1989 - Meldungen 1245-1268

Europa

Bundesrepublik Deutschland

• (1245) Wigratzbad/Allgäu. Die traditionalistische Priesterbruderschaft St. Petrus, die gegen die Neuerungen des letzten Vatikanischen Konzils kämpft, sich aber vom exkommunizierten Kardinal Lefèbvre getrennt hat und dem Vatikan die Stange hält, sieht sich im Aufwind. Neben dem Augsburger Bischof Stimpfle zählen die Kurienkardinäle Mayer und Gagnon sowie zahlreiche Bischöfe zu seinen Förderern. In den Bistümern Salzburg, Versailles und Paris sind ihre Priester bereits voll in die Arbeit des Klerus integriert. Ihre Zahl an Geistlichen und Priesteranwärtern nimmt - im Gegensatz zum allgemeinen Kirchentrend - laufend zu. Kurienkardinal Mayer machte den Traditionalisten hinsichtlich der künftigen vatikanischen Haltung Mut: "Haben Sie Geduld, Ihr Warten wird nicht umsonst sein." (Allgäuer Zeitung, 31.7.89; Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus, 3/89)

• (1246) Köln/Hannover/Augsburg. Das vom Fuldaer Bischof Dyba 1988 eingeführte und jetzt von der katholischen Bischofskonferenz übernommene (als Protest gegen Schwangerschaftsabbrüche gedachte) 15-minütige Glockenläuten am Mittag des 28. Dezember stieß auf entschiedenen Widerstand kirchenfreier Organisationen. In Köln riefen Frauenverbände in einer Gegendemonstration zum Kirchenaustritt auf. Die Freien Humanisten Niedersachsen erwägen - gemeinsam mit verschiedenen anderen freigeistigen und freidenkerischen Verbänden - eine verwaltungsgerichtliche Unterlassungsklage.

  Noch einen Schritt weiter ging der Bund für Geistesfreiheit Augsburg, der den dortigen Bischof Stimpfle wegen Ruhestörung anzeigte, was bei der Bevölkerung angesichts des überwiegend als lästig empfundenen Geläutes auf überraschend breite positive Resonanz stieß. In seiner Strafanzeige machte der bfg auch eine Beschimpfung seines weltanschaulichen Bekenntnisses gemäß § 166 StGB geltend. Selbst der Sprecher der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Oberkirchenrat Jeziorowski (Hannover), vertrat die Auffassung, das Läuten werde sich "einpendeln zwischen Lärmbelästigung und Zumutung."

  Da es auch innerkirchliche Bedenken, z.B. vom Katholischen Frauenbund (kfd) und der Initiative Kirche von unten gegen die Absicht gab, Frauen an den Pranger zu stellen, folgte insbesondere in Großstädten eine Reihe von Pfarreien der bischöflichen Aufforderung nicht, zumal die Aktion auch von Sprechern von SPD, FDP und Grünen in seltener Einhelligkeit verurteilt wurde. (Frankfurter Rundschau, 29.11. u. 27.12.89; Presseerklärung der Freien Humanisten Niedersachsen v. 19.12.89; Augsburger Allgemeine, 28.12.89; Süddeutsche Zeitung, 29.12.89)

  Inzwischen forderten die Jungen Liberalen in München, das Glockenläuten auch an Sonntagen bis auf besondere Ausnahmen einzustellen, da sich viele Menschen dadurch gestört fühlten und die Religionsfreiheit dort ende, wo sie die Freiheit anderer beschneide. (Süddeutsche Zeitung, 18.1.90)

• (1247) Kulmbach. Der Bund für Geistesfreiheit Kulmbach forderte anläßlich der Abschaffung des berüchtigten Schwarzen Kanals im DDR-Fernsehen einen analogen Abbau der "schwarzen Medienlandschaft" in der Bundesrepublik. Obwohl sich 13 % der Bevölkerung als Atheisten bezeichneten, erhielten diese kaum die Möglichkeit, sich in den Medien - insbesondere in Provinzzeitungen - zu artikulieren. (Presseerklärung des bfg Kulmbach, 14.12.89)

• (1248) München. Die persönliche Referentin des REP-Bundesvorsitzenden Schönhuber, Dr. Ursula Saniewski, war längere Zeit zweite Vorsitzende des politischen Vereins Causa, der als Tarnorganisation und politischer Arm der Mun-Sekte gilt. Die REP behaupteten in ihrem Verbandsorgan hingegen, die einzige Gemeinsamkeit bestehe in der antikommunistischen Ausrichtung. Außerdem habe die Referentin zum Zeitpunkt ihrer Einstellung nicht mehr für Causa gearbeitet. Schönhuber erklärte in seiner Hauszeitschrift: "Ich stehe zu meiner Mitarbeiterin Frau Dr. Saniewski." (Der Republikaner, 2/90)

  In der gleichen Ausgabe bezeichnete Schönhuber auch seine Vorbilder für einen christlichen Nationalismus: Die Vereinbarkeit von Glauben und Patriotismus haben uns der Deutsche Luther und der Pole Wojtyla gelehrt. (Der Republikaner, 2/90, S.6)

  Zum Bundesbeauftragten seiner Partei für Gespräche mit den Kirchen schlug Schönhuber den Religionslehrer am Gymnasium Kamen/Westfalen, Burghard Schmanck, vor. Das Bischöfliche Generalvikariat Paderborn teilte daraufhin mit, es seien keine Äußerungen oder Lebensumstände des Lehrers nachweisbar, die den Grundsätzen der Kirche widersprächen. (Deutsche Tagespost, 12.12.89)

• (1250) München. Die (zumeist kirchlich gesteuerten) karitativen Hilfswerke helfen sich oft selbst am besten. Dies stellte sich bei einem Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen ein dubioses Unfallopfer-Hilfswerk heraus. So bezahlt der Malteser Hilfsdienst den umstrittenen Haustür-Mitgliederwerbern 40 bis 50 Prozent eines Jahresbeitrags als Provision. Das Rote Kreuz (mit 60 %), der Arbeiter-Samariter-Bund (mit 65 %) und das Johanniter-Unfall-Hilfswerk (mit 85 % eines Jahresbeitrags) zahlen an die Drücker-Kolonnen sogar noch höhere Provisionen. (Süddeutsche Zeitung, 18.1.90)

• (1251) Köln/Düsseldorf. Kardinal Meisner warnte die NRW-Landesregierung, eine Satzungsänderung der Universität Bonn zu genehmigen. Dort gebe es Lehrstühle für Kirchenrecht, Mittlere und Neue Geschichte sowie Philosophie, dieseit über 170 Jahren konfessionellen Bindungen unterlägen - ungeachtet der Einführung der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes. Die katholische Kirche werde "auf den Rechten und Forderungen bestehen, die seinerzeit ausgehandelt wurden". (Der Spiegel, 26.2.90)

• (1252) Kempten. Die Stadt Lindau wurde vom Landgericht Kempten zur Zahlung eines Ausfallhonorars in Höhe von 8000 DM an das Münchner Rationaltheater verurteilt, weil sie trotz eines gültigen Vertrags eine Aufführung des kirchenkritischen Stücks "Tatort Vatikan" untersagt hatte, nachdem der Kulturamtsleiterin der Inhalt bekannt wurde. Das Gericht betonte, auch massive Angriffe auf Kirche und Vatikan seien nichts Strafbares: "Auch Kleinkunst ist Kunst und wird vom Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt." (Frankfurter Rundschau, 8.3.90)

• (1253) Wiesbaden. Auf entschiedene Kritik stieß das neue hessische Kindergartengesetzvon CDU und FDP bei SPD-Kommunalpolitikern. Während kirchliche Träger künftig massive Landeszuschüsse erhalten, sollen Kommunen, die einen Kindergarten unterhalten, nur mehr einen kleinen Teil der bisherigen Zuschüsse erhalten. (Kinzigtal-Nachrichten, 28.4.90)

• (1254) Fulda. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Geißler wandte sich vor der Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands in Fulda dagegen, das "aus dem christlichen Menschenbild heraus entwickelte" Grundgesetz einer neuen gesamtdeutschen Verfassung zu opfern. In diesem Zusammenhang wies er den Kirchen einen politischen Auftrag zu. (Kinzigtal-Nachrichten, 12.5.90)

• (1255) Bad Soden-Salmünster. Angesichts der "heuchlerischen Moral" in Fragen der Sexualität und der Frauenfeindlichkeit seitens der katholischen Kirche forderte die grüne Stadtratsfraktion von Bad Soden die Kürzung von Zuwendungen für kirchliche Einrichtungen (wie z.B. Pfarrhäusern) zugunsten sozialer Maßnahmen. Die Stadtratsmehrheit lehnte den Antrag ab. (Kinzigtal-Nachrichten, 13.2.90)

  Anm. der MIZ-Redaktion: So richtig (und eigentlich selbstverständlich) der Antrag allein wegen des Prinzips ist, daß jede Vereinigung ihre internen Belange auch selbst zu finanzieren hat, so bleibt angesichts der Begründung doch ein unguter Nachgeschmack: Sollen denn Pfarrheime von Kommunen finanziert werden, wenn nur die Kirchen entsprechendes Wohlverhalten an den Tag legen?

• (1256) Münster/Bonn/Berlin. In der Bundesrepublik wird der Widerstand gegen die Ausweitung der kirchlichen Privilegien auf das Gebiet der DDR breiter.

  In Münster warnte der renommierte Kirchenrechtler Prof. Dr. Horst Herrmann vor einer vorschnellen Übernahme des Bonner Grundgesetzes durch die DDR. Offensichtlich sei sich kaum jemand bewußt, welche finanziellen Folgen ein bloßer Anschluß auch im Hinblick auf die Kirchen habe. So müßten die Einwohner der DDR alle spezifisch bundesdeutschen Kirchenprivilegien wie etwa die Kirchensteuer schlucken. Hinzu komme, daß die Übernahme eines in der Bundesrepublik fortgeltenden Kirchenvertrages wie des Konkordats des Vatikans mit der Hitlerdiktatur von 1933 eine Zumutung an die DDR darstelle. Würde dagegen eine neue gesamtdeutsche Verfassung ausgearbeitet, könnten endgültig die schon seit Jahrzehnten zur Ablösung anstehenden Staatsleistungen an die Kirchen wegfallen, die Jahr für Jahr Milliardenbeträge ausmachten. Auch seien bei dieser Gelegenheit die Zahlungen der Bundesrepublik an die Kirchen auf dem Schul- und Sozialsektor zu überprüfen und endlich den von Grund auf gewandelten Verhältnissen anzupassen. (MIZ-Eigenmeldung)

  Auch der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Brem, sieht in der bislang praktizierten Trennung von Staat und Kirche in der DDR ein "Beispiel", das bei einer Vereinigung beider deutscher Staaten beachtet werden sollte. Er warnte davor, bundesdeutsche Strukturen "blindlings" zu übernehmen: "Anstatt unsere teilweise verfehlten Modelle zu exportieren, sollten wir lieber prüfen, wo wir selbst noch lernen können." (KNA, 5.4.90)

  Auch die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, mit über 35 000 Mitgliedern die bundesweit größte kirchenkritische Organisation, forderte die Abgeordneten der DDR-Volkskammer auf, bei Verhandlungen über eine neue Verfassung auf einer klaren Trennung von Staat und Kirche zu bestehen und die persönliche Selbstbestimmung in moralischen Fragen zu garantieren.

• (1257) Kerpen/Berlin. Die im Oktober 1989 von kritischen Katholiken in Kerpen gegründete Aktion Kirchensteuer hat die im Bundestag vertretenen Parteien aufgefordert, "die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, die staatlich eingehobene Kirchensteuer durch freiwillige Kirchenbeiträge zu ersetzen." Sie bezeichnete die jetzige Art der Beitragseintreibung als "Relikt aus feudalistischer Zeit", das die Kirchenleitung zur "sorglosen Selbstzufriedenheit" verführe und sie unglaubwürdig mache. Ferner kritisiert die Initiative, daß der gesellschaftliche Einfluß der Kirchen in keiner vertretbaren Relation zur tatsächlichen Mitgliederzahl stehe.

  Die gleichfalls amtskirchenkritische, aber christliche Initiative Kirche von unten erwägt, auf dem Berliner Katholikentag einen Verein Kirchensteuer von unten zu gründen. Vorausgehen soll eine öffentliche Veranstaltung, auf der austrittswillige Christen ihren Abschied von der Amtskirche nehmen, ohne ihre christliche Bindung aufzugeben. (Publik-Forum, 23.2.90)

• (1258) Hamm. Das katholische St.-Elisabeth-Krankenhaus in Bochum hat einen evangelischen Arzt fristlos entlassen, weil dieser einen Aufruf zur Abschaffung des § 218 in der Illustrierten stern mitunterzeichnet hatte. Der Arbeitgeber sah darin eine Unterstützung von Abtreibungen, was kirchenrechtlich als schwerer Verstoß gegen das Sittengesetz anzusehen sei. Der Arzt machte geltend, er habe nur seine private Auffassung geäußert.

  Seine Klage vor dem Landesarbeitsgericht Hamm brachte dem Mediziner im Berufungsverfahren in einer gütlichen Einigung eine Abfindung in Höhe von 14 000 DM ein. (AZ: 7 Sa 1363/89) (Frankfurter Rundschau, 1.12.89)

• (1259) Würzburg. Der Rechtsanwalt und Würzburger Caritas-Vorsitzende Wolfgang Pfrang sowie ein Theologie-Student sind von der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen fahrlässigen Meineids zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt worden. Beide waren im Dezember 1987 im Auftrag des erzbischöflichen Ordinariats in Würzburg Zuhörer eines kirchenkritischen Vortrags und hatten anschließend den Referenten, einen Freiburger Rechtsanwalt, wegen angeblicher Religionsbeschimpfung angezeigt. In der Verhandlung im November 1988 beeideten beide diese Aussagen. Dank eines Video-Mitschnitts konnte der Angeklagte jedoch beweisen, daß er die Äußerungen nicht bzw. nur als bloßes Zitat getan hatte, so daß er wegen erwiesener Unschuld freigesprochen wurde.

  Während in einem anderen Fall der Meineidige noch im Gerichtssaal festgenommen worden war, unternahm die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Kirchenmänner zunächst gar nichts, obwohl sie zu einem Ermittlungsverfahren wegen Falscheids verpflichtet gewesen wäre. Erst auf eine Strafanzeige des Freiburger Anwalts wegen Meineids, falscher Verdächtigung, Verleumdung und Beleidigung hin war sie zum Eingreifen gezwungen. Sie brachte jedoch das Kunststück fertig, die Existenz eines objektiven Beweismittels in ein Entlastungsargument für die falschen Zeugen umzumünzen: Weil der Vortrag ja "für jedermann erkennbar" mit einer Videokamera aufgezeichnet worden sei, sei "kaum anzunehmen, daß die Beschuldigten in Kenntnis dieser Tatsache bewußt falsche, jederzeit widerlegbare Angaben" gemacht hätten. Außerdem hätten sie selbst "ein vorsätzliches Handeln entschieden in Abrede gestellt". Daher sei die Schuld so gering, daß durch Zahlung einer Geldbuße das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung beseitigt werden könne. (Süddeutsche Zeitung, 21.4.90)

• (1260) München. Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 30.11.1989 abschließend entschieden, daß bei Lohnsteuer-Pauschalierungen zwar grundsätzlich auch künftig die pauschale Kirchensteuer zu erheben ist. Entgegen der bisherigen Rechtsauffassung der Finanzämter und der Rechtsprechung der unteren Gerichte ist jedoch für Arbeitnehmer, die keiner kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehören, keine Kirchensteuer abzuführen. Dies gilt auch bei Lebens- und ähnlichen Versicherungen.

  Damit haben die Konfessionslosen nach jahrelangem Ringen wenigstens einen Teilerfolg errungen. (Mitteilung der Humanistischen Union vom 21.3.90; vgl. MIZ 4/89, S.36 ff.)

DDR

• (1261) Berlin. Die Leitung der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg forderte eine klare Trennung von Schule und Jugendweihe. Letztere dürfe nicht Teil des Bildungswesens bleiben; deshalb sei auch die Arbeit der Jugendweiheausschüsse organisatorisch und räumlich von der Schule zu trennen. Auch die von der (früheren) SED gelenkten Jugendorganisationen Junge Pioniere und Freie Deutsche Jugend hätten in der Schule nichts zu suchen, da sie weltanschaulich einseitig auf den Marxismus-Leninismus festgelegt seien. Die Stellungnahme war von dem zeitweise als Staatspräsidenten-Kandidat gehandelten Bischof Forck unterzeichnet. (Deutsche Tagespost, 7.12.89)

  Anm.: Die MIZ-Redaktion stimmt dieser Auffassung grundsätzlich zu. Nur muß dann die Trennung von Schule und anderen weltanschaulich einseitig fixierten Organisationen ebenso konsequent gefordert werden.

• (1262) Berlin. Zwei Drittel der DDR-Einwohner sind für Straffreiheit oder Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch. Bei einer Umfrage des Ost-Berliner Usuma-Instituts sprachen sich 33 % für völlige Straffreiheit (BRD laut emnid-Umfrage vom März 1990: 28 %) und 32 % für die Fristenlösung aus (BRD: 19 %). 25 % befürworteten die Indikations-Regelung (BRD: 33 %), und nur 10 % teilten die christliche Position, wonach ein Abbruch nur bei Lebensgefahr der Frau zulässig sein solle (BRD: 20 %). (Der Spiegel, 16.4.90)

• (1263) Berlin. Neben zahlreichen Theologen und kirchlichen Mitarbeitern (so z.B. Ministerpräsident De Maizière) gehören der neuen DDR-Volkskammer auch 21 Pfarrer an, darunter die drei Parteivorsitzenden von SPD, DA und DSU sowie die Minister Meckel (Äußeres), Eppelmann (Verteidigung), Ebeling (Entwicklungshilfe) und Müller (Medienpolitik). Insbesondere in der Ost-SPD sind fast alle wichtigeren Posten in der Hand von Pfarrern, während Ibrahim Böhme, der sich offen als Atheist bekannte, durch Denunziationen kaltgestellt wurde. (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 27.4.90)

• (1264) Berlin. Im innerevangelischen Streit um eine Einführung des Kirchensteuersystems der BRD scheint entschieden: Bischof Forck setzte sich nun offen für eine Übernahme des westlichen Einzugsverfahrens ein. Andere Synodale bezeichneten diesen Schritt als "historischen Rückschritt" und Opportunismus.(Tageszeitung Berlin-West, 26.4.90)

Österreich

• (1265) Linz/Oberösterreich. In Österreich droht eine neue Anklage nach dem Blasphemieparagraphen 188 des dortigen Strafgesetzbuchs. Beim Abschluß einer Anti-Abtreibungs-Demonstration katholischer Fundamentalisten am 28.12.1989 ("Tag der unschuldigen Kinder") enthüllten Gegendemonstranten Transparente mit der Aufschrift "Wäre der Papst nicht impotent, dann wäre die Abtreibung ein Sakrament". Dies führte zu einer Anzeige gegen einen Teilnehmer, "da der Papst Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche" sei.

  Damit wurde erstmals ein ausländisches Staatsoberhaupt als "Gegenstand religiöser Verehrung" hingestellt. Ebenfalls neu ist die Anzeigeerstattung in Zusammenhang mit einer Demonstration katholischer Gruppen. Gegen Fanatiker, die abtreibende Frauen als Mörderinnen diffamiert hatten, wurde kein Verfahren eingeleitet. (Mitteilung Antiklerikaler Arbeitskreis - Organisation für Atheismus und Aufklärung Salzburg v. 3.4.90)

Schweiz

• (1266) Zürich. Die Schweizer Freidenker erneuerten ihre Kritik an den umfangreichen Staatsleistungen für die Kirchen im Kanton Zürich. Allein die evangelisch-reformierte Kirche bezog 1988 27,3 Millionen Franken (ca. 33 Mio. DM) für Pfarrergehälter und weitere 2,85 Millionen Franken (ca. 3,5 Mio. DM) für Verwaltungskosten und Kirchenbauten; die römisch-katholische und die christkatholische (=altkatholische) Kirche erhalten vergleichbare Zuschüsse. Diese beruhen allesamt auf angeblichen "Historischen Rechtstiteln", d.h. auf (nie bewiesenen) Ansprüchen aufgrund mittelalterlicher Pfründen, die von privaten Stiftern zugunsten damaliger (katholischer) Pfarreien errichtet worden waren und die nunmehr auch die Protestanten anteilig als ihr Erbteil betrachten.

  Besondere Kritik erfuhr die Forderung der evangelisch-reformierten Kirche, der Kanton Zürich müsse bei einer Entflechtung von Staat und Kirche etwa 400 Millionen Franken als einmalige Ablösesumme aufbringen. Die Behörden lehnten eine Auflistung dieser Summe in den kantonalen Haushaltsplan ab, weil ein solcher Anspruch strittig sei, wollen aber weiterhin die darauf beruhenden Staatszuschüsse zahlen und streben auch keine gerichtliche Klärung über deren tatsächliche Berechtigung an. (Freidenker, Organ der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, 3/90)

Spanien

• (1267) Madrid/Granada. Kurz nachdem in Granada eine 36-jährige Frau an den Folgen einer brutalen Teufelsaustriebung gestorben war, erschütterte ein neuer Fall von Exorzismus die spanische Öffentlichkeit. In einem Bauernhof in der Region Almeria befreite die von Nachbarn alarmierte Polizei 18 Mädchen, die nach 24-stündigem Fasten vor Hunger wimmerten, während die Eltern vor dem Gehöft auf den Erfolg des Rituals warteten. Ein herbeigerufener Arzt schloß schwere physische und psychische Schäden nicht aus.

  Dennoch fand der Exorzist, ein Straßenhändler und Pastor der "Evangelischen Kirche von Philadelphia", auch Fürsprecher: Der Zivilgouverneur von Almeria, Ramon Lara, meinte, der Exorzismus sei "Teil der Freiheit des religiösen Kultes, den unsere Verfassung schützt" und warf der Polizei sogar Amtsanmaßung vor. Auch der von der Polizei eingeschaltete Untersuchungsrichter war der Ansicht, es liege kein Delikt vor, weil der Teufelsaustreiber mit Erlaubnis der Eltern gehandelt habe und direkte Gesundheitsschäden nicht erkennbar seien. - Satansmessen und Teufelsaustreibungen kommen in Spanien noch relativ häufig vor. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.2.90)

Malta

• (1268) La Valetta. Die Republik Malta hat mit dem Vatikan ein Abkommen über den katholischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen vereinbart. Einzelheiten wurden zwar nicht mitgeteilt, doch in der Präambel sollen beide Seiten übereingekommen sein daß "die Prinzipien der katholischen Religion Teil des historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Erbes des maltesischen Volkes" seien.

  Möglich wurde die Annäherung Maltas an den Heiligen Stuhl erst nach Ablösung der jahrzehntelang regierenden Sozialisten, die sich für eine stärkere Trennung von Staat und Kirche eingesetzt hatten, durch die konservative Opposition. (KNA, 21.11.89; vgl. MIZ 2/87, S. 23, sowie 3/86, S. 35, und 2/84, S. 31)