1995 - Meldungen 2128-2174
Europa
Bosnien
-
Die päpstliche Losung stieß inner- wie außerhalb der Kirche auf Widerspruch: Es gebe keinen "gerechten" Krieg, und wenn auch die Hilflosigkeit in Bosnien betroffen mache, so rufe Gewalt immer nur neue Gewalt hervor. Die traditionellen "Friedenskatholiken" von Pax Christi konnten sich nicht zu einer einheitlichen Haltung aufraffen. (Augsburger Allgemeine, 24. u. 29.7.95; Tag des Herrn, Kirchenzeitung der ostdeutschen Diözesen, 4.6.95)
Deutschland
-
Gegen Risiken sicherten sich die christlichen Jungmanager professionell ab. Die "Käuferinnen" mußten anerkennen, daß jegliche Reklamation ausgeschlossen war und der Veranstalter keine Gewähr für "Güte, Beschaffenheit, Vollständigkeit, offene oder versteckte Mängel" übernehme. Auch "technische Daten, Maße oder Gewichte" der Junggesellen wurden unverbindlich angegeben. Nach Zuschlag sollte der Junggeselle der Käuferin gehören, um deren Wohl er sich "in geeigneter Weise" zu kümmern habe. Im Gegenzug sollte er "würdig behandelt" werden.
Die evangelische Landeskirche hielt sich mit einer offiziellen Reaktion zurück. (Süddeutsche Zeitung, 4.4.95)
Anm. MIZ-Red.: Selbst wenn man im Zweifelsfall gutgemeinte Absichten und das Einverständnis der betroffenen Singles unterstellt, erinnern die Umstände fatal an den (gleichfalls von Christen organisierten) Sklavenhandel früherer Zeiten. Wer den privaten Wunsch einsamer Junggesellen nach zwischenmenschlichem Anschluß und die allzumenschliche Neugier derart kombiniert und als öffentliches Spektakel "vermarktet", unterbietet das Niveau fragwürdiger Kontakt-Shows in gewissen Privatsendern noch beträchtlich und hat jedes moralische Recht verloren, über einen "allgemeinen Werteverfall" zu jammern.
-
Dieses finanzielle Engagement der deutschen Bischofskonferenz ist innerkirchlich umstritten und stößt besonders bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten auf starke Kritik. (KNA, 8.4.95)
-
Anm. MIZ-Red.: Je nach Bundesland überlassen die Kirchen dem Staat als Ausgleich für den Mehraufwand zwischen 2,5 und 4 % des Kirchensteueraufkommens, der nach Auskunft der Finanzämter die Kosten ungefähr deckt.
-
Bischof Lehmann meinte dazu, die katholische Kirche sei als Weltkirche nicht nur auf Westeuropa fixiert. (Weltbild, 28.4.95)
-
Umfragen ergaben, daß über 70 % der Eltern in Brandenburg einen nichtkonfessionellen Werteunterricht wünschen; die Zahl der Aspiranten für eine religiöse Unterweisung lag bisher meist unter der Mindestzahl von 12 pro Schule. Bischof Huber führt diesen geringen Zuspruch auf "mangelnde Aufklärung" zurück, erntete dafür aber öffentlichen Spott. Dennoch tritt sogar die katholische Kirche weiterhin für einen konfessionellen Religionsunterricht ein. (KNA, 14.3.95; Kinzigtal-Nachrichten, 20.5.95; Sonntagsblatt, 2. u. 30.6.95; Weltbild, 28.4.95; Neues Deutschland, 6.6.95; Rheinischer Merkur, 21.7.95)
-
Innerkirchlichem Widerstand nahm er selbst den Wind aus den Segeln: "Kaum hatte ich dieses Tabu aber einmal angerührt, da hörte ich von hoher Warte, daß ein Eingriff in diesen Gral "den Anfang vom Ende einer wissenschaftlichen Theologie" bedeuten würde. Das klingt zunächst beeindruckend. Wenn man dieses Argument aber wirklich ernst nehmen wollte, müßte man folgerichtig zu dem Schluß kommen, daß es in den letzten zwei Jahrtausenden nirgendwo - mit Ausnahme Deutschlands im vergangenen Jahrhundert - wissenschaftliche Theologie gegeben hat oder geben konnte: Nie und nirgendwo gab es ja je die Voraussetzungen unserer heimischen Konkordate. Da bleibt nüchtern zu konstatieren, daß man sich hier an einem alten preußischen Konkordatszopf festhält, der, wie alle Zöpfe der Geschichte, früher oder später abgeschnitten wird."
Er erinnerte daran, daß die meisten führenden deutschen Theologen an kirchlichen Hochschulen ausgebildet worden waren. "Um so unverständlicher ist es daher, daß gerade in der krassen Diaspora der ehemaligen DDR so intensiv an die Errichtung neuer staatlicher Fakultäten gedacht wird. Der Bedarf im wiedervereinigten Deutschland ist mehr als gedeckt. Qualifizierte Theologieprofessoren sind ausgesprochen rar und Theologiestudenten noch viel rarer. In dieser Situation den Regierungen der neuen Bundesländer mit ihren durchschnittlich fünf bis acht Prozent katholischer Bevölkerung (Anm. MIZ-Red.: Tatsächlich sind es sogar nur vier bis fünf Prozent!) Katholische Fakultäten mit den bereits beschriebenen kostspieligen Konkordatsprivilegien aufnötigen zu wollen, erscheint mir nicht als ein sinnvolles Vorgehen."
Die deutsche katholische Bischofskonferenz reagierte ungehalten, weil sie - laut Informationen des Kirchenfunks - gerade in Geheimverhandlungen mit den Kultusministerien der Länder Sondervereinbarungen anstrebt, wonach zwar die Zahl der Theologie-Lehrstühle reduziert werden soll, ohne aber die grundsätzliche Stellung der theologischen Fakultäten anzutasten. Wegen des erwähnten Mangels an Theologen und Studenten denken die Bischöfe sogar an eine Zusammenlegung benachbarter Fakultäten; als Beispiele wurden München und Augsburg sowie Münster und Paderborn genannt. Damit wollen sie dem Drängen einiger Länder auf Einsparungen entgegenkommen, denen angesichts ihrer Finanznot die üppige Ausstattung der theologischen Fakultäten zunehmend lästig ist.
Die Bischöfe befürchten jedoch, daß nach dem öffentlichen Vorstoß von Dyba ein "Dammbruch" entstehen könnte, der u.a. den staatlichen Kirchensteuereinzug sowie die Stellung des Religionsunterrichts und der Militärseelsorge gefährden könne. Auch der Vatikan will die Präsenz der Theologie an den Staatsuniversitäten beibehalten, wie Kurienkardinal Pio Laghi in einem Schreiben betonte. (Frankfurter Allgemeine, 5.4.95; Kirchenfunk im Bayerischen Rundfunk, 5. Hörfunkprogramm, 28.5.95, 15.30 Uhr; Weltbild, 7.7.95)
Anm. MIZ-Red.: Obwohl rein innerkirchliche Spannungen der Anlaß sind, hält die MIZ die ausführliche Zitierung Dybas für höchst wichtig, denn damit hat sich erstmals ein Bischof zum Kronzeugen gemacht, daß
1. die staatliche Finanzierung deutscher theologischer Fakultäten weltweit einmalig ist;
2. diese Fakultäten ohne Qualitätseinbußen als kircheneigene Hochschulen betrieben werden können;
3. eine Finanzierung durch den Staat eine Zumutung für den Steuerzahler darstellt;
4. die Konkordate überholt und durch Initiative des Staats veränderbar (kündbar) sind;
5. die Privilegierung durch Konkordate nach seiner eigenen Einschätzung in absehbarer Zeit beendet wird.
-
Der Zweckverband beschloß nach kontroverser Diskussion, bis zur "rückhaltlosen Klärung" keine weiteren Aufträge an das APE-Institut zu vergeben. Ein Sprecher des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg verurteilte zwar jede Einflußnahme religiöser Zirkel auf ein öffentliches Krankenhaus, kritisierte aber die Einmischung ausgerechnet eines evangelischen Pfarrers. "Wo bleibt die Neutralitätspflicht des Staates bei den katholischen und evangelischen Seelsorgern, die in Krankenhäusern ungehindert missionieren dürfen" und "denen der Staat sogar für ein billiges "Vergelt's Gott" die mit Staatsgeldern aller Bürger finanzierten Krankenhauskapellen zur Verfügung stellt?" (Augsburger Allgemeine, 20., 26. u. 28.4.95)
-
Von Einsparungen will die Kirche nur den direkten Seelsorgebereich ausnehmen, obwohl Pfarrer im Durchschnitt über 8000 DM im Monat verdienen. Beim weltlichen Personal hingegen "haben wir auch schon Kündigungen ausgesprochen". Bei dauerhaftem Einnahmeschwund müßten "fast alle Kindergärten geschlossen, die freien Schulen aufgegeben werden". Über die Beibehaltung der Kirchensteuer ist er sich indes sehr sicher: "Die beiden großen Parteien im Bundestag, CDU/CSU und SPD, sind in der Mehrheit der Mitglieder und in der Führung der Parteien eindeutig für die Beibehaltung dieses Systems. Es gibt immer einzelne Abweichler in allen Parteien. FDP, PDS und Grüne sind für ihre andere Position bekannt. Daher sehe ich von seiten der Politik keine Gefährdung. Wie weit aber der gesellschaftliche Konsens zur Kirchensteuer bleibt, kann man nicht übersehen. Im Augenblick halte ich die Kirchensteuer für eine verläßliche Einnahme der Kirche." (Weltbild, 26.5.95)
-
Daneben erhalten die Kirchen 52 Mio. DM für die Militärseelsorge. (Kinzigtal-Nachrichten, 29.5.95)
-
Auch die Zahl der vom Staat besoldeten evangelischen Militärseelsorger wird demnächst abnehmen. Der Rat der EKD führte mit Kanzler Kohl bereits ein Gespräch über die Änderung des Militärseelsorgevertrags von 1957, den die ostdeutschen Landeskirchen abgelehnt hatten. Dort sollen die Soldatenpfarrer im Kirchendienst bleiben, aber sonst unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie ihre Kollegen arbeiten, die Staatsbeamte auf Zeit sind. (Sonntagsblatt, 9.6.95)
-
In Bamberg versuchten zwei Professoren für Religionspädagogik vergeblich, einen ökumenischen Religionsunterricht als Modellversuch einzurichten. Die zuständigen Leiter der kirchlichen Schulabteilungen, ein Oberkirchenrat und ein Domkapitular, sahen sich zu einer Genehmigung außerstande, weil keine der beiden Kirchen dazu bereit sei. (Fuldaer Zeitung, 12.6.95; Süddeutsche Zeitung, 24.7.95)
Anm. MIZ-Red.: Damit wurden einmal mehr all jene widerlegt, die behaupten, der Religionsunterricht sei ohnehin bereits eine Art Ethikunterricht, weshalb Konfessionslose ein gleichartiges Ersatzpflichtfach besuchen müßten.
-
1. Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG.
2. § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern ist mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.
Maßgeblichen Anteil an diesem Beschluß hatte auch ein fundiertes Rechtsgutachten des Staatskirchenrechtlers Dr. Czermak (gleichzeitig 2. Vorsitzender des bfg Augsburg und juristischer Fach-Mitarbeiter der MIZ).
Dem Vernehmen nach setzte sich besonders der scheidende Vizepräsident Henschel für eine zügige Bearbeitung ein. Der FDP-nahe Pastorensohn hatte zwar 1987 eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Ersatzpflichtfach Ethik mit abgewiesen, profilierte sich aber in diesem Verfahren laut Insider-Informationen als Verfechter einer größeren weltanschaulichen Neutralität in der Schule.
Der Beschluß stellt eine schallende Ohrfeige für das Regensburger Verwaltungsgericht und den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof dar, die das Anliegen der Kläger als abwegig abgetan hatten. Der Familienvater war sogar zwölf Tage lang zur psychiatrischen Untersuchung in einem Nervenkrankenhaus festgehalten worden. Einem in gleicher Sache klagenden Ehepaar aus Rheine war die Gewährung von Prozeßkostenhilfe wegen angeblich "fehlender Erfolgsaussicht" verweigert worden. (MIZ-Eigenmeldung)
-
Daß längst nicht alle unter den 125.000 Dauerteilnehmern (6.000 weniger als 1993) aus religiösem Interesse auf den Kirchentag kommen, wurde diesmal statistisch untermauert: Jeder neunte Teilnehmer gehörte keiner Konfession an; nur 82 % waren evangelisch, sieben katholisch. Die geringfügige Rückgang der Teilnehmerzahl ist ausschließlich auf das geringere Interesse der jüngeren Generation zurückzuführen: Nur noch 52 % waren unter 30 Jahre alt; 1993 waren es noch 61 %.
Ein beträchtlicher Teil der sich äußernden Theologen, Journalisten und Besucher meinte, die Mammutveranstaltung habe mit Kirche und Glauben nur noch wenig zu tun, sondern sei eher ein "Markt der Beliebigkeit". (Rheinischer Merkur, 23.6.95; Sonntagsblatt, 23.6.95; vgl. auch MIZ 3/93, Meldung 1789)
Anm. MIZ-Red.: Religionssoziologen erklären das scheinbar erstaunliche Phänomen, daß die "liberalere" evangelische Kirche wesentlich stärker unter Auszehrung leidet als die viel autoritärere katholische, mit ihrer stärkeren Tendenz zur Beliebigkeit. Während die Catholica zumindest ein klares religiöses Profil anbietet, präsentiert sich die evangelische weithin als "Gemischtwarenladen" mit Debattierklub, kleiner sozialer Nische, Kontaktbörse sowie als Veranstalter folkloristischer Familienfeiern zu Geburt, Erwachsenwerden, Heirat und Tod. Kein Wunder, daß da so manchem Gläubigen und erst recht den Taufscheinmitgliedern viel schneller auffällt, wie ungünstig das Preis-Leistungs-Verhältnis angesichts der immensen Kirchensteuern geworden ist.
-
Die Pille oder andere Mittel zur Empfängnisverhütung werden strikt abgelehnt; dabei distanziert sich der Katechismus sogar ausdrücklich von der als weltoffener aufgefaßten "Königsteiner Erklärung" der Bischofskonferenz von 1968: "Leider ist sie - entgegen ihrem Wortlaut - oft als Gegen-Instanz ... ausgelegt und vielfach auch zur Bekämpfung der kirchlichen Lehre über die Empfängnisregelung mißbraucht worden."
Zur Homosexualität wird der blumig verklausulierte Satz des Weltkatechismus wiederholt: Homosexuelle "sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen."
Bewußte und freiwillige Selbsttötung, auch aus hohen ethischen Motiven, gilt als unerlaubt. Hingegen schließen die Bischöfe die Todesstrafe als letztes Mittel des Staates nicht aus, wenn sie auch "für unser Land" zur Zeit keine Notwendigkeit dafür sehen. In der Gentechnologie erklären die Bischöfe eine Anwendung bei Pflanzen und Tieren sowie an menschlichen Körperzellen als sittlich erlaubt.
Auch von Toleranz gegenüber Nichtreligiösen ist nichts zu bemerken. Als "Sünde" gilt ausdrücklich, einen "Humanismus ganz ohne Gott" zu vertreten.
Mit bemerkenswerten Ausführungen schloß das evangelische Sonntagsblatt (bis Ende 1994 bekannt unter dem Titel Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt) seine Analyse ab: "Spannend hätte die Lektüre des zweiten Bandes bei sozialethischen Themen werden können, dort nämlich, wo das Verhältnis Staat-Kirche berührt ist. Beim Plädoyer für die "Achtung gesellschaftlichen Eigentums" heißt es beispielsweise, daß Organisationen, die Spendengelder an der Steuer vorbeimanövrieren, unsittlich handeln. Kein Wort davon, daß die Kirche aufgrund ihrer privilegierten Stellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Steuern zahlt und hohe Kirchenleute wie Bischöfe und Domkapitulare - trotz jährlicher Steuereinnahmen von acht Milliarden Mark - vom Staat besolden läßt, und dies aus einem Steuertopf, in den auch jene einzahlen, die nicht einmal Kirchenmitglied sind." (Augsburger Allgemeine, 22.6.95; Frankfurter Rundschau, 22.6.95; Sonntagsblatt, 30.6.95)
-
Die Kirche war 1900 auf Kosten des sächsischen Hofes errichtet worden und wurde je zur Hälfte von den beiden Großkirchen genutzt. Wie überflüssig das Bauwerk ist, zeigt sich schon an der Tatsache, daß im evangelischen Teil seit über 30 Jahren kein Gottesdienst mehr stattgefunden hat. (Sonntagsblatt, 30.6.95)
-
Auch die Zahl der evangelischen Theologiestudenten ist seit Ende der achtziger Jahre um 40 % geschrumpft. Als Hauptursache wurde die sinkende gesellschaftliche Akzeptanz der Kirche genannt. (Weltbild, 7.7.95; KNA, 3.8.95; Frankfurter Allgemeine, 1.4.95; vgl. auch MIZ 1/89, Meldung 1103).
-
Zum Teil hat die Kirche damit auch Erfolg: In Großrudestedt (Thüringen) gewährten die Gemeinde 120.000 und der Kreistag 100.000 DM Zuschuß für die Renovierung eines Kirchturms, dessen Subventionierung die Denkmalbehörde abgelehnt hatte. Die Kirchengemeinde selbst beteiligte sich mit ganzen 35.000 DM, erhielt aber weitere 30.000 DM über das Landwirtschaftsministerium aus Lottomitteln. (Frankfurter Allgemeine, 7.4.95; Weltbild, 7.7.95; Thüringer Allgemeine, 9.6.95; vgl. auch MIZ 2/95, Meldungen 2082 und 2104, und MIZ 1/95, Meldung 2046)
-
Jährlich gehen etwa 30 einschlägige Anzeigen bei der deutschen Justiz ein, von denen aber nur etwa ein Fünftel zur Aufnahme eines Verfahrens führt. Davon endet wiederum die Mehrheit mit einem Freispruch.
Die beiden großen Kirchen lehnten den Vorstoß der Grünen ab. Der § 166 StGB diene dazu, Fairneß und Anstand zu fördern; die EKD meinte, das "tief im Menschen verwurzelte religiöse Empfinden" sei ein Rechtsgut, das gesetzlich geschützt werden müsse. Das Gesetz gelte zudem nicht nur für die Kirchen, sondern auch für die anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. (Anm. MIZ-Red.: Genau diese Behauptung erwies sich nach allen bisherigen Erfahrungen als sachlich falsch: Keine einzige Verunglimpfung von nichtreligiösen Organisationen wurde bisher strafrechtlich verfolgt!)
Noch wesentlich polemischer fielen die Stellungnahmen der Unionsparteien aus, die durchweg den Eindruck erweckten, als ob damit die Religion der Verunglimpfung preisgegeben sei. CDU-Sprecher Kiefer sprach von einer "Attacke auf die Gefühle christlicher Menschen", der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Oswald stellte den "Frontalangriff" auf religiöse Gefühle als Teil eines "Entkriminalisiserungs-Feldzugs" der Grünen dar, mit dem sie Ladendiebstähle, Schwarzfahren und Drogenvergehen ungeahndet lassen wollten; nun machten sie nicht einmal mehr vor den Kirchen halt. Die Justizministerin enthielt sich zwar solcher Töne, lehnte eine Änderung aber ebenfalls ab.
Die Grünen wollen allerdings nicht locker lassen. Sie sehen die Initiative nur als ersten Schritt zur konsequenten Trennung von Staat und Kirche. Die Abschaffung des staatlichen Kirchensteuereinzugs und die Neuordnung von Militärseelsorge und Religionsunterricht sollten folgen. (Frankfurter Rundschau, 27.7.95; Frankfurter Allgemeine, 27.7.95; Süddeutsche Zeitung, 30.7.95; Welt am Sonntag, 30.7.95)
Italien
-
Die italienische Bischofskonferenz kommentierte diese Änderung hin zu einer stärkeren Trennung von Staat und Kirche bisher nicht. Der Vatikan ließ sogar mitteilen, daß er zu Entscheidungen des italienischen Staates keine Stellung nimmt. Ob dies auch für Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts gilt, bleibt abzuwarten (vgl. Meldung 2146).
-
Unter den 2,8 Mio. Einwohnern Roms sind 35.000 islamischen Glaubens. (Süddeutsche Zeitung, 22.6.95; Sonntagsblatt, 30.6.95)
-
Bereits vor vier Jahren hatte ein Pfarrer die Delikte angezeigt, doch blieben die Behörden erst einmal zwei Jahre untätig. Nun ließen sich die Ermittler weitere zwei Jahre Zeit, und ein Anklagetermin steht immer noch nicht fest. (Associated Press, 16.7.95; vgl. MIZ 1/94, Meldung 1903)
Niederlande
Österreich
Polen
-
Nach massiven öffentlichen Protesten jüdischer Organisationen, des PEN-Clubs, des parlamentarischen Ombudsmannes Zielinski sowie zahlreicher Intellektueller und Journalisten entschuldigte sich ein Teil der Bischöfe, ohne sich aber ausdrücklich vom Inhalt zu distanzieren. Präsident Walesa hingegen blieb zunächst stumm und fand sich erst auf diplomatische Proteste Israels und der USA hin zu einer ganz pauschalen Verurteilung des Antisemitismus bereit. Zwei Wochen später entschuldigte sich auch Pfarrer Jankowski selbst, wonach sein Danziger Erzbischof auf Disziplinarmaßnahmen verzichtete.
Durch die Affäre schwächte Walesa seine angeschlagene Stellung weiter; schon vorher war klar, daß er zur erneuten Präsidentschaftskandidatur gegen die erstarkten Liberalen und Sozialisten dringend auf die Hilfe der Kirche und speziell des Papstes angewiesen ist. (Süddeutsche Zeitung, 29.5., 22.6., 6. u. 30.7.95; Kinzigtal-Nachrichten, 19.6.95)
Rußland
-
Kurz nach dieser "heiligen Mission" flammten die Kämpfe in Bosnien und im kroatischen Grenzgebiet in einer seit drei Jahren nicht mehr gekannten Heftigkeit wieder auf.
Schweiz
-
Kirchenrechtler wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Zölibat Priestern nur die Ehelosigkeit zwingend gebiete, während eine Mißachtung der sexuellen Enthaltsamkeit lediglich eine verzeihliche Sünde sei.
Serbien
Tschechien
-
Aktiv waren beim Papstbesuch nur die Hussiten, die gegen frühere katholische Greueltaten und gegen die Heiligsprechung von Jan Sarkander protestierten, der als fanatischer Vertreter einer "willkürlichen Rekatholisierung des Landes" (so der Vorsitzende des tschechischen ökumenischen Kirchenrates) gilt. Das Konfessionskundliche Institut der EKD sieht deshalb sogar die Ökumene "ramponiert", weil Sarkander ein "Vertreter schlimmster Katholisierung in den Zeiten blutiger Gegenreformation" gewesen sei.
Die katholische sudetendeutsche Ackermann-Gemeinde resümierte: "Die Tschechen zählen zu den am wenigsten religiösen Völkern Europas. Am zweiten Papstbesuch interessiert die Bevölkerung vor allem, was er sie kostet." Selbst Erzbischof Vlk stellte fest: "Die Kirche gilt heute als der Feind des Volkes." Maßgeblich dazu beigetragen haben die Forderungen der Kirche nach Rückgabe von Grundstücken und anderen materiellen Gütern, die von der Bevölkerung als "Habgier" aufgefaßt werden. So wollen zwei Drittel der Tschechen, daß der Prager Veitsdom in der Hand des Staates bleibt. (Tagesthemen ARD, 20. u. 21.5.95; Süddeutsche Zeitung, 20.5.95; Sonntagsblatt, 2.6.95; Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde Juli/August 1995)
Ukraine
Vatikan
-
Zur Moral-Enzyklika kommentierte die SZ: "Noch nie hat die Kirche in so massiver Weise Regierungen und internationale Organisationen angegriffen und die Gläubigen zum Widerstand aufgerufen. Dennoch ist sehr fraglich, ob viele Katholiken, vor allem die christlichen Politiker, dem Papst in seiner Aufforderung zum "Einspruch aus Gewissensgründen" Folge leisten werden. Auch im Vatikan fragen sich manche, ob die ständige Wiederholung der bekannten Positionen überhaupt der Sache nützt." (Süddeutsche Zeitung, 1.4.95)
Nordamerika
USA
-
Zwar gibt es in den USA über 1500 verschiedene Religionsgemeinschaften, aber nur 19 % der Erwachsenen (= 36 Millionen) sind praktizierende Gläubige. Nur 20 % der Protestanten und 28 % der Katholiken gehen sonntags tatsächlich zur Kirche, während eine doppelt so hohe Quote dies den Meinungsforschern gegenüber behauptet. Die Tatsache, daß 50 % der angeblichen Gottesdienstbesuchern zu einer Lüge greift, belegt indes, daß die Minderheit der religiös Gebundenen infolge ihres höheren Organisationsgrades eine weit überproportionale Macht ausübt.
Im Bildungsgrad unterscheiden sich Konfessionslose, von denen 24 % einen College-Abschluß vorweisen können, nur wenig von Protestanten (23 %) und Katholiken (20 %), doch liegt der Anteil bei engagierten Nichtreligiösen deutlich höher. An der Spitze stehen Unitarier (in Europa mit den Freireligiösen vergleichbar), amerikanische Hindus und Juden mit 49,5 bzw. 47 und 46 %. (Freidenker Schweiz 8/95; Newsweek, 29.11.93; vgl. auch MIZ 2/95, Meldung 2116, und MIZ 2/94, Meldung 1946)
Lateinamerika
Argentinien
-
Die gleiche Zeitung hatte eine Woche zuvor auch schwere Vorwürfe gegen den damaligen Apostolischen Nuntius und heutigen Kurienkardinal Pio Laghi erhoben. Die Nuntiatur sei detailliert über die Geschehnisse in den Folterzentren informiert gewesen, ohne dagegen vorzugehen. Auch die "Mütter der Plaza de Mayo" prangerte das "wissende Schweigen" des Klerus während der Diktatur an. Auf einem "Volkstribunal" der Menschenrechtsorganisation verlas Rechtsanwalt Antonio Rojas Molinas eine lange Liste mit Namen katholischer Geistlicher, die "die Foltermethoden rechtfertigten oder verschleierten". (Sonntagsblatt, 21.4.95; Süddeutsche Zeitung, 6.5.95)
Anm. MIZ-Red.: Selbst das Eingeständnis des selbstkritischeren Bischofs Hesayne bleibt noch weit hinter den Recherchen zurück, die bereits vor Jahren veröffentlicht worden waren. Danach hatten Geistliche und sogar Bischöfe aktiv zugunsten der Militärs eingegriffen und die Folterer mehr oder weniger direkt unterstützt. Bezeichnenderweise war Argentinien bis 1988 der letzte Staat auf dem gesamten amerikanischen Kontinent mit enger Verbindung von Staat und Kirche, was sich die Militärjunta prompt zunutze machte (vgl. auch MIZ 1/85, Meldung 651, MIZ 2/87, Meldung 972, und MIZ 1/89, Meldung 1139).
El Salvador
Peru
Afrika
Uganda
-
Anm. MIZ-Red.: Allein im Alten Testament finden sich mehr als 1000 Passagen, in denen vom biblischen Gott Brutalität gegenüber Andersgläubigen bis hin zum Völkermord befohlen werden (vgl. zu den Details das Standardwerk von Prof. Buggle Denn sie wissen nicht, was sie glauben). Bei allem Abscheu kann man dieser Sekte eines nicht absprechen: konsequente Bibeltreue.