1985 - Meldungen 696-714

1985 - Meldungen 696-714 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Europa

Bundesrepublik Deutschland

(696) Düsseldorf. Der NRW-Kultusminister Schwier und der Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Avgoustinos, haben vertraglich die Erteilung von Religionsunterricht in diesem Bekenntnis vereinbart. In Nordrhein-Westfalen gibt es 16 griechisch-orthodoxe Gemeinden mit knapp 100.000 Mitgliedern. (Süddeutsche Zeitung, 16.7.1985.)
(697) Würzburg. Die "Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus", die vor allem gegen den Dogmatismus der "Jugendsekten" ankämpft, hat auf einen "regelrecht rechtsreligiösen Untergrund" hingewiesen. Den harten Kern deutsch-völkischer und neugermanisch-religiöser junger Menschen schätzt die Initiative auf etwa 10.000 Anhänger. Der evangelische "Sektenpfarrer" Haack erklärte, es müsse zunehmend mit einem Rechtsterrorismus gerechnet werden, der seine Anstöße aus religiösen Motiven erhält.(Süddeutsche Zeitung, 22.6.1985)
(698) Eichstätt. Die kirchliche Universität Eichstätt plant eine Erweiterung um eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Ingolstadt. Universitätspräsident und Opus-Dei-Mitglied Lobkowicz ist dafür sogar bereit, sich mit 80% Staatsfinanzierung (statt bisher 90%) zufriedenzugeben. Grund des Entgegenkommens: Er möchte die im Konkordat fixierte Ausrichtung auf Lehramtsstudiengänge überwinden, die sich angesichts rückläufiger Berufschancen und Studentenzahlen fatal auswirken. Die 2000 Studenten bereiteten dem Kirchenmann neue Sorgen: Eine den Grünen und der Gewerkschaft nahestehende "Demokratische Liste" schlug bei Wahlen mit dem Slogan "Gegen Opus Dei" den Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) sensationell deutlich aus dem Felde. (Deutsche Tagespost, 26.7. und 3.8.1985, Süddeutsche Zeitung, 3. und 20.7.1985.)
(699) Günzburg. Petra Kelly, konfessionslose Bundestagsabgeordnete der Grünen, forderte Kardinal Höffner zur Klärung der Frage auf, ob der frühere KZ-Arzt Mengele 1959 im katholischen Mädcheninternat der "Englischen Fräulein" in Günzburg (dem Geburtsort sowohl von Mengele als auch von Kelly) versteckt worden sei. Kelly bezeichnete dies als "offenes Geheimnis" in Günzburg. (Publik-Forum, 26.7.1985.)
(700) Augsburg. Der Kirchenverlag Winfriedwerk (u.a. "Weltbild") ist erneut mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Seit 1979 wurde zunächst vom Betriebsrat ein Schwarzgeldkonto aufgedeckt, dann kamen Scheinarbeitsverträge mit erfundenen Aushilfskräften ans Licht, wodurch Steuern hinterzogen wurden. Nun wurde nachgewiesen, daß den Anzeigenkunden eine zu hohe, der Postversandstelle aber eine wesentlich zu niedrige Auflagenhöhe angegeben worden war. Allein der Schaden für die Post beläuft sich auf mindestens 1,1 Millionen DM. Während der Verlagsgeschäftsführer zu 20 Monaten Freiheitsstrafe (auf Bewährung) und 75 000 DM Geldstrafe verurteilt wurde, wurden weitere Hintermänner nicht belangt. Fachleute halten es jedoch für undenkbar, daß der kirchlichen Aufsicht von Manipulationen solchen Ausmaßes nichts bekannt gewesen sein soll. (Augsburger Allgemeine Zeitung, 17.6.1985.)
(701) Wiesbaden. Die extremistische Jugend- und Politsekte EAP hat nach der "Anti-Drogen-Koalition" und dem "Club of Life" eine neue Tarnorganisation gegründet, um auf Mitgliederfang zu gehen: das "Schiller-Institut". Die als jugendgefährdend eingestufte Sekte erreichte durch den klangvollen Namen den Zugang zu Tagungsorten wie dem städtischen Kurhaussaal in Wiesbaden und Kolpinghäusern in München, Berlin und Aachen. In der Vergangenheit hatten sich auch prominente Vertreter der Kirche als Referenten oder als Interviewpartner der EAP-Zeitung "Neue Solidarität" zur Verfügung gestellt, z.B. der Münchner Moraltheologe Prof. Gründel. (Deutsche Tagespost, 26.2.85)
(702) Essen. "Mit aller Schärfe" hat sich die konservative "Evangelische Sammlung" in Rheinland gegen eine Friedenskampagne linker Protestanten gewandt, die eine Verurteilung von Rüstung und Wehrdienst planen. Damit hat der Richtungsstreit der norddeutschen Landeskirchen auf andere Regionen übergegriffen. (Deutsche Tagespost, 31.5.1985 ) Das ist die Konsequenz einer Lehre, die sich für alles benutzen und einspannen läßt, und für eine Taktik, die es jedem anheimstellt, sich irgendwas aus dem christlichen Markt der Möglichkeiten herauszusuchen, um es dann als "wahrhaft christlich" zu verkaufen.
(703) München. Im (inzwischen abgeschlossenen) Prozeß gegen zwei Psychiatersöhne, die ihren autoritären Vater in einer Notsituation getötet hatten, führte die katholische Würzburger Psychiaterin Erika Geisier als Milderungsgrund an, "daß beide den katholischen Religionsunterricht abgebrochen hatten und ihr Gewissen deshalb nicht mehr geschult war" (Zitat Süddeutsche Zeitung.) Tags zuvor hatte freilich ein katholischer Theologe eingeräumt, mit seinen Ausführungen zum "Tyrannenmord" die beiden jungen Leute zur Tötung inspiriert zu haben. Ob er auch an mangelnder Gewissensschulung litt, wurde allerdings nicht berichtet. (Süddeutsche Zeitung, 3. und 4.7.1985.)
(704) Karlsruhe. Entgegen der Beurteilung durch das Bundesarbeitsgericht (AZ: 7 AZR 418/83) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß ein Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen bei Verstoß gegen "Loyalitätspflichten" nach rein kirchlichem Ermessen gekündigt werden kann, also auch dann, wenn er nach außen hin nicht unmittelbar kirchliche Inhalte repräsentiert. Es ging dabei um einen Assistenzarzt, der sich in einem Aufruf von Abtreibungsgegnern distanzierte und für ungewollt Schwangere, die abtreiben lassen, Verständnis geäußert hatte, sowie um einen Buchhalter in einem Jugendwohnheim, der aus der Kirche ausgetreten war. Die Loyalitätspflichten dürften zwar nicht überspannt werden, in den vorliegenden Fällen sei dies jedoch nicht der Fall, entschied das Gericht im Fall des Arztes mit 7:1 und im Fall des Buchhalters mit 6:2 Stimmen (AZ: 2 BvR 1703/ 83). ÖTV-Vorstandsmitglied Warburg forderte bereits zuvor die EKD auf, "die von ihr reklamierte Sonderrolle als Arbeitgeber" gegenüber den 350 000 kirchlich Beschäftigten neu zu "überdenken". Die gegenwärtige Lage sei "nicht mehr zeitgemäß und demokratisch bedenklich".(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.8.1985.)
(705) Frankfurt. Der Schriftsteller Ernst Klee wirft den christlichen Kirchen vor, die Nazi-Mordaktionen an Erb- und Geisteskranken geistig vorbereitet zu haben. "Beide Kirchen haben massiv dazu beigetragen, denn sie haben die Opfer als Opfer präpariert." Als Beleg führt er unter anderem. das Buch "Gesetzliche Unfruchtbarmachung Geisteskranker" (1927) des Freiburger Moraltheologen Josef Mayer an, damals Schriftleiter beim Caritasverband. (Deutsche Tagespost, 12.7.1985.)
(706) Würzburg. Der Stadtrat hat auf massiven Druck der Katholischen Kirche den Verkauf von stadteigenem Grund an das "Heimholungswerk Jesu Christi" verhindert. Die Sekte hatte sich verhaßt gemacht, weil sie gerade der katholischen Kirche erfolgreich Mitglieder abspenstig macht. Sie zeigt auch Interesse an der Beteiligung an einer kommunalen Kabelkommunikationsgesellschaft. Die katholische Kirche hat freilich Grund in vergleichbarer Lage zu sehr günstigen Bedingungen erwerben können. Nun sollen auch die Mormonen aus der Stadt mit dem Hinweis ferngehalten werden, bei ihnen handle es sich nicht um eine christliche Gemeinschaft. (Süddeutsche Zeitung, 18. und 21.6.,23.7.1985.) Obwohl wir den Absichten und Vorhaben des "Heimholungswerks" bzw. der Mormonen keine Träne nachzuweinen brauchen, zeigt sich hier exemplarisch, wie die Großkirchen die Religionsfreiheit einseitig auslegen, wenn es um Geld und Macht für sie geht.
(707) Bonn. Die Militärseelsorge ist erneut ins Gerede gekommen. Der evangelische Pfarrer und Kriegsdienstverweigerungsberater Finckh plädierte, ähnlich wie früher Gollwitzer, für die Aufkündigung des Kirchenvertrags vom 22.2.1957. Zuvor hatten es die Militärseelsorger - nach Absage von Verteidigungsminister Wörner abgelehnt, an einem öffentlichen "Gespräch zum ethischen Dilemma des Soldaten im Atomzeitalter" auf dem Bonner Hardtberg teilzunehmen. Nunmehr wollen die Grünen vorschlagen, Haushaltsmittel für die Militärseelsorge (ca. 65 Millionen jährlich) zu sperren. Die "Katholische Junge Gemeinde" rät sogar zur totalen Verweigerung des Kriegsdienstes, während Kardinal Höffner in seiner Antwort betonte, der Wehrdienst sei nicht unmoralisch. Unterstützt wurde er von den Delegierten der "Zentralen Versammlung", die in der katholischen Militärseelsorge die Aufgaben eines Diözesanrates wahrnehmen. (Frankfurter Rundschau, 15.3.1985.)
(708) Dorfen/Oberbayern. Der Dorfener Pfarrer Eigner, der schon früher durch sein Eintreten für die CSU Kritik hervorgerufen hatte, sorgt nun dafür, daß das wucherische Ablaßwesen nicht in Vergessenheit gerät. Unter dem Titel "Was kann ich tun, damit nach meinem Tod noch heilige Messen zelebriert werden und ich nicht vergessen werde?" schlägt er vor, für eine Spende zwischen 500 und 2000 DM (gern auch mehr) Abhilfe zu schaffen. Für 500 DM ist einmal jährlich eine "heilige Messe für die Seelenruhe des Stifters" zu haben. Für 800 DM ist eine Betsingmesse drin. Ebenso gibt es noch "Missionsmessen" für die Seelenruhe etc. Wie Eiger erläuterte, wird die Spende "pfarramtlich" angelegt und die Seelenmesse vom Zinsertrag bezahlt. "Nach 25 Jahren geht das Geld in den Besitz der jeweiligen Kirchenstiftung über. Der Stifter erhält eine Urkunde." Auch andere Priester betonen, dies sei nicht illegal. (Münchner Merkur, 14.8.1985.)

Vatikan

(709) Eine vorwiegend negative Bilanz der Auswirkungen des Zweiten Vatikanums gaben die deutschsprachigen Bischöfe während der Sondersynode in Rom. In dem von Kurienkardinal Augustin Mayer dem Plenum vorgetragenen Bericht war davon die Rede, mit Irrtümern und Fehlentwicklungen habe der Teufel ins Innere der Kirche hineingewirkt. Aus dem konziliaren Motto "Die Kirche sind wir" sei der falsche Antrieb geworden "Die Kirche machen wir". In dieser Weise habe der "Fürst dieser Welt", also der Teufel, seinen Gegenangriff auf die Kirche begonnen. Der Geist der Kirche und der Geist der Welt seien miteinander vermischt worden. (Frankfurter Rundschau vom 4.12.1985.)
(710) Der Papst denkt auch weiterhin nicht daran, mit der Gleichberechtigung der Geschlechter ernst zu machen. Auf den Brief einer enttäuschten sechzehnjährigen Ministrantin an den Papst ließ der Pontifex maximus durch einen untergeordneten Monsignore antworten, Meßdienerinnen gebe es "in wenigen, meist mitteleuropäischen Ländern", obwohl eine "entgegenstehende Anordnung" existiere. Wenn einzelne Seelsorger trotzdem für den "direkten Altardienst" einträten, solle man "den Papst nicht dazu drängen, diese Praxis laut und öffentlich zu billigen". (Deutsche Tagespost, 16./17.8.1985.)
(711) Das Dementi des Vatikan, an der Finanzierung des Regimes in Südafrika beteiligt zu sein (vgl. MIZ 3/85, Meldung 687), erwies sich als peinlicher und mißglückter Vernebelungsversuch. Pressesprecher und Opus-Dei-Mann Navarro hatte am 30. Juli 1985 erklärt, daß die Vatikan-Bank IOR der Regierung Botha "weder direkt noch indirekt Gelder geliehen" habe. In der Tat, nicht das "Institut für religiöse Werke" hat geliehen, sondern die 51 %-Tochter "Banco di Roma per la Svizzera" (mit Sitz in Lugano). Und Empfänger der insgesamt 172 Millionen Dollar Kredite, die von dort ans christliche Kap geflossen sind, (berücksichtigt sind, wohlgemerkt, nur die Gelder seit Juni 1982!), war auch nicht die Regierung, sondern die Stadt Johannesburg, die unter weißer Kontrolle stehende "Südafrikanische Transportgesellschaft" (SATS) sowie jene Abteilung der Regierung, die für Post und Fernmeldewesen zuständig ist. Drei der Kredite wurden übrigens erst im Juni bzw. Juli 1985 getätigt, einen Monat, bevor der Papst sich an die allgemeine Apartheid-Kritik verbal anhängte. Die Beurteilung der vatikanischen Wahrheitsliebe überlassen wir dem Leser ... (Publik-Forum, 23. 8. 1985)
(712) Der belgische Kurienkardinal Hamer betonte anläßlich einer abweichenden Auffassung von 24 amerikanischen Nonnen zur Abtreibungsfrage, daß für Katholiken die Gewissensfreiheit nur innerhalb der Morallehre der Kirche erlaubt sei. Da die Kirche "Hüterin der Wahrheit" sei, müßten Gewissensgründe hinter der maßgebenden Lehre der Kirche zurückstehen. (Katholische Nachrichten Agentur, 27.8.1985.)
(713) Als "große Überraschung" und "erfreulichen Durchbruch" feierte die katholische Presse die Ankündigung des Heiligen Stuhls, die Archive für die Jahre 1903 bis 1922 zu öffnen, die allerdings nur Forschern zugänglich sind. Da auch die vatikanischen Stellen viel Wind um den längst fälligen Schritt machen, nehmen Beobachter an, daß die Veröffentlichung der Dokumente aus der heiklen Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus nicht mehr in diesem Jahrtausend erfolgen wird. (Deutsche Tagespost, 4.9.1985.)
(714) Die Sterbehilfe ist nach Meinung des Papstes ein "Verbrechen, an dem man in keiner Weise mitarbeiten und dem man in keiner Weise zustimmen" dürfe. Wissenschaftler und Ärzte dürften sich niemals "als Herren über das Leben" betrachten. Den Ausführungen des katholischen Oberhaupts war zu entnehmen, daß sich seine Kirche selbst kraft ihrer Lehre als "Herr über das Leben" begreift, da sie das ärztliche Handeln an Todkranken entsprechend ihren eigenen Moralvorstellungen reglementieren will. (Katholische Nachrichten Agentur, 22.10.1985.)