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(446) Okt 1981. Johannes Paul II. fühlt sich seinem Amt als Kirchenoberhaupt nicht mehr gewachsen
und trägt sich mit Rücktrittsabsichten. Gegenüber Vertrauten äußerte der 61 jährige Papst, seit dem Attentat sei er nicht mehr
der, "der ich vorher war". Konservative Vatikan-Beamte versuchen seit Wochen, Johannes Paul von seinem Plan abzubringen. (Vgl.
Der Spiegel Nr. 46/81, S. 14.)
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(447) Okt 1981. Johannes Paul II. ernannte seinen "Reisemarschall" und Finanzstrategen, Bischof
Paul C. Marcinkus, zum Leiter der "Päpstlichen Kommission für den Staat [?] der Vatikanstadt". Bereits seit 1971 ist Marcinkus
Präsident des vatikanischen "Instituts für die religiösen Werke"(Instituto per le Opere di Religione, IOR) und damit
verantwortlich für die "Bewahrung und Verwaltung der für die religiösen Werke bestimmten Gelder". Der am 15. Januar 1922 in
Cicero/USA geborene, 1969 zum Bischof geweihte Doktor des Kirchenrechts verfügt über vorzügliche Beziehungen zur
internationalen Finanzwelt - bis hin zu den Rockefeller und der Mafia. In der Affäre um den sizilianischen Bankier Sindona
spielte der US-Bischof eine mehr als zwielichtige Rolle. (Vgl. MIZ Nr. 3/81: Heiliger Stuhl und blutige Dollars; FAZ vom 16.
Oktober 1981)
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(448) Okt 1981. Bis Ende Oktober tagte in Rom das "Kirchenplenum der 74" - 55 Kardinäle und 19
Bischöfe aus aller Welt. Es sind Experten des kanonischen Rechts, die dem Papst ihre Vorschläge für die seit vielen Jahren
überfällige Kirchenreform unterbreiten. Das Kirchenplenum stand unter Leitung von Kardinal Pericle Felici, der die Arbeit von
fast zwanzig Jahren zu Ende bringen soll. Am 28. März 1963 hatte Johannes XXIII. die Kommission für die Revision des
Kirchenrechts ins Leben gerufen. In aller Stille ist 1979 ein Entwurf des neuen kanonischen Rechts, des Codex Iuris Canonici,
an alle Bischöfe zur Stellungnahme abgeschickt worden. Als bekannt wurde, daß der neue Codex einen möglichen Rücktritt des
Papstes von seinem Amt vorsieht, wurde die römische Kurie in Alarmbereitschaft versetzt. Seit Ende 1979 liegen die umstrittenen
86 Bestimmungen des neuen Kirchenrechtsentwurfs auf dem Tisch von Wojtyla, ohne daß der Papst bisher eine Entscheidung gefällt
hätte. Das neue kanonische Recht wird erst Kirchengesetz, wenn der Papst seine Zustimmung gegeben hat. Kommentar der
Stuttgarter Zeitung vom 29. Oktober 1981: "Wo der alte Codex Iuris Canonici Rom und nichts weiter in den Mittelpunkt stellte,
bemühen sich die neuen Normen, Freiraum zu lassen für die Nationalkirchen, ihren Klerus und das vom Konzil aufgerufene Volk
Gottes. Dem Recht der Person gilt die volle Aufmerksamkeit, Strafnormen werden überarbeitet, gemildert, begrenzt. Das Fallbeil
der Exkommunikation fällt nur noch selten, selbst dann nicht, um ein Beispiel zu nennen, wenn ein Mitglied der
Kirchengemeinschaft ein Kind abgetrieben hat. Im Eherecht besteht die Hoffnung einer Wende zugunsten der Menschlichkeit.
Während bisher der nichts weiter als technische Vorgang des Geschlechtsakts die Rechtmäßigkeit einer Ehe gründete, schafft die
Kommission nun den Begriff des Rechts auf Lebensgemeinschaft."
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(449) Nov 1981. Vollständige Religionsfreiheit in Iran und freie Betätigung der katholischen
Minderheit in dem islamischen Land forderte Johannes Paul II. anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens durch den
neuen iranischen Botschafter beim Vatikan. In den vergangenen Jahren waren ein Erzbischof und 40 Ordensangehörige aus dem Iran
ausgewiesen sowie kirchliche Schulen geschlossen worden. Der iranische Botschafter forderte den Vatikan seinerseits zur
Kooperation bei den "gemeinsamen Anstrengungen zur Verwirklichung von Menschlichkeit und Gerechtigkeit" auf. (Vgl. Augsburger
Allgemeine vom 16. November 1981.)
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(450) Dez 1981. Im Jenseits wird es nach Auffassung des Papstes weder Ehe noch Fortpflanzung geben.
Allerdings werden Männer und Frauen ihre sexuellen Unterschiede laut Johannes Paul II. auch dort beibehalten, weil die
Wiederauferstehung die psychosomatische Natur des Menschen nicht verändere. Das Jenseits sei die endgültige Vervollständigung
des menschlichen Geschlechts. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 4.Dezember 1981.)
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(451) Dez 1981. Der Vatikan bleibt im internationalen Geschäft. Seit der Sindona-Affäre hat er die
Tendenz erkennen lassen, sich aus der italienischen Geschäftswelt zurückzuziehen und sein Geld in Staaten mit gut florierender
Wirtschaft zu investieren, so in USA, Schweiz, Japan, Frankreich, Kanada und BRD. Ob sich die vatikanischen Spekulanten
allerdings auch aus den Wirtschaftszweigen zurückgezogen haben, die die Kirche ins Gerede bringen könnten, erscheint
zweifelhaft. Ebenso unwahrscheinlich ist es, daß keine vatikanischen Anteile mehr in der pharmazeutischen Industrie stecken,
die bekanntlich mit empfängnisverhütenden Mitteln gute Geschäfte macht. Noch abenteuerlicher mutet die Version an, die
katholischen Anlageexperten würden es vermeiden, in einem Unternehmen die Mehrheit der Anteile zu erwerben, um sozialen
Konflikten aus dem Wege zu gehen. Glaubwürdiger dagegen ist die Meldung, der Vatikan ziehe sich aus dem Immobiliengeschäft
zurück, seit in vielen italienischen Städten Kommunisten und Sozialisten regieren. (Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 30.Dezember
1981.)
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(452) Jan 1982. Im Himmel seien Mann und Frau, anders als auf Erden, beide Engel und zudem
gleichberechtigt. Wie Johannes Paul II. während einer Audienz feststellte, würden sie dort eher geistige als körperliche
Erfüllung finden. Die Menschen würden zwar ihr Leben nach dem Tod in Gestalt von Mann und Frau führen, aber es gäbe dort weder
Heirat noch Zeugung. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 14. Januar 1982.)
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(453) Jan 1982. In einer Ansprache vor der Rota, dem vatikanischen Gerichtshof, bekräftige Johannes
Paul II. die "Unauflösbarkeit" der Ehe. Das II. Vatikanische Konzil habe die Ehe als ein "Band der Liebe" bezeichnet, die aber
nicht auf eine vorübergehende gegenseitige Anziehung, auf "erotische Empfindungen, sexuellen Trieb, ein Gefühl der Zuneigung
oder einfach auf Lebensfreude" reduziert werden dürfe. Nach dem Plan Gottes finde die Ehe ihre Erfüllung in der Familie. (Vgl.
Süddeutsche Zeitung vom 30.Januar 1982.)
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(454) Feb 1982. Mit einem Kredit der katholischen Kirche in der BRD in Höhe von rund 3,5 Mio Mark
(!!) will der Vatikan den Bau eines atombombensicheren Bunkers für wertvolle Dokumente unter dem Amtssitz des Papstes
finanzieren. In dem 600 Quadratmeter großen und sechs Meter unter der Erde liegenden Bunker sollen 70.000 Manuskripte und über
eine Million Bücher eingelagert werden. Der Kredit soll durch Reproduktion und Verkauf alter Dokumente zurückgezahlt werden.
Pro Reproduktion will der Vatikan rund 19.000 Mark verlangen. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 23. Februar 1982.)
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(455) Mrz 1982. Die vatikanische Kongregation für den Klerus hat allen Priestern verboten, sich in
Gewerkschaften zusammenzuschließen. Zur Begründung heißt es, Priester dürften ihre Tätigkeit nicht zu einem einfachen "Beruf"
herabwürdigen und sich selbst als "Arbeitnehmer" sowie ihren Bischof als "Arbeitgeber" sehen. Auch der Zusammenschluß des
Klerus in politischen Organisationen wird von der Kongregation untersagt. Das gelte auch, wenn diese Vereinigungen nach außen
als Organisationen für humanitäre Zielsetzungen, für den Frieden oder sozialen Fortschritt auftreten. Solche Zusammenschlüsse
säten nur Spaltung und Zwietracht unter das Kirchenvolk. Wie aus Vatikankreisen verlautete, zielt das Verbot gewerkschaftlicher
Organisierung vor allem auf italienische Geistliche, die derartige Zusammenschlüsse bildeten und von ihren Kirchenoberen
Alterspensionen und andere soziale Leistungen verlangten. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 10. März 1982.)
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(456) Mrz 1982. Vor der endgültigen Fertigstellung des neuen kanonischen Rechts, des überarbeiteten
"Codes Iuris Canonici", verstarb der Leiter der Reformkommission, Kurienkardinal Pericle Felici, im Alter von 70 Jahren im
Vatikan.