Bundesregierung weiß von nichts

In den neuen Bundesländern:

Kirchenmitglieder eine Minderheit - nur die Bundesregierung weiß von nichts!

Aus: MIZ 2/93

Der folgende auszugsweise Abdruck der Bundestags-Drucksache 12/4020 zeigt, wie weit die Bundesregierung auch geistig noch von der Trennung von Staat und Kirche entfernt ist. Die Zahl der Kirchenmitglieder ist aus den statistischen Jahrbüchern der ehemaligen DDR und den Kirchenstatistiken zu ersehen.

Antwort der Bundesregierung auf Fragen der Bundestagsabgeordneten Barbara Weiler zu der Bemessung der Leistungssätze.

Abgeordnete Barbara Weiler (SPD):

Kann im Hinblick auf die geringe Kirchenzugehörigkeit in den neuen Bundesländern und die steigende Zahl der Kirchenaustritte in den alten Bundesländern die Kirchensteuer noch zu den gesetzlichen Abzügen im Sinne des § 111 AFG gerechnet werden, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, und müßte nicht wenigstens für die Arbeitslosen der neuen Bundesländer das Arbeitslosengeld ohne Kirchensteuer ermittelt werden?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Horst Günther vom 11. Dezember 1992:

Der Bundesregierung liegen keine konkreten Daten über den Anteil der Kirchensteuerpflichtigen unter den Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern vor. Sie hat hierzu bereits umfangreiche Ermittlungen unter Einschluß der Katholischen und Evangelischen Kirche in Deutschland, des Statistischen Bundesamtes, der Arbeitsverwaltung und der Finanzverwaltung angestellt. Keine der angesprochenen Institutionen konnte Auskünfte über die Zahl der Kirchensteuerpflichtigen unter den Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern übermitteln. Die Bundesregierung kann die Einschätzung über eine nur geringe Kirchenzugehörigkeit in den neuen Bundesländern daher nicht bestätigen. Sie geht davon aus, daß im gesamten Bundesgebiet nach wie vor die weitaus überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer zu den kirchensteuerpflichtigen Personen zählt ( Hervorhebung durch die Redaktion) und deshalb die Kirchensteuer zu den gesetzlichen Abzügen im Sinne des §111 Abs. 1 AFG gehört, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen.

Aufgabe der Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes zur Festsetzung der Höhe der Leistungssätze der Lohnersatzleistungen ist es, in pauschalierter Form festzusetzen, welche Abzüge vom Bruttoentgelt "bei einem Arbeitnehmer gewöhnlich anfallen". Die Berücksichtigung von Kirchensteuer-Hebesätzen ist ein rechnerisches Hilfsmittel, um den tatsächlichen durchschnittlichen Belastungen eines Arbeitnehmers möglichst nahezukommen. Dabei ist - aus Gründen der Rechtseinheit - bewußt davon abgesehen worden, unterschiedliche Leistungstabellen aufgrund regionaler Besonderheiten zu erstellen. Die Bundesregierung hält es nicht für sinnvoll, Arbeitnehmer, die einer die Kirchensteuerpflicht begründenden Religionsgemeinschaft nicht angehören, unterschiedlich danach zu behandeln, in welchem Bundesland sie ihren Wohnsitz haben.