Atheistische Konferenz in Kopenhagen

Mitte Juni 2010 fand in Kopenhagen die atheistische Konferenz "Gods & Politics" statt, gemeinsam organisiert von der Atheist Alliance International (AAI) und der Dänischen Atheistischen Gesellschaft (Ateistik Skelskab)

Mit nicht weniger als 21 Referenten hatte die Konferenz einen wahrlich beeindruckenden Umfang. Ort der Konferenz war der sogenannte "Schwarze Diamant" in Kopenhagen, der Teil der Königlichen Dänischen Bibliothek ist.

Die als Rednerin angekündigte Taslima Nasrin konnte an der Konferenz nicht teilnehmen, da sie wegen eines als blasphemisch eingestuften Buches an der Ausreise aus Indien gehindert wurde.

Entsprechend dem Motto der Konferenz spielte das Verhältnis von Staat und Religion eine wichtige Rolle. Aber auch Religionskritik aus verschiedensten Blickwinkeln (philosophisch, naturwissenschaftlich, soziologisch) war im Programm der Konferenz gut vertreten.

In seiner Eröffnungsrede referierte Stinus Lindgreen über die Situation in Dänemark. Dort besteht (wie auch in Norwegen) eine Staatskirche, in der etwa 80% der Bevölkerung Mitglied sind. Es existiert eine Kirchensteuer, die Konfirmationsfeier findet in öffentlichen Schulen statt und die jährliche Sitzungsperiode des Parlaments wird mit einem Gottesdienst eröffnet.

Roy Brown, vormaliger Präsident der IHEU, referierte über religiösen Einfluß in Europa. Er thematisierte die vielfältigen Formen staatlicher Finanzierung der Kirchen in Europa. Ferner kritisierte er, dass die bereits abschaffte Strafbarkeit der Gotteslästerung in Großbritannien 2006 unter anderem Namen durch die Hintertür wieder eingeführt worden ist (durch das Verbot von Äußerungen, die "religiösen Hass" schüren können).

Daneben thematisierte er den Widerstand der katholischen Kirche gegen Familienplanung. Er kritisierte die Parolen von einer Rückbesinnung auf das christliche Erbe Europas. Nötig sei vielmehr eine Rückbesinnung auf das Erbe der Aufklärung.

Religiösen Führern dürfe nicht erlaubt werden, Hass zu predigen. Zugleich forderte er, zwischen Gläubigen und deren Glauben zu unterscheiden und regte an, religiöse "Dissidenten" zu unterstützen. Äußerst wichtig sei die Forderung nach Trennung von Staat und Religion.

Dan Barker von der Freedom from Religion Foundation (Stiftung für die Freiheit von der Religion) berichtete über die Bestrebungen seiner Stiftung, durch Gerichtsprozesse die Trennung von Staat und Religion in den USA zu verteidigen. Hierzu führte die Stiftung mehrere Gerichtsverfahren, die Barker eingehend schilderte.

Christer Sturmark und Bente Sandvig referierten über das Verhältnis von Staat und Kirche in Norwegen und Schweden.

Sturmark beklagte eine in Norwegen verbreitete "Toleranz gegenüber der Intoleranz". Er illustrierte dies am Beispiel eines Museums, das eine Installation zensieren wollte, nachdem Religionsvertreter konsultiert worden waren und sich ablehnend geäußert hatten. Diese Form von Zensur konnte jedoch schließlich abgewendet werden.

In Norwegen erhalten die Kirchen umfangreiche staatliche Zuwendungen, die auch anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zugute kommen.

In Schweden existiert keine durchgängige staatliche Finanzierung, lediglich einige Zuwendungen, die in der Summe allerdings etwa 50 Millionen Euro ausmachen.

Brian Arly Jakobsen referierte über die Frage, inwieweit der westfälische Friede heute noch die Religionspolitik Dänemark beeinflusst – vor dem Hintergrund der Migration aus islamisch geprägten Ländern.

Paula Kirby berichtete am Beispiel des Programms einer britischen religiösen Kleinpartei über die Bestrebungen fundamentalistischer Christen, auf die Politik Einfluß zu nehmen.

Mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen für das Gedeihen von Religion befasste sich der Vortrag von Gregory Paul. Seine zentrale These: Religion ist kein universelles menschliches Phänomen, sondern an bestimmte soziale und ökonomische Faktoren gebunden.

Religion könne nur in dysfunktionalen gesellschaftlichen Verhältnissen erfolgreich sein; sie stelle offenbar ein Mittel dar, um mit widrigen Verhältnissen wie hoher soziale Ungleichheit, mangelnder Absicherung bei Krankheit und Alter usw. zurechtzukommen. Dementsprechend sei die Einführung sozialer Sicherungssysteme das zuverlässigste Mittel, um Religion zum Verschwinden zu bringen.

Religion korreliere generell mit ungünstigen gesellschaftlichen Faktoren, was Paul mit empirischen Fakten unterlegte. So zeigte er z.B., dass Geschlechtskrankheiten im "Bible Belt" häufiger sind als in anderen Regionen der USA. Weltweit gesehen korreliert Religion mit ungünstigen Lebensverhältnissen, z.B. mit einem hohen Grad an Gewaltausübung.

Anhand von Zahlen legte er dar, dass die Zahl der Atheisten in den letzten Jahren erheblich angewachsen ist und dass der Atheismus die einzige Weltanschauung ist, die nennenswert durch Konversion wächst, wohingegen die Zahl der Religionsanhänger - wenn überhaupt - vor allem biologisch gewachsen ist. Dies trifft vor allem auf den Islam zu.

Dem naheliegenden Umkehrschluss, dass ungünstige Gesellschaftliche Verhältnisse automatisch mehr Religion hervorbrächten, widersprach er allerdings. Religion sei nur ein, aber nicht das einzige Mittel, um mit widrigen gesellschaftlichen Verhältnissen umzugehen.

P.Z. Myers, amerikanischer Universitätsprofessor und aktiver Blogger, legte in seinem Vortrag die Wichtigkeit eines entschiedenen Auftretens von Säkularisten gegen absurde Behauptungen von Religionsanhängern dar.

A.C. Grayling legte im Vortrag "Der ethische Aspekt des Atheismus" die Grundzüge einer humanistischen Ethik dar. Einer der Grundsätze dieser Ethik lautet: Aussagen zu akzeptieren, obwohl alle Argumente gegen sie sprechen, ist intellektuell unethisch. Ein Leben, das nicht bewusst (d.h. reflektiert) gelebt werde, sei es nicht wert, gelebt zu werden. Der Mensch habe die Verantwortung, bewusst Entscheidungen zu treffen. Wer dies nicht tue, werde zum Gegenstand der Entscheidungen anderer.

Diese humanistische Ethik wurde vorgestellt in Abgrenzung zu dogmatisch-religiös fundierte Traditionen. Letztere charakterisierte er als "Top-Down-Traditionen", die nicht von der Suche nach neuen Erkenntnissen bestimmt sind, sondern die einmal offenbartes zu bewahren trachten.

Die Ethik des Neuen Testaments sei von der Naherwartung (des Gottesreichs) bestimmt, folglich für die heutige Gesellschaft unbrauchbar. Die Ethik, die heute gewöhnlich als "christlich" bezeichnet wird, sei dagegen in Wahrheit durch die klassische Antike geprägt.

Per Bilde zeigte in seinem Vortrag, wie wenig das Jesusbild der Gläubigen mit dem historischen Jesus zu tun hat und wie sich das Bild von Jesus in verschiedenen Zeiten entsprechend den damaligen Wertvorstellungen gewandelt hat. So ist er im 19. Jahrhundert vorrangig als Bringer ethischen Fortschritts gesehen worden, entsprechend dem damaligen Fortschrittsglauben. Die Enttäuschung dieses Fortschrittsglaubens im 20. Jahrhundert hatte wiederum einen Wandel des Jesusbilds zur Folge.

Richard Dawkins, der erst kurz vor der Konferenz seine Teilnahme zusagen konnte, behandelte die Ursachen von Religion aus evolutionsbiologischer Sicht. Kernthema war die menschliche Neigung, hinter allen möglichen Ereignissen einen handelden Urheber (Agent) zu vermuten, was für den Glauben an Geister und Götter ein wesentlicher Faktor ist. Er legte dar, dass diese Neigung evolutionsbiologisch erklärbar ist, da sie unter den Bedingungen früheren Zeiten zum Überleben beitragen kann.

Wenn es z.B. hinter einem Busch raschelt, ist es für ein Tier, dass von Fressfeinden bedroht ist, die erfolgversprechendere Strategie, einen solchen Feind anzunehmen und entsprechend zu handeln, als abzuwarten, ob sich die Hypothese bestätigt. So erweist sich die Angewohnheit, hinter Ereignissen fälschlich Intentionalität anzunehmen, als Teil des biologischen Erbes des Menschen, das sich unter modernen Verhältnissen aber als Hindernis für rationale Erkenntnis erweist. Ähnlich verhalte es sich mit der Angewohnheit, die im sozialen Umfeld vorherrschenden Meinungen kritiklos zu übernehmen. Auch dies kann für das Überleben sinnvoll sein, weil das einzelne Individuum dadurch u. U. Gefahren vermeiden kann, von denen es sonst nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen könnte.

Der Umgang mit alltäglichen Redensarten religiöser Herkunft war das Thema des Vortrags von Rebecca Watson "Don't be a dick" (Deutsch sinngemäß etwa: Sei kein Arsch) Bei diesem Vortrag fiel auf, wie säkular die deutsche Alltagssprache schon ist. So wurde als Alternative zu "God bless you", was im Englischen ein üblicher Ausspruch ist, wenn jemand niest, das deutsche "Gesundheit" vorgeschlagen.

"Spinoza: der erste säkulare Humanist" war der Titel des Vortrags von Rebecca Newberger Goldstein. Darin ging es u. a. um Spinozas Bruch mit dem orthodoxen Judentum, in dem der aufgewachsen war, und sein für das 17. Jahrhundert erstaunlich modernes Weltbild und Ethik.

Der Atomphysiker Victor J. Stenger untersuchte gelegentlich als Argument für einen göttlichen Schöpfer angeführte die These, dass das Universum hinsichtlich seiner physikalischen Konstanten auf die Bedürfnisse des Lebens abgestimmt sei.

James Randi, der im Jahr 2004 vom IBKA mit dem Erwin-Fischer-Preis geehrt wurde, demonstrierte, wie leicht Menschen von Scharlatanen getäuscht werden können.

Michael Nugent, Präsident von Atheist Ireland berichtete vom Verhältnis von Kirche und Staat in Irland sowie vom Kampf gegen das neue Blasphemiegesetz.

In Irland besteht seit den 20er Jahren ein Verbot der Gotteslästerung in der Verfassung, diese Vorschrift wurde jedoch von den Gerichten als nicht durchsetzbar beurteilt, folglich gab es keine Verurteilungen. Diese Situation änderte sich nun durch ein Gesetz, das neben einigen anderen Vorschriften auch die Strafbarkeit von Blasphemie vorsieht.

Nugents Ausblick war optimistisch; das gesellschaftliche Klima habe sich in den vergangenen Jahren des Wirtschaftsaufschwungs geändert.

Das Gesetz ist zwar am 1. Januar 2010 in Kraft getreten, es hat sich jedoch herausgestellt, dass es für die Strafbarkeit der Gotteslästerung keine gesellschaftliche Unterstützung gebe. Es bestehe die Aussicht, die Strafbarkeit der Gotteslästerung per Referendum aus der Verfassung zu streichen.

Ein wichtiges Argument gegen das Gesetz ist die Tatsache, dass sich islamische Staaten darauf berufen, wenn es um Versuche geht, Religionskritik international zu kriminalisieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er den Umstand, dass die katholische Kirche gegen die Strafbarkeit von Blasphemie in Pakistan eintritt, in Europa jedoch die entgegengesetzte Position vertritt.

Im Juni 2011 soll eine internationale atheistische Konferenz in Dublin stattfinden.

Den Abschluss bildete eine Sightseeing-Tour durch Kopenhagen für die Teilnehmer. Insgesamt eine gelungene Konferenz und ein beeindruckende Leistung der Organisatoren.