.8. und 4.9.84; Augsburger Allgemeine, 21.8.84, Frankfurter Rundschau, 25.8. 84, Deutsche Tagespost, 29. 8. 84.) Unabhängig von dieser Kraftprobe zwischen Kardinal und Kirchenvolk lieferte Höffner ein lehrreiches Beispiel kirchlicher Taktik der Unverbindlichkeit.- Von der KNA gefragt, ob nicht auch Opus Dei Fehler gemacht habe, erwiderte er. "Niemand wird das leugnen. Die Kirche ist eine Kirche der Sünder. Auch die Mitglieder des Opus Dei sind Sünder." Jedoch vermied er es peinlichst, zu konkretisieren, welche Fehler die Organisation denn nun gemacht habe. Genau hier müssen wir die Herren stets zwingen, Farbe zu bekennen - und nicht nur im Fall des Opus Dei.
(600) Düsseldorf/Bonn/Augsburg/Hamburg. Die Baghwan-Sekte ist auf dem Vormarsch. Die Gaststättengesellschaft der Baghwanbewegung erreichte vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Eröffnung einer weiteren Diskothek, wenn auch mit Auflagen. Zugleich wurde dem NRW-Sozialminister Farthmann verboten zu behaupten, in den Diskotheken werde "Menschenfängerei übelster Art" betrieben. Der Minister legte jedoch Rechtsmittel ein und erklärte, "im Kern" halte er seinen Vorwurf aufrecht. Die SPD-Abgeordneten Müller und Jaunich wollen die Aktivitäten der Sekten im Bundestag zur Sprache bringen. In Augsburg wurden die Baghwanis fristlos gekündigt, weil sie ihre Diskothek ohne Einwilligung des Eigentümers umgebaut hatten. Sie weigerten sich bisher jedoch, das Lokal zu räumen und organisierten eine Demonstration mit einer Unterschriftenaktion von 600 "Gästen", was wiederum verschiedene christliche Gruppen zu einem "Gebetskreuzzug" und massiven Druck auf den Lokaleigentümer veranlaßte. Der kirchenfreie Bund für Geistesfreiheit (bfg) Augsburg verurteilte in einer stark beachteten Presseerklärung zwar die Werbemethoden der Sekte und ihre Verquickung mit geschäftlichen Interessen, erinnerte aber daran, daß sich die Großkirchen in beidem nicht von den Jugendsekten unterschieden. In Hamburg wurde einem Lehrer untersagt, während des Schuldienstes die rote Baghwan-Bekenntniskleidung zu tragen. (Augsburger Allgemeine, 28. 7., 6. 8., 7. 8., 23. 8. und 31. 8. 84.)
(601) Regensburg. Katholiken scheinen besonders anfällig für die Heilslehren der Mun-Sekte zu sein. Der Regensburger Generalvikar Morgenschweis warnte vor Aktivisten der Vereinigungskirche, die sich in einer Reihe von Gemeinden stark am Pfarrleben beteiligt hätten. Er forderte die Pfarreien und Verbände auf, entsprechende Beobachtungen dem bischöflichen Ordinariat mitzuteilen. (Augsburger Kirchenzeitung, 5.8.84.)
(602) München. In den Resümees nach dem Münchner Katholikentag wurde eine allgemeine Katerstimmung unüberhörbar. Während ein Teil beklagte, die Katholikentage seien zu oft, zu groß und zu folgenlos ("Weniger wäre mehr"), stellten andere kirchliche Kreise heraus, daß die Unsicherheit der jungen Generation größer geworden sei. Obwohl drei Viertel der Katholikentagsbesucher angeblich unter 30 Jahre alt gewesen sein sollen, wurde doch deutlich, daß ihre Bindung an die offizielle Kirche weiter abgenommen hat. (Süddeutsche Zeitung, 19.7. 84.)
(603) Hamburg. In einem Gespräch mit Repräsentanten des ARD meinten die Medienexperten der beiden Kirchen, Heßler und Glässgen, es gebe "keinen Grund, sich über das kirchliche Gemeinschaftsprogramm bei ARD und die Zusammenarbeit zu beklagen". ARD-Programmdirektor Schwarzkopf räumte seinerseits ein, daß kirchliche Themen in den ARD-Nachrichtensendungen zu kurz kämen und künftig stärker berücksichtigt werden müßten. (Deutsche Tagespost, 24.7.84.)
(604) Paris. Die Stadt Paris hat eine Beteiligung an der Reparatur des Läutwerks der Notre-Dame-Kathedrale unter Hinweis auf den Lärm des Läutens abgelehnt. In diesem Zusammenhang räumte selbst KNA ein, daß Glockengeläut auch in der BRD vielfach als Ruhestörung empfunden werde und daß kaum mehr jemand auf akustische Zeitangaben angewiesen sei. Gleichzeitig verwies die Agentur auf die Rechtslage, insbesondere auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Berlin, wonach "das kultische Glockengeläut ... auch in einer säkularisierten Gesellschaft bei Würdigung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen" sei, wenn es "sich nach Zeit, Dauer und Intensität im Rahmen des Herkömmlichen hält". Grenzen setzt das Bundesimmissionsschutzgesetz, demzufolge keine "erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft" hervorgerufen werden dürfen. Aus den Leitsätzen des Instituts für Staatskirchenrecht in Bonn geht hervor, daß in städtischen Gebieten das Läuten vor 6 Uhr morgens unzulässig ist. Zugleich wurde deutlich, daß sich diese Rechtsgrundsätze bei verstärktem Umweltbewußtsein oder fortschreitender Säkularisierung der Gesellschaft ändern können. - Unterdessen wurde bekannt, daß in der spanischen Stadt Logrono sogar der ganze Kirchenbetrieb wegen Ruhestörung eingestellt wurde; die Behörden verlangen den Einbau einer Schallschutzanlage. (Süddeutsche Zeitung, 30.6./1.7. und 9. 8. 84.)

Der letzten Meldung können wir nicht so recht froh werden, denn die Maßnahme der Behörden in einer Stadt des katholischen Spanien richtete sich, wie aus der Süddeutschen Zeitung vom 9. August 1984 hervorgeht, gegen eine nationale und religiöse Minderheit (protestantische Zigeuner). Als besonders ärgerlich mag in der katholischen Nachbarschaft auch gegolten haben, daß diese Minderheit mit ihren Gottesdiensten eine publikumswirksame Präsentation ihrer selbst gelang, heißt es doch in der SZ.- "Angelockt durch das lautstarke Gotteslob, hätten sich auch ständig Passanten vor dem Gebäude angesammelt, um den Chorälen zu lauschen." Wir meinen: in dubio non contra religionem, sed pro minoritate! (im Zweifel nicht gegen die Religion, sondern für die Minderheit!)

Großbritannien

(605) London. Der anglikanische Bischof von Salisbury ist nicht nur davon überzeugt, daß es Geister gibt; er hält es sogar für den "Gipfel an Starrsinn, wenn jemand nicht an ihre Existenz glaubt". Er selbst, so schreibt Bischof John Baker im monatlichen Brief an die Pfarrgemeinden seiner Diözese, habe im Alter von vier Jahren eine Geistererscheinung erlebt, in der ihm seine Großmutter, in ein weißes Bettlaken gehüllt, begegnet sei. Dies hält Baker für einen "echten Beweis". Er warnte allerdings vor "unvorsichtigen Versuchen", Kontakt mit Verstorbenen aufzunehmen, da "dabei die Gefahr besteht, von finsteren Mächten dauerhaften Schaden zugefügt zu bekommen". (Süddeutsche Zeitung, 20.8.84.) Die MIZ-Redaktion hat Verständnis, daß der Bischof keine andren finsteren Mächte neben sich duldet!
(606) London. Eine Denkmalschutz-Organisation beklagte die Praxis der anglikanischen Kirchenverwaltung, ungenutzte Kirchen an Grundstücksspekulanten zu verkaufen, die daraus u.a. Luxuswohnungen und sogar Vergnügungspaläste machen. Seit 1969 wurden mehr als 1000 Kirchen zweckentfremdet, wobei die teuersten Objekte bis zu 3,8 Millionen DM kosten. Anders als Privatbesitzer, ist die Kirche von England nicht an Denkmalschutzbestimmungen gebunden und darf völlig unabhängig über ihre historisch wertvollen Gebäude verfügen. Ein einziger Bischof hat es bisher als "unsozial und unmoralisch" bezeichnet, daß kirchliche Grundstücke aus reinem Profitstreben an den meistbietenden Interessenten verkauft würden. (Süddeutsche Zeitung, 23.8.84.) Das Problem des Vandalismus an Kulturgütern ist besonders charakteristisch für die nachkonziliare katholische Kirche, wenn hier auch nicht Profitstreben, sondern liturgischer Reformeifer die Triebfeder ist. Vgl. hierzu Alfred Lorenzer, Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Reiligionskritik. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1984, besonders das Kapitel "Der Vandalismus des Zweiten Vatikanischen Konzils".
(607) York. Unter Tumulten wurde der neue anglikanische Bischof von Durham, David Jenkins, in York geweiht. Er hatte in vorsichtiger Form angezweifelt, daß Jesus von einer Jungfrau geboren worden und leiblich "gen Himmel gefahren" sei. Außerdem deutete Jenkins an, daß er auch Leute für Christen halte, die Jesus nur als großen Menschen, nicht aber als Gott betrachteten. Gegnerische Fundamentalisten sammelten über 12.500 Unterschriften gegen den "Abweichler" und verlangten erst eine öffentliche Ketzerprüfung. Ihr geistlicher Anführer begann während der Zeremonie mit einer Gegenpredigt und wurde schließlich von Ordnern und Kriminalbeamten abgeführt. Jenkins erklärte, zunächst wolle er erst einmal "den Kopf einziehen wie ein Kaninchen". Als drei Tage später ein Teil der Kathedrale durch Blitzschlag zerstört wurde, sahen das die Eiferer als göttliches Zeichen und wurden erst recht aktiv. Sogar Katholiken und Protestanten warfen Jenkins nun Leugnung christlicher "Glaubenswahrheiten" vor; Laien beschimpften ihn als "theologischen Playboy", der die Kirche zu einem "Debattierclub" gemacht habe. (FAZ, 9.7. und 10.7.84.) Solche Ereignisse machen deutlich, daß religiöser Fanatismus in breiten Volksschichten immer noch weiter verbreitet ist, als das z.B. in Diskussionen mit aufgeklärteren Zeitgenossen scheinen mag.

Italien

(608) Vercelli. Die 51jährige Ebe Giorgini ist von einem Gericht im norditalienischen Vercelli zu zehn Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden, weil sie sich mehr als zwanzig Jahre lang als "Heilige" verehren ließ und ihre Anhänger in von ihr gegründeten Ordenshäusern schamlos ausnutzte. Zusammen mit "Mamma Ebe" wurden zwei Priester verurteilt, die dem vermeintlichen Orden "Heiliges Werk des Barmherzigen Jesu" einen religiösen Anstrich vermittelt hatten. Die "Ordensmutter" ließ sich sogar noch als Jungfrau verehren, als sie schon zweimal geschieden war. Als die Polizei sie verhaften wollte, lag sie gerade mit ihrem Geliebten im Bett. (Süddeutsche Zeitung, 25.7.84 und Augsburger Allgemeine, 26.7.84.) Am unverständlichsten an dieser Geschichte bleibt wohl die geistige Blindheit der "Hunderte von frommen jungen Leuten", die der "Ordensmutter" offenbar willenlos gehorchten. Da die Frau aber zahlreiche kirchliche Dank- und Ermutigungsschreiben, sogar von Bischöfen, vorweisen konnte und von Pfarrern direkt unterstützt wurde, steckt die italienische Kirche weit mehr in diesem kriminellen Komplott, als dies in den auf "Mamma Ebe" zugeschnittenen Sensationsartikeln zum Ausdruck kommt.
(609) Rom. Der italienische Senat billigte einen Nachtrag zum Konkordat (vollständiger Konkordatstext in MIZ 1/85), durch den Kirche und Staat auch auf dem Finanzsektor entflechten werden. Der Staat wird seine Zuwendungen auf "Pfründe"zahlungen, deren jährliche Höhe mit 500 Millionen Mark angegeben wird (wahrscheinlich liegen sie höher), ab 1990 einstellen. Dafür richtet die Kirche auf Diözesanebene "Institute zur Unterstützung des Klerus" ein, bei deren Einrichtung der Staat "flankierend behilflich" sein soll. In diesen Klerusfonds fließen Einkünfte aus kirchlichen Besitzungen sowie Spenden, die für den Geber bis zu 1700 DM jährlich steuerabzugsfähig sind. Ab 1990 müssen alle Italiener 0,8% ihrer Einkommensteuer wahlweise an diesen Fonds oder an eine Vereinigung mit sozialem Ziel (z.B. Katastrophenschutz) abführen. (Das geschätzte Gesamtaufkommen aus dieser Zusatzsteuer liegt bei 640 Millionen DM, wobei aber der Kirche logischerweise nur ein Teil zufließt.) Außerdem müssen künftig alle kirchlichen Stellen ihren Haushalt offenlegen, und klerikale Einrichtungen mit wirtschaftlicher Ausrichtung, wie z.B. die von Orden in ihren eigenen Gebäuden betriebenen hotelähnlichen "Pilgerhospize", werden dann besteuert. (FAZ, 7.8.84, Deutsche Tagespost, 8.8.84, Augsburger Kirchenzeitung, 18./19.8.84.)