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(431) Sep 1981. "Ich überlegte kurz, kniete nieder und betete drei Tage lang. Dann kam die
Erleuchtung." So schilderte vor dem Landgericht Deggendorf der Zisterzienser-Pater Sauer (66) den Beginn seiner "Spendenaktion
für Vietnam" 1974, die bis zu seiner Verhaftung 1980 rund 2,9 Mio Mark von meist älteren Spendern brachte. Von diesem Geld soll
der Geistliche laut Anklage rund 380.000 Mark für sich verwendet und etwa 900.000 Mark an Bekannte sowie an 18 von ihm
verführte Jungen im Alter zwischen neun und 16 Jahren und deren Eltern verschenkt haben. Mit Bettelbriefen von Mitbürgern und
hilfesuchenden entlassenen Häftlingen begründete Sauer die Verwendung des Spendengeldes. Er habe allein 8000 Mark für
Reitpferde für die Familie eines von ihm bevorzugten Buben aufgewendet. Dieser Familie in Gotteszell soll der Pater 374.000
Mark geschenkt haben. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 22. September 1981.)
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(432) Sep 1981. Vor der Vollversammlung der katholischen westdeutschen Bischofskonferenz in Fulda
hat Kardinal Höffner das "Gleichgewicht des Schreckens" als "Tragik der Zeit, in der wir leben", bezeichnet. Dieses
Gleichgewicht hätte bisher einen dritten Weltkrieg verhindert, sei jedoch auch "gefährlich und zerbrechlich". Es diene dem
Frieden nicht, wenn revolutionären Bewegungen Gewalt empfohlen werde. Höffner forderte eine von allen anerkannte Weltautorität,
um eine Katastrophe aus dem Rüstungswettlauf zu verhindern. Die Neutronenwaffe und andere Atombomben seien "abzulehnen". (Vgl.
Tagesspiegel vom 26. September 1981)
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(433) Sep 1981. Vermutlich als erstes Gericht der BRD hat das Verwaltungsgericht Freiburg
entschieden, daß auch ein religiös motiviertes Verhalten zu Zweifeln an der Verfassungstreue eines Beamtenbewerbers berechtigt.
Betroffen ist eine katholische Lehramtsbewerberin, der die Übernahme in das Beamtenverhältnis verweigert wurde. Die 27-jährige
Frau hatte es abgelehnt, eine Belehrung und Erklärung zur Verfassungstreue zu unterschreiben, und dies damit begründet, daß sie
nur gegenüber Gott eine unbedingte und uneingeschränkte Treueverpflichtung eingehen könne. Damit bot die Klägerin nach Ansicht
der Kammer nicht die Gewähr, sich "jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung" einzusetzen. Ihr Vorbehalt, für
diese nur insoweit einzutreten, als dies mit ihrer religiösen Überzeugung vereinbar sei, berechtige zu Zweifeln an der
Verfassungstreue. Das Verwaltungsgericht wies auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach der Staat auf
eine uneingeschränkt loyale Beamtenschaft angewiesen sei. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 30. September 1981.)
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(434) Okt 1981. Der katholische Kirchenrechtler Horst Herrmann hat die ihm vom Kirchenrecht
auferlegte Ehelosigkeit aufgegeben und sich damit selbst exkommuniziert. Bereits 1975 hatten die Bischöfe dem Münsteraner
Professor die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen, weil er unter anderem in mehreren Büchern die katholische Ehelehre, das
autoritäre römisch-katholische Lehramt und das enge Verhältnis von Staat und Kirche in der BRD kritisiert hatte. In einem
Spiegel-Interview (Nr. 41 vom 5. Oktober 1981) beschreibt Herrmann sein heutiges Verhältnis zur Kirche wie folgt: "Ich war
ursprünglich einmal davon überzeugt, daß nichts die Menschen so verbessern könnte wie die Kirche. Aber im Laufe der Jahre habe
ich gemerkt, daß nichts so ungeeignet zur Verbesserung der Menschheit ist wie die Kirche ... Statt ein Sammelbecken für
menschliche Entfaltung und Befreiung zu sein, terrorisiert die Kirche ihre Mitglieder mit selbstgestrickten Zwängen und
Schranken, die schon viele Menschen kaputtgemacht haben ... Kirche bleibt Kirche, das ist mir mittlerweile klargeworden. Es
sind ja nicht nur ein paar Bischöfe, die sich ändern müßten. Die Struktur der Kirche ist unmoralisch. Eine Kirche, die vorgibt,
ihre Autorität und Wahrheit von Gott persönlich zu beziehen, ist eben ein Unding. Das muß zu Unmenschlichkeiten führen ... Sie
bleibt natürlich vor viele so eine Art Tabernakel des Unterbewußten, des Religiösen. Aber da leistet sie nicht mehr als ein
afrikanischer Medizinmann. Für die Menschheit wäre es heilsamer, wenn diese Kirche so schnell wie möglich absterben würde ...
Sehen Sie sich Johannes Paul II. an. Der ist doch nur eine Wunderkerze, die schon über die Hälfte abgebrannt ist. Nehmen Sie
nur seine Haltung zum Zölibat. Bis zu Papst Wojtyla hielt die Kirche zwar am Zölibatsgesetz fest, ließ aber die Laisierung
wenigstens bei dem zu, der darum bat. Der Menschenrechtspapst Wojtyla dagegen läßt nicht einmal so viel zu. Nur noch ganz
wenige Laisierungsanträge werden genehmigt. Priester sind also jetzt mehr noch als zuvor gezwungen, den Zölibat faktisch zu
unterlaufen, etwa in Form einer heimlichen Liaison ... Was Religion ist, weiß ich längst nicht mehr so genau wie früher. Ich
fühle mich als Mensch. Mich interessiert nicht mehr so sehr das Jenseits oder Gott, eher die Frage: Wie mache ich meiner Umwelt
das Leben erträglicher? Wenn es einen Gott gibt, den das freut, dann soll's mir recht sein ... Mein Leben wäre ohne einen
Glauben an Gott angenehmer. Aber ich kann auch nicht sagen, daß ich völlig in die Tiefe stürzte, wenn ich den Glauben nicht
mehr hätte ... Als Professor für Institutionenlehre unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte, des Rechts und der
Soziologie religiöser Institutionen werde ich die Kirche mit milder Distanz behandeln. Im übrigen werde ich meine
antikirchliche Tätigkeit künftig auf das Lesen der Heiligen Schrift beschränken."