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(466) Jan 1982. Eine 24jährige Krankengymnastin kann ihre Arbeit mit körperbehinderten Kindern in
den Rummelsburger Anstalten des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche nicht fortsetzen, weil sie aus der Kirche
ausgetreten ist. Bei den Anstalten handelt es sich um einen sogenannten Tendenzbetrieb. Die Gewerkschaft ÖTV stellte dazu fest,
man bemühe sich seit Jahren vergeblich, die Arbeitsverträge mit der Kirche zu ändern. Der Tendenzschutz sei derart massiv, daß
Betroffene bei Anrufung des Arbeitsgerichts in den meisten Fällen abgewiesen würden. Im Paragraph 1 der
Arbeitsvertrags-Richtlinien heiße es ausdrücklich, daß die Mitarbeiter den Auftrag der Diakonie bejahen und Mitglied einer
Kirche sein müssen, argumentiert dagegen die Anstaltsleitung. Man dürfe im Fall der Krankengymnastin auch nicht außer acht
lassen, daß die meisten Kranken und Behinderten in den Rummelsburger Anstalten eine christliche Pflege suchten, und die
Angestellten hätten darauf Rücksicht zu nehmen, daß man zum größten Teil von Kirchensteuergeldern lebe. (Vgl. Süddeutsche
Zeitung vom 5. Januar 1982.) Anmerkung der MIZ-Redaktion: Die großen Kirchen geben im Durchschnitt nicht einmal 12 Prozent
ihrer Kirchensteuereinnahmen für soziale Zwecke aus. Deshalb kann überhaupt keine Rede davon sein, daß eine kirchliche
Institution wie die Rummelsburger Anstalt "zum größten Teil von Kirchensteuergeldern lebt"!
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(467) Jan 1982. Mit falschen Quittungen verschaffte die katholische Steyler Mission finanzstarken
Spendern Gelegenheit, Steuern zu hinterziehen. Am Sitz des niederdeutschen Provinzialats der Steyler Pater in St. Augustin bei
Bonn zahlten Bundestagsabgeordnete und Finanzmanager Millionenbeträge ein. 80 Prozent davon flossen wie vorher vereinbart über
dunkle Auslandskanäle an die "Spender" zurück, bis zu 10 Prozent wurden dem Zuwender als Provision vergütet, und 10 Prozent von
der Gesamtsumme flossen in die Kassen der frommen Brüder. "Wieder mit drin", so der Spiegel, hängt Eberhard von Brauchitsch,
persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter der Friedrich Flick KG und bis vor kurzem noch Anwärter auf den
Präsidentenposten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Den Managern der Kirche und der Industrie kamen nicht nur
die Steuervergünstigungen von bis zu 51 Prozent für den angeblich gespendeten Gesamtbetrag zugute, sondern auch noch die
geheimen Rückflüsse in Höhe von 80 Prozent Ihrer Spenden. "Nach vollbrachter Wohltat waren alle reicher denn zuvor der Spender,
der Ordensmann (Steyler Pater Josef Schröder) und auch Vermittler Löhr" - letzterer ist CDU-Bundestagsabgeordneter. Die Flick
AG soll "von 1965 bis 1970 und dann wieder ab 1973 unter Verantwortung des Gesellschafters von Brauchitsch in einem Zeitraum
von zehn Jahren insgesamt zehn Millionen Mark gespendet haben, wovon acht Millionen unterderhand wieder an den Flick-Konzern
zurückgezahlt" worden seien. (Zitiert nach Spiegel Nr. 2/82 vom 11. Januar 1982.)
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(468) Jan 1982. Der Münchner Jesuitenpater Hans Bischlager (33), der seinen Austritt aus dem Orden
beantragt und seinen Abschied vom Priesterstand angekündigt hat, lastet seiner Kirche ihre negative Haltung zur
Friedensbewegung an. "Die Amtskirche ist mit einer der schärfsten Gegner der Friedensbewegung", was laut Bischlager "keine
persönliche Laune von Kardinal Ratzinger" sei. Ratzinger hatte dem Jesuiten das Lesen der Messe untersagt, nachdem er am 21.
Juni 1981 zusammen mit Mitgliedern der Initiative "Ohne Rüstung leben" zum Jahrestag des deutschen Einmarsches in die
Sowjetunion einen Gottesdienst auf dem Münchner Marienplatz gehalten hatte. Dabei trugen er und andere Teilnehmer symbolische
Bußgewänder aus Jute. Sein Oberhirte sah darin eine ärgerniserregende Verletzung kirchlicher Riten und einen "Mißbrauch des
Neuen Testaments zu politischen Zwecken". Dabei wäre die inkrimierte Meßfeier womöglich folgenlos geblieben, hätte sie nicht
die erzbischöfliche Pressekonferenz als lästerlichen Mummenschanz denunziert. (Vgl. Der Spiegel Nr. 2/82 vom 11.Januar 1982,
Augsburger Allgemeine vom 14.Januar 1982.)
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(469) Jan 1982. Gewerkschaftsbeauftragte haben kein Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen. Mit
dieser Entscheidung zu sieben von der Gewerkschaft ÖTV angestrengte Verfahren revidierte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in
Kassel ein eigenes, anderslautendes Urteil vom Februar 1978 (Aktenzeichen: 1 AZR 279/81 vom 19. Januar 1982). Das höchste
Arbeitsgericht der BRD sah sich dazu veranlaßt, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVG) einer Beschwerde gegen das erste
BAG-Urteil stattgegeben hatte. - Das BAG hatte in seinem ersten Urteil ein Zutrittsrecht von Gewerkschaftsvertretern zu
kirchlichen Einrichtungen und damit zur Betreuung von Gewerkschaftsmitgliedern und das Verteilen von Flugblättern in solchen
Einrichtungen bejaht. Grundlage dafür sei - so das BAG - Artikel 9/Absatz 3 des Grundgesetzes. - Dagegen hatten die beklagten
Orthopädischen Anstalten Volmarstein (vgl. MIZ Nr. 2/82, S. 20f.) Verfassungsbeschwerde eingelegt und Recht bekommen. Das BVG
hob am 17. Februar 1981 die BAG-Entscheidung auf, weil sie die kirchliche Autonomie nach Artikel 140 Grundgesetz verletze. Im
Gegensatz zum BAG war das BVG der Auffassung, ein Zutrittsrecht sei aus dem Grundgesetzartikel über das Koalitionsrecht nicht
abzuleiten.(Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 21. Januar 1982.)
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(470) Jan 1982. Zu einem Auftritt Rudolf Bahros vor der Bhagwan-Sekte Ende November 1981 im
Westberliner ICC nahm MIZ-Redakteur Martin Pfeiffer in einem Leserbrief an die Frankfurter Rundschau Stellung: "Rudolf Bahro,
der Autor der 'Alternative', im Kreise der Jünger des Gottes (Bhagwan) - das verblüfft ... Wenn Bahro den Rajneesh-Anhängern
vorwarf, ihren Kopf zu wenig zu gebrauchen, so fragt man sich, warum er nicht zunächst einmal den seinen in Tätigkeit gesetzt
hat: dann hätte er erkennen können, daß der Herr aus Poona durchaus einmal einen zutreffenden Satz gesagt hat: 'Alle Debatten
sind sinnlos und dumm.' Diese Behauptung ist wahr - in Hinblick auf ihn und seine Anhänger. Woraus die Überflüssigkeit einer
Teilnahme am ICC-Spektakel zu Diskussionszwecken zwangsläufig folgt. Auch hier eine kleine Parallele: Weil der
Nationalsozialismus eine elementare Bewegung ist, darum kann man ihm nicht mit Argumenten beikommen. 'Argumente würden nur
wirken, wenn die Bewegung durch Argumente groß geworden wäre.' (W. Stapel, Christentum und Nationalsozialismus, 1931)." (Vgl.
Frankfurter Rundschau vom 25. Januar 1982.)
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(471) Feb 1982. Eine offene Diskussion über Möglichkeiten der Seelsorge angesichts eines
Atomkrieges hat eine Gruppe von Pfarrern in der Kirche von Kurhessen-Waldeck gefordert. Nach dem strategischen Konzept der NATO
werde der nordhessische Raum sowohl in einem konventionellen wie in einem atomar geführten Krieg erstes Gefechtsfeld sein,
schreibt Pfarrer Dietmar Preiß (Schenklengsfeld) im Namen des Regionalkomitees "Freiheit für Wort und Dienst in der Kirche".
"Was sollen wir tun, falls wir überleben, was den Überlebenden raten?" heißt [...] Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche
verschickt wurde. Jetzt tauche die Frage nach dem Selbstmord als letzte menschliche Möglichkeit auf - Sterbehilfe könnte letzte
diakonische Tat sein. In den Gemeinden wird dieses Problem nach Beobachtungen des Regionalkomitees bereits besprochen, auch
wenn manche die Perspektiven verdrängten.- "Wir wissen, daß einige schon Mittel zur Selbsttötung bereithalten." (Vgl.
Frankfurter Rundschau vom 26. Februar 1982.)
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(472) Jan/Feb 1982. Im Jahr 1974 kehrten 260.000 Protestanten und 85.000 Katholiken ihren Kirchen
den Rücken. In den darauffolgenden Jahren ebbte die Austrittswelle etwas ab, 1979 mußte die evangelische Kirche "nur" noch
99.000 Namen aus ihren Listen streichen. 1980 waren es dann wieder 20 Prozent mehr, exakt 119.800 Bundesbürger. In den
Millionenstädten hat Karl Rahners Wort vom "Heidenland mit christlichen Restbeständen" längst Gültigkeit: In Hamburg gehört
jeder dritte Bürger keiner Kirche mehr an. In München traten innerhalb eines Jahrzehnts 37.000 Protestanten aus. Der Anteil der
evangelischen Christen an der Bevölkerung der BRD ist in den letzten 20 Jahren von 51 auf 42 Prozent zurückgegangen. In der
Bundesrepublik gibt es nunmehr weniger Protestanten als Katholiken, deren Anteil jetzt 43 Prozent beträgt. Dagegen nimmt der
Zulauf im Fachbereich Evangelische Theologie weiter zu. Im Wintersemester 1979/80 waren über 9 000 Studenten im Fach
Evangelische Theologie eingeschrieben, fast 40 Prozent mehr als vier Jahre zuvor. Frauen sind jetzt mit mehr als 30 Prozent an
den theologischen Fakultäten vertreten. - Das Kirchensteueraufkommen der Evangelischen Kirche stieg 1980 auf 4,8 Milliarden
Mark gegenüber 4,5 Milliarden 1979. - Nach Angaben einer an der Universität Freiburg erarbeiteten Studie über "Konfession und
Wahlverhalten in der BRD" ging die Zahl der Kirchgänger zwischen 1953 und 1980 "dramatisch zurück". Erklärten 1953 noch rund 65
Prozent der über 2000 Befragten, regelmäßige oder häufige Gottesdienstbesucher zu sein, so waren es 1980 nur noch etwa 30
Prozent. Während der Anteil der regelmäßigen und unregelmäßigen katholischen Kirchgänger von 82 auf 45 Pro[...] Bereich von 53
auf 14 Prozent. Die Zahl der Protestanten, die erklärten, nie einen Gottesdienst zu besuchen, kletterte von 11 auf 55 Prozent.
Während 1953 45 Prozent der Katholiken die CDU/CSU wählten, waren es 1980 51 Prozent. Die Zahl der katholischen
SPD-Sympathisanten stieg von 18 auf 32 Prozent. Bei den evangelischen Christen sieht das Bild fast umgekehrt aus: Die Zahl der
Wähler der Unionsparteien erhöhte sich nur von 23 auf 29 Prozent, die der SPD jedoch von 24 auf 49 Prozent. Die regelmäßigen
Gottesdienstbesucher wählten in ihrer "überwältigenden Mehrheit" die Unionsparteien. In der Gruppe der regelmäßigen Kirchgänger
wuchs der Anteil der CDU/CSU-Wähler von 52 auf 70 Prozent, der der SPD-Anhänger von 11 auf 18 Prozent. Das Resümee: Je seltener
der Kirchgang, desto häufiger die Wahl der SPD. (Vgl. Schwäbische Post vom 6.August 1981; Frankfurter Rundschau vom 13.Januar
1982; Augsburger Allgemeine vom 14. Januar 1982; Frankfurter Rundschau vom 13.Februar 1982.)
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(473) Feb 1982. "Im Kampf gegen antiklerikale Medienstimmen hat die katholische Amtskirche einen
fast schon vergessenen Strafrechtsparagraphen neu entdeckt: den einst berüchtigten 'Gotteslästerungsparagraphen' § 166 StGB."
(Die Feder, Zeitschrift der IG Druck und Papier, Nr. 3/82.) In letzter Zeit wurden unter anderem Pardon-Chefredakteur Henning
Venske, neun nordrhein-westfälische Schüler- und Jugendzeitungsredakteure sowie in einem besonders spektakulären Prozeß Ende
Januar 1982 vor dem Kölner Amtsgericht der WDR-Redakteur Uli Lux und die Berliner Kabarettgruppe "Die drei Tornados" zu
teilweise recht drastischen Geldstrafen verurteilt. Sie sollen gegen § 166 StGB verstoßen haben, nach dem mit Geld- oder gar
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verurteilt wird, wer "öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des
religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden
zu stören". - Die neuesten Kampagnen wurden nach dem Papstbesuch 1980 in der BRD gestartet. Damals ereiferte sich die
Katholische Nachrichten Agentur über die "Religionsbeschimpfung als neuen Trend" bei Linken und Liberalen. Laut
Journalistenblatt 'Die Feder' verlief die kirchliche Strategie bei allen Gotteslästerungsverfahren nach "ähnlichem Muster":
"Einige Bistumsblätter kochten den Fall so lange in ihren Spalten, bis schließlich genügend Katholiken die verschreckte
Staatsanwaltschaft mit Beschwerden eingedeckt hatten." dju und Verband deutscher Schriftsteller haben gegen das
"Tornado"-Urteil (2400 Mark Geldstrafe) protestiert: "Das Urteil erinnert stark an Kaisers Zeiten". Die Humanistische Union
sieht in diesen Verfahren eine "restaurative Tendenz zur indirekten Wiedereinführung des Gotteslästerungstatbestandes". Dieser
war 1969 im Zuge der Strafrechtsreform abgeschafft worden. Die Große Koalition verständigte sich auf den Kompromiß des jetzigen
§ 166: An die Stelle der Gotteslästerung trat die Bekenntnisbeschimpfung, so daß seit 1969 weniger Gott als die großen Kirchen
gegen Kritik geschützt sind. - HU-Vorsitzender Ulrich Klug kommentiert, für den strafrechtlichen Schutz der Ehre von
christlichen und nichtchristlichen Bürgern reichten die geltenden Strafbestimmungen über Beleidigung voll aus, und mehr
benötigten weder Staatsoberhäupter oder Päpste noch religiöse Bekenntnisse oder atheistische Weltanschauungen. - Die
FDP-Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus hat in einer Pressemitteilung die ersatzlose Streichung des § 166 StGB gefordert.
Sollte das ergangene "Tornado"-Urteil durch die höheren Rechtsinstanzen bestätigt werden, wäre "dies das Ende der freien
Kunstausübung und speziell des politischen Kabaretts". (Vgl. Die Feder Nr. 3/82, S. 37; Frankfurter Rundschau vom 2. Februar
1982: taz vom 4. Februar 1982.)
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(474) Apr 1982. Wenn die katholische Kirche als Sekte bezeichnet wird, die ohne Schwierigkeiten die
"Elemente der Liebesreligion mit der Mentalität eines Killers verbindet", ist dies eine Beschimpfung der katholischen Kirche.
Sie ist aber nicht so schwerwiegend, daß dadurch der öffentliche Friede gestört wird und somit § 166 StGB zur Anwendung kommt.
Zu diesem Urteil kam die Große Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach in einem Revisionsurteil gegen den
verantwortlichen Redakteur der Jugendzeitschrift Flatter-Mann der sozialistischen Jugendorganisation "Die Falken". Nach
Auffassung des Gerichts sei es Zweck der Satire gewesen, die Tendenz von Sekten zu kontrollieren und zu beobachten, ob nicht
gegenüber kleinen Sekten etwas beanstandet werde, was man bei größeren Religionsgemeinschaften toleriere. (Vgl. Frankfurter
Rundschau vom 1.April 1982.)
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(475) Apr 1982. Die katholische Kirche lehnt die künstliche Befruchtung in der Retorte ab. In einer
Stellungnahme des Vorsitzenden der westdeutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner, heißt es, die Befruchtung in der
Retorte werde abgelehnt, weil "Ehe und eheliche Liebe durch diese Manipulation mechanisiert und entpersönlicht werden". In
Höffners Erklärung werden vier Bedenken in der "sittlichen Beurteilung" aufgezeigt. Bevor ein glücklich verlaufendes Experiment
durchgeführt werden könne, gehe bei vielen anderen Versuchen ungeborenes Leben zugrunde. An zweiter Stelle führt die Kirche an:
"Manipulation bedroht den Menschen." Es gehe hier um einen Eingriff, dessen "Ausweitung und Mißbrauch nicht abzusehen" seien.
Die Befruchtung in der Retorte stelle einen "Einbruch in das elterliche Vertrauensverhältnis" dar. In der
"menschlich-personalen Sinn-Einheit" müsse das Kind die "Frucht der leib-seelischen Liebesbegegnung" der Gatten sein und nicht
das "Produkt der Manipulation in der Retorte". (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 22. April 1982.)
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(476) Apr 1982. Der Sozialausschuß des Deutschen Städtetages hat die Einführung islamischen
Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen gefordert, und zwar schon von der Grundschule an. Der Ausschuß argumentiert,
daß nur auf diese Weise dem zunehmenden Trend nach Einrichtung von Koranschulen und Nationalschulen wirkungsvoll begegnet
werden könne. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 24. April 1982.)
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(477) Apr 1982. Nachdem Bundestagspräsident Stücklen bei der Vereidigung der drei neuen
Bundesminister Lahnstein, Fuchs und Westphal die Eidesformel: "Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohl des deutschen Volkes
widmen ... so wahr mir Gott helfe" vorgesprochen hatten, antworteten die drei Kabinettsneulinge nacheinander "Ich schwöre es",
wobei sie von ihrem Recht Gebrauch machten, die religiöse Beteuerung wegzulassen. "Drei Atheisten", lautete ein Zwischenruf von
Michael Glos, CSU-Mitglied des Bundestages, Müllermeister und Landwirt aus dem Wahlkreis Schweinfurt. Stücklen ließ den
Zwischenruf ungerügt. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 30. April 1982.)
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(478) Mai 1982. Wegen zehnfachen Diebstahls, darunter zweimal "in einem besonders schweren Fall",
ist der katholische Pfarrer Anton Wigner in einem aufsehenerregenden Prozeß in Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt worden. Die Große Strafkammer des Landgerichts billigte Wagner eine erhebliche Verminderung der
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zu. Das Gericht blieb mit seinem Urteil erheblich unter dem Antrag des Staatsanwalts,
der sieben Jahre Freiheitsstrafe für den Pfarrer gefordert hatte. Bei der bisher größten Diebstahlsserie von Kunstgegenständen
aus Kirchen in Bayern und Österreich in den Jahren 1968--1980 hatte Wagner Gegenstände im Wert von rund 400.000 Mark entwendet.
Wagner besaß ein Millionenguthaben. Gutachter bescheinigten ihm verminderte Schuldfähigkeit, zumal sich der Geistliche "von
boshaften Mächten verfolgt" fühlte. - Zum Augsburger Urteil bemerkt G.M. Zerbst in einem Leserbrief an die Frankfurter
Rundschau, daß der Gedanke an Klassenjustiz nicht ganz von der Hand zu weisen ist". Denn "hätte es sich nicht um den Akademiker
und Geistlichen gehandelt, wäre vielmehr der Hofarbeiter Fischer, der Karteiführer Müller, der Schrankenwärter Maier angeklagt
gewesen, dann ... waren sicher keine zeitlich und finanziell aufwendigen psychiatrischen Untersuchungen angestellt worden".
(Vgl. Der Tagesspiegel vom 28. Mai 1982; Frankfurter Rundschau vom 9. Juni 1982.)
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(479) Mai 1982. Helmut Holzapfel, geistlicher Chefredakteur des Würzburger Katholischen
Sonntagsblatts, erhielt das Bundesverdienstkreuz. Die Übergabe sollte bereits 1980 stattfinden, war jedoch wegen heftiger
Auseinandersetzungen um verschiedene publizistische Aussagen Holzapfels verschoben worden. Jetzt erhielt die Regierung von
Unterfranken von der bayerischen Staatskanzlei in München die Anordnung, die Ordensverleihung "in aller Stille" vorzunehmen.
Zur gleichen Zeit wurde in Berlin ein Strafverfahren gegen den französischen Publizisten Georges Reymond und MIZ-Chefredakteur
Schütte vertagt, das Holzapfel wegen "Beleidigung" angestrengt hatte. (Vgl."Splitter und Balken" in diesem Heft.)