Kongress zum Einfluss von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung

Christoph Lammers

IBKA-Kongress zum Einfluss von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung

Aus: IBKA Rundbrief August 2003

Vom 22. bis 25. Mai 2003 fand an der Universität Trier ein vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.), der Hochschulgruppe Forum Demokratischer AtheistInnen (fda) und der Jenny Marx Gesellschaft für politische Bildung e.V. veranstalteter Bildungskon­gress statt, der sich kritisch mit den religiös-esoterischen Inhalten verschiede­ner privater Anbieter auf dem Bildungs­sektor auseinandersetzte. Unterstützt wur­de der Kongress vom AStA der Universität Trier, von der GEW Trier, dem Deutschen Freidenker-Verband, zwei Ortsvereinen des BfG, von der Atheistischen Gruppe Kiel und weiteren Gruppen.

Den Rahmen des Kongresses "Die ewige Wiederkehr des Religiösen. Kon­gress zur Untersuchung der Auswirkungen von Religion und Esoterik in Erziehung und Bildung" bildete das Handelsabkom­men GATS (General Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation WTO. Einer der vielen Aspekte des GATS behandelt die Frage der Privatisierung von Bildungseinrichtungen weltweit. Deutsch­land wird, ebenso wie andere europäische und nichteuropäische Länder, von diesen Veränderungen stark betroffen sein.

Die Forderung nach einer Trennung von Schule und Weltanschauung und die Frage, wie diese zu erreichen sei, waren für die konfessionsfreien Verbände schon immer von großer Bedeutung. Gerade der IBKA mit seiner Konzentration auf politische Fragestellungen muss auf die "neue Marktsituation", die in absehbarer Zeit entstehen wird, reagieren. Da das Netz der Bekenntnisschulen, aber auch der weltanschaulichen Montessorischulen und der Waldorfschulen, in den letzten Jahren stark ausgeweitet werden konnte, ist es wichtig, jetzt die Inhalte der einzelnen Träger zu untersuchen und sie zu kriti­sieren. Die Frage nach der Trennung von Staat und Kirche in Schulen muss hier um die Forderung nach Transparenz und Kon­trolle religiös-esoterischer Inhalte erwei­tert werden.

Während der vier Kongresstage disku­tierten über 80 TeilnehmerInnen mit ver­schiedenen ReferentInnen und Veranstal­terInnen über die Problematik von reli­giös-esoterischer Erziehung im pädagogi­schen Bereich. Den Anfang bildeten am Donnerstagabend der Soziologiedozent Dr. Waldemar Vogelgesang und der MIZ-Redakteur Frank Welker. In ihrem Vortrag "Jugendkultur und Okkultismus", Teil der von Dr. Vogelgesang erarbeiteten Trierer Jugendstudie, stellten sie die Bedeutung von okkulten und religiösen Symbolen und die damit speziell von Jugendlichen ver­bundenen Inhalte vor und versuchten deut­-­lich zu machen, dass Jugendliche immer mehr zu einer Form von Patchwork-Reli­gion neigen. Religiöse und okkulte Sym­bole, die für viele mit klaren Bedeutungen verbunden sind, bekommen in bestimmten Jugendkulturen eine eigene Gewichtung. Dabei gehen Jugendliche sehr vorsichtig und kritisch mit der Thematik Religion um, auch wenn sich viele nicht als An­hänger/in einer christlichen Kirche ver­stehen wollen.

Am Freitag wurden, neben der Lehre der italienischen Ärztin Maria Montessori, die Esoterik und die in esoterischen Krei­sen immer stärker frequentierte "systemi­sche Familienaufstellung" nach Bert Hel­linger kritisiert. Sowohl im Workshop von Dipl. päd. Claudia Barth, als auch im Workshop von Dr. Fritz Glunk wurden die missionarischen Aspekte der Esoterik und der Lehre des Ex-Missionars Bert Hellin­ger hervorgehoben. Aspekte der Esoterik, insbesondere die der Anthroposophie, fin­den sich immer öfter in Schulen (Waldorf­schulen) wieder, ohne genannt zu werden. Dazu zählen Karma, irrationale Welterklä­rungsansätze und völkische Ideen ebenso wie bestimmte patriarchale Vorstellungen von Familie, Sippe und Volk. Dr. Wolf­gang Proske machte in seinem Vor­trag deutlich, dass die Lehre von Maria Montessori nicht das Kind in den Vorder­grund ihrer Pädagogik stellt, sondern es als Mittel zum Zweck einer göttlichen Ord­nung benutzt. Dieser Aspekt wird immer wieder übersehen, wenn es um die Bewer­tung alternativer Erziehungsmodelle geht.

Am Samstag standen den TeilnehmerInnen sechs verschiedene Workshops offen, um die Thematik des Kongresses vertiefen zu können. Neben einem weite­ren Workshop zu Bert Hellingers "Famili­enaufstellung", gehalten von Dipl. psych. Sigrid Vowinckel, und einem Workshop von Dipl. päd. Claudia Barth zu völki­schen Tendenzen in der Esoterik, bot Dr. Maria Wölflingseder einen Einblick in die Thematik "Irrationalismus". Sie versuchte den Begriff näher zu bestimmen und mit den TeilnehmerInnen die wachsende Be­deutung von irrationalen Erklärungsansät­zen in den letzten Jahren herauszustellen. Am Nachmittag bot Frank Welker einen Workshop zum Thema "Jugendkultur und Okkultismus" an, der die Thesen des Vor­trages am Donnerstag noch einmal auf­griff. Zur selben Zeit stellte der Tübinger Pädagoge Prof. Klaus Prange seine The­sen zur Waldorfpädagogik vor. In diesem Workshop ging Prof. Prange vertiefend auf die Verbindung von Karmalehre und schu­lischer Entwicklung in der Pädagogik Rudolf Steiners ein. Schließlich bot das aus Freiburg i. Br. angereiste IBKA-Bei­ratsmitglied Prof. Franz Buggle einen Workshop zur christlichen Erziehung an. Unter dem Titel "Ist christliche Erziehung noch verantwortbar?" versuchte der Psy­chologe mit den Anwesenden strittige Pas­sagen aus der Bibel herauszuarbeiten. Ihm war es 1992 mit der Streitschrift "Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann" gelun­gen, die Bibel einer präzisen Kritik zu unterziehen. Das Buch, so das Resümee von Prof. Buggle, ist denkbar ungeeignet zur Erziehung von Kindern und Jugend­lichen.

Am Sonntag griff der Erziehungs­wissenschaftler PhD Eamon Kiernan die Diskussion um die allgemeine Päda­gogik auf und versuchte, die Entwicklung der Pädagogik in einen Zusammenhang mit der auf dem Kongress formulierten Kritik an religiös-esoterischen Erziehungs­modellen zu stellen. Zur Abschluss­diskussion hatten die VeranstalterInnen Lars Schewe als Vertreter der Studieren­denschaft vom Freien Zusammen­schluss der StudentIn­nenschaften (fzs) eingeladen, um die Ent­wicklung und den Stellenwert des GATS im Hinblick auf den Bildungssektor zu erläutern. Über­raschenderweise musste festgestellt wer­den, dass viele Teilnehme­rInnen kaum bzw. nichts von der Ent­wicklung auf dem Bildungsmarkt wussten und sie sich einhellig dafür aussprachen, vertiefende Veranstaltungen zu diesem Thema an­zubieten.

Alles in allem waren die TeilnehmerIn­nen und ReferentInnen mit den Diskussio­nen sehr zufrieden. Die hohe Teilnehme­rInnenzahl hat gezeigt, dass diese Proble­matik durchaus einen wichtigen Stellen­wert in der aktuellen, öffentlichen Diskus­sion findet. Es bleibt nun abzuwarten, wie die einzelnen Verbände sich diesem The­ma nähern. Eine Kongressdokumentation wird im kommenden Jahr im Alibri Verlag erscheinen.

Gut eine Woche vor dem Kongress gab der IBKA e.V. folgende Pressemitteilung heraus:

GATS lässt Ausgaben der öffentlichen Hand für private Bildung steigen

Nutznießer sind Konfessionsschulen und Waldorfschulen

 

Der Internationale Bund der Konfes­sionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) er­wartet für die kommenden Jahre eine weitere Zunahme der religiösen und welt­anschaulichen Schulen. Anlässlich des Kongresses weist Vorstandsmitglied Christoph Lammers darauf hin, dass nach Einschätzung des IBKA durch die im Rahmen der Durchführung von GATS zu erwartenden Privatisierungen im Bildungs­bereich Waldorfschulen und Konfessions­schulen ihr Angebot weiter ausbauen wer­den und damit auch ein deutlicher Anstieg der staatlichen Zuschüsse für diesen Be­reich zu erwarten ist. Die Antworten des rheinland-pfälzischen Bildungsministeri­ums auf eine Kleine Anfrage des bündnis­grünen Abgeordneten Nils Wiechmann (Drs. 14/2042) haben ergeben, dass die be­treffenden Zuwendungen bereits von 1998 bis 2002 um rund 20% gestiegen sind.

Noch weit problematischer als dieser finanzielle Aspekt ist die damit einher­gehende Sortierung der Schulkinder nach Religionszugehörigkeit. Da die jeweiligen religiösen bzw. esoterischen Vorstellungen im Unterricht von Konfessions- und Wal­dorfschulen (auch wenn letztere dies be­harrlich bestreiten) einen bedeutenden Platz einnehmen, bleiben Kinder aus ei­nem weltanschaulichen Lager unter sich. Die für eine pluralistische Gesellschaft so wichtige Begegnung mit Andersdenken­den findet nicht statt - mit allen bekannten Folgen für die spätere Kritik- und Kon­fliktfähigkeit der angehenden BürgerIn­nen. Welche Formen die religiöse Indok­trination von Schulkindern annehmen kann und wie hilflos staatliche Behörden darauf reagieren, hat jedoch der Fall der Auer­bacher Schulschwestern (Bayern) gezeigt.

Zu befürchten ist, dass im Rahmen der rechtlichen Gleichbehandlung evangelikale und islamistische Gruppen ihre religiö­sen Schulen öffentlich finanzieren lassen. Der IBKA fordert daher, die Ausgaben der öffentlichen Hand für den privaten Bil­dungssektor insgesamt einzuschränken und die Lehrinhalte privater Einrichtungen besser zu kontrollieren.