Wie war doch gleich das Thema?

Ursula Neumann

Einige kleinliche Anmerkungen zur Ansprache des Papstes zum Ende der Konferenz zum Schutz der Minderjährigen in der Kirche

Da hab ich wohl was nicht mitgekriegt. Ich hatte gedacht, bei der viertätigen Konferenz im Vatikan wäre es um sexuellen Missbrauch in der Kirche gegangen.
 
Der sexuelle Missbrauch, kündete uns der Papst, sei „leider in allen Kulturen und Gesellschaften ein geschichtlich verbreitetes Phänomen“.
Verehrter Herr Franziskus, Sie haben soeben keinen interdisziplinären Kongress zur Thema Verbreitung des sexuellen Missbrauchs geleitet und geben das abschließende Statement, sondern es geht um Ihren Laden und was da passiert ist und passiert!   
So, wie Sie das anfangen, ist es billige Schulhof-Verteidigungsstrategie: „die andern haben auch!“ …Der sexuelle Missbrauch erinnere Sie an heidnische Menschenopfer…Jaja, „die andern haben auch und ich hab gar nicht angefangen“, kennen wir.
Wissen Sie, an was mich das erinnert? An die perfide Strategie, den Judenhass Luthers ins Spiel zu bringen um vom eigenen Antisemitismus abzulenken, auf die Unterdrückung der Meinungsfreiheit etc.  im atheistischen Ostblock zu verweisen, damit man bei Kirchens nicht so genau hinschaut …. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Warum ziehen Sie diese Verbindungslinie zu den „Heiden“? Sie suggerieren damit – bewusst oder nicht, das ist mir egal, denn man ist auch für sein Unbewusstes verantwortlich: Solche bösen Dinge sind „eigentlich“ „heidnisch“, „gottlos“, „atheistisch“, haben mit dem Christentum nichts zu tun. Fehlt nur noch die übliche Unterscheidung zwischen der „reinen Kirche“ und ihren leider, leider fehlbaren Gliedern. Wenigstens das haben Sie sich verkniffen – soweit ich Ihre Rede kenne.

Was für ein armseliges Eingeständnis, wenn Sie sagen, dass erst aufgrund eines „Bewusstseinswandels der öffentlichen Meinung“ in „relativ jüngerer Zeit“ ein Tabu von dessen Existenz „alle wussten, aber keiner darüber sprach“ enttabuisiert werden konnte! Auf Ihr Konto geht dieser Bewusstseinswandel nun ganz gewiss nicht! Wann hätten Sie und Ihresgleichen sich je anders verhalten als jene, die immer nur genau so viel zugeben, wie nun wirklich nicht zu leugnen ist.
„Alle“ wussten es, sagen Sie. Ich fürchte, das ist eine jener Pauschalisierungen, mit der das eigene Systemversagen relativiert wird. Wenn „alle“ es wussten, dann hat man gar nicht so viele Finger, mit denen man auf gar viele zeigen kann. Mich interessieren aber in diesem Kontext aber nicht „alle“ sondern jene „alle“ im Vatikan, in den bischöflichen Verwaltungen, in den Klöstern, in den Pfarreien, katholischen Schulen.  

Jetzt kommen Sie mir bloß nicht damit, dass ich lieblos Kirchen-Kritik übe und mich damit (wie Sie zu Beginn dieser Missbrauchs-Konferenz oder wahrscheinlich korrekter: dieser missbrauchten Konferenz sagten) zur Freundin oder Verwandten des Teufels oute! Das ist nicht mal mehr schäbig, es ist lächerlich. Wer seit zwei Jahrtausenden so gut im moralischen Austeilen ist, sollte auch einstecken können. Das zum einen. Zum andern: Was maßen ausgerechnet Sie sich an, erst recht in der aktuellen Situation? Sie bilden sich ein, dass Ihnen die Definitionsmacht obliegt, wer Freunde, Verwandte oder Feinde des Teufels sind?

Und jetzt kommt die Rede auf das „Geheimnis des Bösen“. Ein rhetorischer Trick mit langer Tradition, deren Intention ist, etwas unkonkret werden zu lassen. Ein Geheimnis entzieht sich der Bewertung, der Beurteilung und schon allemal konkreten Gegenmaßnahmen. Das Geheimnis ist größer, als dass der Normalsterbliche es zu fassen vermöchte. Wenn man will, dass an etwas nicht gerührt wird, mach ich’s zum Geheimnis. Auch eine Form von Tabuisierung. Und wer hat über Geheimnisse die Deutungshoheit? Raten Sie mal!  
 
Es kommt alles in einen Topf: „der familiäre Bereich“, „die Eltern“, „Verwandten“, „die Trainer“, „Erzieher“….ach so ja natürlich: Die Digitalisierung Internet, das Übel der Pornografie, der Sextourismus….nein, nein das „schmälert aber nicht die Abscheulichkeit innerhalb der Kirche.“ Doch, genau das ist die Absicht. Wer in dieser Weise alles in einen Topf wirft, der will sein Süpplein der Ablenkung kochen. Hast du nicht gesehen: Gleich steht die Kirche wieder an der Spitze im Kampf gegen alles Böse in der Welt.

Von den Opfern ist als „den Kleinen“ die Rede. Schon kapiert, ist eine Anspielung auf das Jesus-Wort „lasset die Kleinen zu mir kommen“. Aber wie dämlich muss jemand sein, um nicht zu merken, dass diese Bezeichnung in diesem Kontext nur arrogant und herabsetzend wirken kann. Werden päpstliche Reden nicht redigiert?

Verehrter Herr Franz, wie gut Sie die Kurve kriegen: „Die Kleinen“ seien zu schützen vor Missbrauch … äh… nein, nicht vor sexuellem Missbrauch, sondern vor dem Missbrauch durch böse Ideologien und Journalisten: „Das Ziel der Kirche wird also sein, den missbrauchten, ausgebeuteten und vergessenen Minderjährigen, wo auch immer sie sich befinden, zuzuhören, sie zu bewahren, zu schützen und zu betreuen. Damit die Kirche dieses Ziel erreichen kann, muss sie sich über alle ideologischen Polemiken und die journalistischen Kalküle erheben, die oftmals die von den Kleinen durchlebten Dramen aus verschiedenen Interessen instrumentalisieren.“

Na dann!

Fazit dieses Kasperletheaters: „Jetzt ist die Geschichte aus und alle geh‘n vergnügt nach Haus“. So stellen sich die großen Herren das vor.

Da lob ich mir doch die Erzdiözese Paderborn. Die ist wirklich ernsthaft um die Gesundheit der Gläubigen besorgt und warnt vor den Gefahren des Weihwassers und empfiehlt vorsichtigen Umgang damit.

Leider hat man das von Seiten der erzdiözesanen Verwaltung nicht ganz zu Ende gedacht: So richtig sicher kann man nur sein, wenn man gleich zu Beginn des Lebens nicht in Berührung mit Weihwasser kommt.