2000 - Meldungen 2915-2955

2000 - Meldungen 2915-2955 rhartmann So, 2000-12-31 09:00

Europa

Deutschland

  • (2915) Siegen. "Eine wesentliche Ursache rechtsextremer Gewalt ist die zunehmende Entchristlichung". Dieser Meinung ist zumindest der Vorsitzende der größten evangelischen Laienorganisation, des 300.000 Mitglieder zählenden Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften). Präses Christoph Morgner (Siegen) schreibt im Gnadauer Monatsblatt: "Je weniger Gottesfurcht in unserem Land herrscht, um so mehr versickert die Liebe und damit die Werte, die aus ihr erwachsen: Rücksicht auf Schwächere, Ehrfurcht vor dem Leben, Nächstenliebe, Respekt vor Andersdenkenden, Barmherzigkeit." Nach seiner Ansicht hat das SED-Regime zum jetzigen Ausbruch an Gewalt beigetragen: "Dass in der früheren DDR das Christliche madig gemacht und als hinterwäldlerisch verbrämt wurde, dass christliche Traditionen weithin ausgemerzt worden sind - auch durch den vorhergehenden Einfluss des Dritten Reiches - trägt nun böse Früchte." Deshalb sei das missionarische Engagement der Kirche vordringlich. Die Weitergabe der christlichen Botschaft wirke sich segensreich auf die innere Kultur in Deutschland aus. Fremdenfeindlichkeit und christlicher Glaube schlössen sich aus. (idea, 5.9.2000)
    Anm. MIZ: Angesichts der mittlerweile gut dokumentierten Kriminalgeschichte des Christentums könnte man meinen, dass eine solche argumentative Entgleisung nur Gelächter hervorrufen könne. Doch weit gefehlt! Die von Morgner bemühte Erklärung für den Rechtsextremismus findet begeisterte Abnehmer. Vor kurzem erkannte auch die stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgruppe Angelegenheiten der neuen Länder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Katherina Reiche, in der "systematischen Entchristianisierung der DDR" eine der Hauptursachen der Gewaltbereitschaft ostdeutscher Jugendlicher. "Die Kirchen kümmern sich um vieles, vernachlässigen aber ihre Hauptaufgabe, die Mission" betonte die 27 Jahre alte Politikerin bei einem Jugendlager des CVJM in Mötzow bei Potsdam. Uns fehlen die Worte...

  • (2916) Koblenz. Anscheinend leben konfessionslose Menschen nicht so gesund wie religiöse, sehen dafür aber ihr Sexleben positiver. Dies geht aus einer Studie hervor, die das Körperkonzept von Anhängern der beiden großen Kirchen und Konfessionslosen untersuchte. Im Auftrag der Forschungsstelle Sexualwissenschaft der Universität Koblenz-Landau hatte das Emnid-Institut eine Studie mit 1.414 Menschen im Alter von 14 bis über 80 Jahren durchgeführt. Die religiös gebundenen Gruppen zeigten weniger Interesse an der Sexualität. Wie der Leiter der Forschungsstelle Prof. Norbert Kluge bestätigt, beeinflussen Sexualnormen das Liebesleben von Anhängern der Glaubensgemeinschaften nachhaltig. Deutliche Unterschiede gibt es auch, wenn es um den Konsum von Zigaretten, Alkohol und Kaffee geht. Bei den Konfessionslosen achten nur 63 Prozent darauf, möglichst wenig Genussmittel zu konsumieren, bei den konfessionsgebundenen Befragten waren es 71 Prozent bzw. 69 Prozent. (almeda.de, 13.9.00)

  • (2917) Berlin. Zur neuen Werbeanzeige der Bundesregierung "Kinder, Küche und Kirche sind out. -www ist in" erklärte der kirchenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Klaus Holetschek, die Anzeige zeige die wahre Geisteshaltung der Regierung. Mit sichtlicher Empörung stellte er fest: "Anstatt dafür zu sorgen, dass die wichtige Erziehungsarbeit, also die Arbeit der Mütter und Hausfrauen besser anerkannt und aufgewertet wird und die Kirchen in ihrer Arbeit der Wertevermittlung unterstützt werden, benutzt die Bundesregierung das Geld der Steuerzahler, um auf niedrigstem Niveau zu pöbeln." Schröder solle sich für sein Bundespresseamt entschuldigen und die Werbeanzeige zurückziehen." (Mitteilung der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, 19.10.00)

  • (2918) Mainz. Die katholische Kirche in Deutschland stellt fünf Millionen Mark für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern bereit, die in katholischen Einrichtungen arbeiten mussten. Mit weiteren fünf Millionen will sie die Versöhnungsarbeit kirchlicher Organisationen fördern. Am Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft und des Staats beteiligen sich die Katholiken nicht. Die katholische Kirche habe zwischen 1939 und 1945 Zwangsarbeiter beschäftigt, aber "in geringem Umfang", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann. Das hätten bisherige Recherchen ergeben. Eine Zahl wollte Lehmann nicht nennen. Er sagte nur, bezogen auf die 7,6 Millionen "ausländischer Arbeitskräfte" vom August 1944 erreiche die Zahl der in katholischen Einrichtungen Beschäftigten "wahrscheinlich nicht einmal die Ein-Promille-Grenze". Auch der mit den Nachforschungen beauftragte Direktor der Kommission für Zeitgeschichte, Karl-Joseph Hummel, sagte: "Beim gegenwärtigen Stand der Forschung kann man seriös mit Zahlen nicht handeln." Unbekannt ist auch, wie viele Menschen Anspruch auf Entschädigung durch die katholische Kirche haben werden. Man habe "keine Kenntnis vom Umfang des Personenkreises", sagte Lehmann. Er erwarte, dass die Suche nach Betroffenen zwei bis drei Jahre dauert. Organisatorisch soll die Caritas für die Entschädigung verantwortlich sein. (Frankfurter Rundschau, 30.8.00)

  • (2919) Mainz. Zum ersten Mal ist gegen einen deutschen katholischen Bischof öffentlich der Verdacht geäußert worden, unbefugt den sogenannten "Großen Exorzismus" (Dämonenaustreibung) vorgenommen zu haben. Dabei soll es in mindestens einem Fall zu Körperverletzung und massiven sexuellen Übergriffen gekommen sein. Diese schwerwiegenden Vorwürfe richten sich gegen den Weihbischof des Bistums Mainz, Franziskus Eisenbach (57). Der promovierte Theologe gilt als einer der bekanntesten Charismatiker, der auch unter Protestanten großes Ansehen genießt.
    Gegen Eisenbach hat ein Mainzer Professorenehepaar sowohl beim Papst und der römischen Bischofskongregation als auch bei der Staatsanwaltschaft in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Anzeige erstattet. Die wie Eisenbach charismatisch geprägte Professorin Anne Bäumer hatte sich, wie sie vor den Kameras des Hessischen Rundfunks bestätigte, 1999 dem Weihbischof anvertraut und war mit diesem eine intensive Zusammenarbeit bei "Befreiungs- und Heildiensten" eingegangen. Die Kooperation mündete sogar in die Herausgabe eines Buches über das Heilige Jahr 2000. Nach einem Exorzismus an Frau Bäumer und "etwa dreistündigem inquisitorischem Befragen" soll Eisenbach die ihm Anvertraute in einem Zustand der Lähmung zurückgelassen haben. "Sie fiel regelrecht in Siechtum", heißt es in der im Vatikan vorliegenden Anzeige. Im weiteren Verlauf der "Betreuung", die offensichtlich den Charakter eines "Abhängigkeitsverhältnisses" annahm, sei es wiederholt zu sexuellen Handlungen gekommen. Deshalb bezieht sich die Klageschrift vor den römischen Instanzen auch auf Verletzung des Zölibatgesetzes.
    Die Mainzer Bistumsleitung erklärte lediglich, die auf Initiative eines Mitglieds der katholischen Kirche entstandene und "beharrlich abgeforderte seelsorgerische Begleitung" habe zu einer persönlichen Nähe geführt, "die auf Initiative dieser Person auch körperliche Zuwendung umfasste". Eine solche Entwicklung einer seelsorgerischen Begleitung habe nicht die Billigung des Bischofs von Mainz gefunden. Er habe mit allem Nachdruck auf die Beendigung des Kontaktes zwischen dem Weihbischof und der Frau hingewirkt.
    Eine gravierende kirchenrechtliche Frage ist, ob der Weihbischof für die Ausübung des Exorzismus überhaupt die dafür vorgeschriebene ausdrückliche Erlaubnis des Ortsbischofs, Karl Lehmann, hatte. Dennoch wollen die Kläger wissen, ob Lehmann "das Tun des Weihbischofs geduldet hat". Da Eisenbach nach eigenen Aussagen seit etwa 20 Jahren derartige Befreiungsdienste und auch Exorzismen vorgenommen habe, scheine es unmöglich, dass Bischof Lehmann "dies in all den Jahren nicht erfahren hat". In Deutschland hatte 1976 der Fall der Studentin Anneliese Michel im unterfränkischen Klingenberg Aufsehen erregt. Mit Zustimmung des Würzburger Bischofs hatten zwei Priester der "besessenen Frau" ein Jahr lang den "Teufel" ausgetrieben. Sie starb, bis auf das Skelett abgemagert.
    Auf Betreiben der Deutschen Bischofskonferenz kam 1998 eine Neufassung der römischen Exorzismusbestimmungen zu Stande. Es wurde angeordnet, dass vor einem Exorzismus Medizin und Psychiatrie zum Zuge kommen müssen. (Die Welt, 17.09.00)

  • (2920) Kevelaer. Scharfe Kritik am Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, geäußert. Das ZdK führe sich immer mehr "als eine Art Gegen-Lehramt" gegen den Papst auf. Es habe in den vergangenen 20 Jahren nur wenige römische Lehrentscheide gegeben, denen "nicht prompt eine schroffe Gegenerklärung des ZdK" folgte, schreibt Ratzinger in einem von der Kevelaerer Topos-Verlagsgesellschaft veröffentlichten Buch zur Demokratie in der Kirche. Es dürfe in der Kirche nicht zwei Lehren geben. Ratzinger wörtlich: "Den sich abzeichnenden Dualismus sollte man nicht weiter wuchern lassen."
    In den vergangenen Monaten hatten auch der inzwischen gestorbene Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba und der Kölner Kardinal Joachim Meisner das ZdK hart kritisiert. Meisner hatte erklärt, Äußerungen des ZdK seien mitverantwortlich dafür, dass in der Bundesrepublik der Eindruck entstehen konnte, der Papst sei eine "der katholischen Kirche in Deutschland gegenüberstehende Größe, fast eine fremde ausländische Macht".
    Ratzinger warf dem ZdK darüber hinaus vor, Glauben und Politik unzulässig zu vermischen. Nahezu alle bekannteren Mitglieder des ZdK seien prominentere Politiker, die im ZdK nicht gegen Lösungen auftreten könnten, die sie zuvor als Politiker selber beschlossen hätten, schreibt der Kardinal unter Hinweis auf die Debatte um die Schwangerenkonfliktberatung. Das ZdK beschäftige sich mit innerkirchlichen Streitigkeiten, anstatt das Evangelium zu den Menschen zu bringen. (Westfalenpost, 14.09.2000)

  • (2921) Wiesbaden. Die seit rund zwei Jahren anstehende Entscheidung des hessischen Kultusministeriums, ob islamischer Religionsunterricht an den allgemeinbildenden staatlichen Schulen eingeführt wird, verzögert sich weiter auf unbestimmte Zeit. Kultusministerin Karin Wolff (CDU) sieht noch "erheblichen Klärungs- und Informationsbedarf" bezüglich der 1998 gegründeten Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH), die den Antrag auf Erteilung des Konfessions-Fachs gestellt hatte und sowohl für die Auswahl der vom Land bezahlten Lehrer als auch für Inhalte und Form des Unterrichts offiziell mitverantwortlich wäre. Wolff bezieht sich auf ein offenbar kompliziertes Spektrum unter dem IRH-Dach, das von gemäßigten und aufgeschlossenen Gruppen und Nationalitäten bis hin zu extremistisch, fundamentalistisch orientierten Zirkeln reicht.Die Anerkennung der IRH als feste Religionsgemeinschaft und damit die Gleichbehandlung mit katholischer und evangelischer Kirche ist zwingende Voraussetzung, um das Fach islamische Religion zu etablieren. Das grundlegende Problem dabei: Der Islam ist keine einheitliche Lehre mit allgemeinverbindlichen Glaubensinhalten. Das Kultusministerium zitiert eine Expertise, die die IRH als "sunnitische Gruppierung mit dezidiert traditionalistischer Tendenz" einstuft, die Scharia-Normen äußerst eng und konservativ-dogmatisch auslege. Gegenüber andersdenkenden Muslimen zeige sie "geringe Dialogbereitschaft". Laut Wolff kommen zwei Gutachten zu dem Ergebnis, dass die IRH "keine Repräsentativität für den gegenwärtigen Islam beanspruchen kann". Eine große Kluft sieht die Ministerin auch noch zwischen den im Unterricht maßgebenden islamischen Glaubenssätzen und den verfassungsrechtlich verankerten Erziehungszielen. Als Beispiele nennt Wolff Religionsfreiheit, Toleranz, Verbot politischer Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit, Gleichberechtigung der Frauen. (Frankfurter Rundschau, 8.9.00)

  • (2922) Berlin. Der Kulturverein Anatolischer Aleviten will möglichst bald islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen anbieten. Sobald die Kölner Zentrale der Aleviten die Rahmenpläne für den Unterricht erstellt habe, würden die Unterlagen bei der Schulbehörde eingereicht. Die Aleviten können sich auch vorstellen, die Lehre des Koran parallel zur umstrittenen Islamischen Föderation anzubieten. Die Idee von Schul-Staatssekretaer Thomas Haertel (SPD), sich mit der Islamischen Föderation und den Islamischen Kulturzentren zu einigen, lehnen die Aleviten entschieden ab. Die Aleviten würden sich niemals mit den beiden Organisationen an einen Tisch setzen. Dies sei so, als ob sich Katholiken und Juden auf ein gemeinsames Jesusbild verständigen würden. Nach wie vor offen ist, ob und wann die Senatsschulverwaltung die eingereichten Rahmenpläne für einen Islam-Unterricht an Berliner Schulen genehmigt. Nach Angaben von Burhan Kesici von der Föderation seien lediglich noch "technische Probleme" zu klären. Dazu zählt Kesici unter anderem die Benotung. Schulsenator Klaus Boeger (SPD) hält sich bislang bedeckt. Die Prüfung der Rahmenpläne dauere an, sagte ein Sprecher der Schulverwaltung. (Berliner Zeitung, 18.9.00)

  • (2923) Frankfurt. Aus Zwang soll Freiwilligkeit werden. Das ist die Devise des Vereins zur Umwidmung der Kirchensteuer, der 1990 vor allem von katholischen, aber auch evangelischen Christen in Frankfurt am Main gegründet worden war und sich seither tapfer für die Schlachtung der "heiligen Kuh" Kirchensteuer einsetzt - obwohl sich zur Zeit keine Partei, ausgenommen Teile der Grünen, an dieses heiße Thema herantraut. Und die Kirchen zeigen angesichts der wieder rosigeren Einnahmen in den nächsten Jahren erst recht keine Bereitschaft, sich mit diesem Reizthema auseinander zu setzen.

    Auch ein 1992 eingereichter Antrag des Vereins bei der Verfassungskommission, die Abschaffung der Kirchensteuer politisch zu verankern, hatte keinerlei Erfolg. Dennoch glaubt die katholische Theologin Magdalene Bußmann aus Essen, Vorsitzende des Vereins zur Umwidmung der Kirchensteuer, dass langfristig die Kirchensteuer wackeln wird, "ganz einfach deshalb, weil die Kirchen ihr religiöses Monopol in der pluralistischen Gesellschaft verlieren werden". Diese Entwicklung sei schon heute zu beobachten.

    Für sinnvoller als die deutsche Kirchensteuerpflicht, noch dazu mit Hilfe des Staates eingetrieben, hält Bußmann eine Kultursteuer, wie sie in Italien und Spanien mit Erfolg eingeführt wurde. Dort können die Bürgerinnen und Bürger einen Teil ihrer Lohn- und Einkommenssteuer religiösen Institutionen ihrer Wahl zukommen lassen. "In diesem System hat auch die Kirche eine Chance", findet Bußmann, "allerdings muss sie mit ihren Angeboten konkurrenzfähig sein." Die Theologin freut sich darüber, dass der Dietrich-Bonhoeffer-Verein, ein Kreis kritischer Protestanten, die Idee der Kultursteuer ebenfalls in die politische Diskussion einbringen will, noch dazu mit dem weitergehenden Vorschlag, auch nichtkirchliche Initiativen und Bürgerbewegungen in den Kreis der möglichen Empfänger aufzunehmen. Beide Vereine wollen im Frühjahr kommenden Jahres mit einer großen Tagung auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Dazu gehört auch ihr Plädoyer für eine Kirchenfinanzierung auf freiwilliger Basis. (Frankfurter Rundschau, 22.9.00)

  • (2924) München. für einen Gottesbezug in der Präambel der Grundrechtscharta der Europäischen Union hat sich der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich ausgesprochen. Er vermisse in dem derzeit vorliegenden Entwurf zur Charta "jeglichen Hinweis auf die Verantwortung vor Gott", schreibt Friedrich in einem Brief an den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog. Dieser ist Vorsitzender eines Konvents zur Ausarbeitung der Grundrechtecharta. In dem Schreiben weist der Landesbischof darauf hin, dass in den Verfassungen mehrerer EU-Mitgliedstaaten ein Gottbezug vorhanden sei. Warum dieser in einem derart wichtigen Dokument nun fehlen solle, sei ihm unverständlich. Durch einen Gottbezug in der Präambel könnte Friedrich zufolge kenntlich gemacht werden, "dass menschliche Fähigkeiten nicht das Maß aller Dinge seien". Außerdem werde durch eine solche Aussage staatliche Macht "vor Größenwahn und Vergötzung geschützt." In dem Schreiben dankt der Landesbischof aber auch für die Intention der Charta, die EU nicht bloß zu einer Wirtschafts-, sondern auch zu einer Wertegemeinschaft zusammenwachsen zu lassen. (Süddeutsche Zeitung, 15.9.00)

  • (2925) Hamburg. Die beiden großen christlichen Kirchen bitten ihre Mitglieder in Hamburg vom kommenden Jahr an stärker zur Kasse. Die Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche hob ohne Debatte den Steuersatz in Hamburg von acht auf neun Prozent an. Der Kirchensteuerrat des Erzbistums Hamburg hatte den Aufschlag bereits eine Woche zuvor abgesegnet. Synoden-Präsidentin Elisabeth Lingner lobte die "historischen Beschlüsse", mit denen die Ungleichbehandlung im Norden endet. Bisher erhoben beide Kirchen nur in Schleswig-Holstein neun Prozent. Eine Welle von Austritten in Hamburg erwarte sie nicht, sagte Lingner. Sie schloss allerdings nicht aus, dass einige ohnehin "kirchenferne" Mitglieder austreten werden. (Hamburger Abendblatt, 25.9.00)

  • (2926) Köln. Wer sich Christ nennt, darf gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht unterstützen. Das meint zumindest der Erzbischof von Köln, Kardinal Meisner. Er forderte die Unionsparteien auf, das "C" im Namen zu streichen, wenn sie das "Anti-Ehe- und Familiengesetz" der SPD zur teilweisen Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften unterstützten: "Wenn die CDU da fällt, dann sollte sie das 'C' ablegen." CDU und CSU hätten ein "nebulöses christliches Menschenbild", das sich nicht am christlichen Gottesbild orientiere. (humanist.de, 7.10.00)
    Anm. MIZ: Wo er Recht hat, hat er Recht: Die "Homo-Ehe" verstößt eindeutig gegen "Gottes Wort", wie nachfolgendes Zitat eindrucksvoll belegt: "Und wenn ein Mann bei einem Mann liegt, wie man bei einer Frau liegt, [dann] haben beide einen Greuel verübt. Sie müssen getötet werden, ihr Blut ist auf ihnen." (3. Mose, 18:22)

  • (2927) München. In seiner Talkshow mit dem Thema "Sanfte Medizin: Rückenschmerzen müssen nicht sein (Teil 2)" hatte Jürgen Fliege wissentlich einen "Heiler" ohne medizinische oder physiotherapeutische Qualifikationen auftreten lassen. Obwohl Fliege von der Kompetenzlosigkeit des "Ischiasheilers" Willi Seibert wusste, ließ er ihn seine Fähigkeiten an einem weiblichen Studiogast mit 30-jähriger Leidensgeschichte demonstrieren.
    Das Forum Kritische Psychologie erstattete Strafanzeige: gegen Willi Seibert wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz; gegen Jürgen Fliege und seine Produktionsgesellschaft Teletime, weil sie durch ihr Verhalten diesem Verstoß "Vorschub geleistet" hätten. Auf einer eigens aufgebauten Behandlungsliege hatte der "Heiler" mit dem Ellbogen und beachtlichem Kraftaufwand an neuralgischen Punkten am Rücken der Patientin herumgedrückt. Seibert ist freilich nicht nur zu solchen Eingriffen nicht befugt, er setzte die Patientin auch dem "enormen Risiko einer Verschlimmerung des Leidens aus", wie es in der Anzeige heißt. Dass die Patientin nach der "Behandlung" zunächst von einer Verbesserung sprach, ist laut Colin Goldner vom Forum Kritische Psychologie auf "Suggestion, Autosuggestion und den großen Druck" der öffentlichen Darbietung zurückzuführen - mögliche Risiken kamen in der Sendung nicht zur Sprache. Fliege, der selbst Pfarrer für "zuhörende Heiler" hält, hat Seibert offenbar abgenommen, was der als einzige Qualifikation angegeben hatte: Er sei eben "von Gott befähigt", Ischiasschmerzen zu heilen. (taz, 6.10.00)

Schweiz

  • (2928) Bern. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist von Opfern des kleriko-faschistischen Ustascha Regimes während des Zweiten Weltkriegs in Kroatien verklagt worden. Die Kläger erklärten, die Vatikanbank, die SNB und andere Banken hätten Geld, Silber und andere "Schätze" entgegen genommen. Sie fordern von der SNB Aufklärung über den Sachverhalt, eine Rückerstattung der Einlagen sowie Auskunft über Vatikan-Konten in der Schweiz. (Berner Zeitung 15.9.00)

  • (2929) Olten. Die Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP) ist über die zunehmende Verfolgung christlicher und anderer religiöser Minderheiten in Indien besorgt. An der Delegiertenversammlung der in Olten referierte der Vorsitzende des "All India Christian Council" (AICC), Joseph D. Souza (Hyderabad), als Gast über die Lage der Christen in dem Subkontinent. Souza zeigte sich laut Communiqué überzeugt davon, dass die verschiedenen Übergriffe fundamentalistischer Hindus in der letzten Zeit auf Christen und ihre Einrichtungen nicht sporadischer Natur sind. Sie beruhten vielmehr auf dem Wunsch, aus dem laizistisch verfassten Indien ein Land zu machen, wo allein die oberen Kasten das Sagen haben sollen. Diesem Vorhaben stünden die Christen und andere religiöse Minderheiten wie Moslems, Buddhisten, Sikhs im Wege. In den letzten Jahrzehnten seien viele Inderinnen und Inder durch christliche Schulen ausgebildet worden, was dazu geführt habe, dass sie - ob inzwischen Christen geworden oder nicht - ihre Rechte im Staat wahrnehmen wollen, auch wenn sie aus niederen Kasten stammen.
    Der Referent geißelte den Rassismus, der sich im Kastenwesen äußert und erklärte, die wachsende Verfolgung habe auch zu einer verstärkten Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen im Lande geführt. So seien im AICC die verschiedensten Kirchen und Organisationen von römisch-katholisch bis zu Pfingstgemeinden vertreten. Zudem werde das Gespräch mit moderaten Hindus und den Moslems gepflegt mit dem Ziel, die Glaubens- und Gewissensfreiheit in Indien zu erhalten. Die Schweiz könne viel für Indien tun, meinte Souza, indem auf allen Ebenen von Politik und Außenhandel der Religionsfreiheit Beachtung geschenkt werde. (Reformierte Presse, 28.8.00)

Niederlande

  • (2930) Den Haag. Abgeordnete protestantischer Parteien in Hollands Parlament boykottierten den Gottesdienst vor der Thronrede von Königin Beatrix.. Sie störte, dass an dem Gottesdienst erstmals Muslime, Hindus und Juden teilnahmen. (WAZ, 13.9.00)

Belgien

  • (2931) Namur. Der belgische Pfarrer Louis André (62) muss für 30 Jahre ins Gefängnis, weil er mindestens 26 minderjährige Jungen und Mädchen sexuell missbraucht hat. Das Schwurgericht in Namur verurteilte den 62-Jährigen zur Höchststrafe. Er hatte seine Taten in einem Zeitraum von über 32 Jahren in verschiedenen Pfarreien begangen. Der Mann soll mindestens fünf Kinder vergewaltigt und 21 anderen sexuelle Gewalt angetan haben. Der ehemalige Pfarrer hatte sich im Prozess uneinsichtig gezeigt. "Wenn man den Kindern kein bisschen Liebe mehr geben kann, dann lohnt es sich nicht, sich mit ihnen zu beschäftigen", wurde er in der Presse zitiert. (WAZ, 27.10.00)

Großbritannien

  • (2932) London. Prinz Charles, britischer Thronfolger, kann sich auch einen Katholiken auf dem Thron vorstellen. Das enthüllte der ehemalige Chef der britischen Liberaldemokraten, Paddy Ashdown, in seinen Erinnerungen. Ein Gesetz von 1701 lässt nur Anglikaner als britische Könige zu. Charles sagte nach Ashdowns Angaben vor fünf Jahren in einem privaten Gespräch zu ihm: "Ich kann mir wirklich keinen Grund vorstellen, warum wir keinen Katholiken auf dem Thron haben sollten."
    Diese Äußerung wurde in der britischen Presse als brisante Stellungnahme gewertet. Staatsrechtler beschuldigten Ashdown, Charles mit seinen Enthüllungen in große Verlegenheit gebracht zu haben. Der britische Monarch ist gleichzeitig Oberhaupt der anglikanischen Kirche und führt den Titel "Verteidiger des Glaubens". Vor einiger Zeit hatte Charles bereits gesagt, er wolle eher ein "Verteidiger der Religionen" sein als der Interessenvertreter der Anglikaner. (Schwäbische Zeitung, 25.10.00)

  • (2933) London. Auch fast fünfhundert Jahre nach der Kirchentrennung zwischen Rom und London sind offensichtlich noch immer manche Ressentiments lebendig. So erklärte der Buckingham-Palast im Vorfeld des Besuchs von Königin Elizabeth II. im Vatikan, die Queen werde den Papst nicht als weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche, sondern als Staatsoberhaupt besuchen. Ein gemeinsames Gebet werde ebenso wenig stattfinden, wie eine Vergebungsbitte im Namen der jeweiligen Glaubensgemeinschaft für die Fehler der Vergangenheit, wie Kathpress meldet.
    Beide Seiten hätten nach Presseberichten zunächst ein gemeinsames Gebet befürwortet. Grund für den Verzicht sei die Sorge, "beharrende" Anglikaner und Katholiken in Großbritannien zu verstören, wenn die Frage nach der Rolle der Monarchin als Kirchenoberhaupt ins Spiel gebracht werde. (Spiegel online, 26.10.2000

Frankreich

  • (2934) Caen. Wegen sexueller Misshandlung von elf Jungen ist ein Geistlicher im französischen Caen zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der 56-jährige ehemalige Pfarrer zwischen 1987 und 1996 an dem ihm anvertrauten Minderjährigen vergangen hat. 1998 hatte sich ein Opfer der Polizei offenbart. Die Staatsanwaltschaft hatte für den geständigen Angeklagten, den ein Gutachter als sexuell pervers beschrieb, zwölf Jahre Gefängnis gefordert. Der Geistliche hatte in dem Prozess ausgesagt, die Taten mehrfach gebeichtet zu haben. Der als Zeuge vernommene Erzbischof von Bayeux-Lisieux verweigerte vor Gericht die Aussage zu den Vorwürfen. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Nichtanzeige von Straftaten. (Yahoo.de, 6.10.00)

  • (2935) Nizza. Konservative katholische Priester sind in Südfrankreich zusammengekommen um gegen das "Satans-Fest" Halloween zu demonstrieren. Das Fest, bei dem Kinder als Geister, Hexen und Kobolde verkleidet von Haus zu Haus ziehen, um Süßigkeiten zu betteln, sei der Häßlichkeit, dem Satan und dem absolut Bösen gewidmet. Die Priester kritisierten zudem, dass die "direkt aus den USA importierten" Halloween-Parties kommerziell ausgenutzt würden und unmittelbar vor dem Allerheiligenfest stattfinden. "Sie können nicht alles vermischen, nur um Spaß zu haben", sagte ein Pfarrer. (Kurier, 26.10.00)

Italien

  • (2936) Neapel - Tausende Gläubige haben in der überfüllten Kathedrale von Neapel das "Blutwunder des Heiligen Januarius" gefeiert. Kardinal Michele Giordano hielt vor den Blicken der Zuschauer zwei Ampullen in die Höhe, in denen sich eine ansonsten feste Substanz angeblich zu einer roten Flüssigkeit verwandelt hatte. Zuvor hatten die Gläubigen eine Stunde lang für die Wiederholung des "Blutwunders" gebetet, das als gutes Omen für die Stadt gilt. In der Vergangenheit hatten die Neapolitaner oft tagelang auf die Verflüssigung warten müssen. In den Ampullen befindet sich kirchlicher Überlieferung zufolge Blut des Heiligen Januarius, der im Jahre 305 den Märtyrertod starb. Das "Wunder" wiederholt sich zwei Mal im Jahr, am 19. September und im Mai. (Aol-Newsbote, 9.9.00)

  • (2937) Rom. Es braucht nicht viel, um Menschen an Dämonen und Besessenheit glauben zu lassen. Durch eine Reihe schlicht anmutender Experimente konnte eine amerikanische Psychologin zeigen, wie leicht die Einstellungen und Erinnerungen von Menschen manipuliert werden können. Das Hauptexperiment wurde mit 200 Studenten in Italien durchgeführt. Die Studenten hielten Dämonenerzählungen für Ammenmärchen, bis sie einer so genannten "Plausibilitäts-Manipulation" unterzogen wurden: Sie erhielten Texte, von denen einige behaupteten, dass Dämonen und Besessene in Italien sogar recht häufig seien, und Kinder oft Zeugen solcher Ereignisse seien. Eine Woche später wurde allen erzählt, dass ihre Ängste auf eine als Kind miterlebte Besessenheit hindeuten könnten.
    Zum Schluss des Experimentes meinten viele der Studenten, dass Dämonen doch nicht so unglaublich seien. Jeder Fünfte glaubte sogar, als Kind eine Dämonen-Besessenheit miterlebt zu haben. Die Forscherin betont, dass das Annehmen fremder oder falscher Erinnerungen ein ganz normaler Prozess sei. Dies könne jedem passieren - nicht nur besonders anfälligen Personen. (WDR Radio, 17.10.00)

Vatikan

  • (2938) Vatikanstadt. Trotz scharfer internationaler Proteste hat Papst Johannes Paul II. seinen Amtsvorgänger Pius IX. selig gesprochen. Pius, der von 1846 bis 1878 amtierte, gilt als eine der umstrittensten Gestalten der jüngeren Kirchengeschichte. In Israel stieß die Würdigung auf scharfe Ablehnung. Sprecher jüdischer Organisationen warfen ihm Antisemitismus vor. Kirchenhistoriker kritisierten, Pius sei unbelehrbar konservativ gewesen und habe fortschrittliches Denken verdammt. In seiner Predigt wies Johannes Paul darauf hin, dass die Kirche mit einer Seligsprechung nicht "besondere historische Optionen" eines Kandidaten würdige, sondern zur Nachahmung und Verehrung von dessen Tugendhaftigkeit aufrufe. "Er wurde sehr geliebt, aber auch gehasst und verleumdet", sagte der Papst über Pius. Er sei ein Beispiel bedingungsloser Gläubigkeit gewesen. Zugleich war er der Urheber des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas, das er 1870 beim Ersten Vatikanischen Konzil gegen erhebliche Widerstände durchsetzte. Katholische Kirchenhistoriker des deutschen Sprachraums hatten einstimmig eine Resolution gegen die Seligsprechung von Pius verabschiedet. Er habe die Kirche als Bollwerk gegen die Moderne betrachtet und mit seinem 1864 veröffentlichten "Syllabus errorum" den Liberalismus verdammt. Zugleich habe er die alten Unterdrückungen der Juden im damaligen Kirchenstaat erneuert.
    "Für Juden passt die Seligsprechung einfach nicht mit den jüngsten Entschuldigungen der katholischen Kirche für früheren Antisemitismus zusammen", schrieb die Jerusalem Post. Erst im März hatte der jetzige Papst die Sünden der Kirche bei den Leiden der Juden beklagt. (Westfälische Nachrichten, 4.9.00)

  • (2939) Vatikanstadt. Der Vatikan hat bestätigt, dass Papst Johannes Paul II. den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider empfangen wird. Der Landeshauptmann von Kärnten werde am 16. Dezember eine Audienz erhalten. Das südösterreichische Bundesland wird in diesem Jahr den großen Weihnachtsbaum auf dem Petersplatz stiften. Der Christbaum wird jedes Jahr von einem anderen Land gespendet; im vergangenen Jahr kam er aus Tschechien. Traditionsgemäß empfängt der Papst eine Delegation des jeweiligen Spender-Landes. Haider werde bei seinem Besuch von Abgeordneten und Kirchenvertretern begleitet, teilte der Vatikan weiter mit. In Italien ist Haider heftig umstritten: Während der Küstenort Jesolo ihn zum Ehrenbürger machte, hat Außenminister Lamberto Dini die österreichische Regierung aufgefordert, Haider in Zukunft an Reisen nach Italien zu hindern. (Berliner Zeitung, 25.8.00)

  • (2940) Vatikanstadt. Eigentlich sollten im Heiligen Jahr alle Personalfragen, vor allem an der Spitze der römisch-katholischen Kirche, unangetastet bleiben und auf Beginn des Jahres 2001 verschoben werden. Entgegen dieser Vorgabe ernannte Papst Johannes Paul II. Anfang September Erzbischof Giovanni Battista Re (66) zum neuen Präfekten der Bischofs-Kongregation. Er wird Nachfolger des brasilianischen Kardinals Lucas Moreira Neves (75), der an einer schweren Diabetes leidet. Re übernahm von Neves auch die Leitung der päpstlichen Lateinamerika-Kommission. Der enge Vertraute des Papstes soll schon bald Kardinal werden. In dieser Position wird er ausschlaggebend an der Wahl des neuen Papstes beteiligt sein. Kenner des Vatikans halten es sogar für möglich, dass Re selbst Chancen auf das höchste Amt der katholischen Kirche hat.
    Re zählt im Vatikan zu den konservativen Kräften der Kurie. Fast schon legendär ist seine Tüchtigkeit und sein Einsatz, mit dem er in den vergangenen elf Jahren als "Substitut" im vatikanischen Staatssekretariat arbeitete. Re, in Brescia (Norditalien) geboren, trat bereits 1963 in das Diplomatische Corps des Vatikans ein. Er arbeitete in Panama und in Iran, bevor er nach Rom zurückkehrte. In seiner Zeit als vatikanischer "Innenminister" erlangte er die Gunst des Papstes, weshalb eine Beförderung in der Vatikansspitze bereits seit längerem erwartet wurde. In seiner neuen Position nimmt Re die Schlüsselrolle bei der Berufung von Bischöfen in aller Welt ein, ein sehr wichtiges Amt im Vatikan. Auch Vorgänger Neves galt zeitweilig als eventueller Papst-Nachfolger. (Hamburger Abendblatt, 18.9.00)

Rußland

  • (2941) Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich in einem Interview als gläubiger Christ bekannt. "Mein Glaube gibt mir innere Ruhe", sagte er der französischen Tageszeitung Le Figaro. Die Zugehörigkeit zur russisch-orthodoxen Kirche sei für ihn eine Bereicherung. "Dadurch entsteht eine persönliche Beziehung zu meinem Volk und zu seiner Kultur", sagte der Staatschef. Putin erinnerte in dem Interview daran, dass die Ausübung der Religion in der Sowjetunion "nicht ungefährlich" gewesen sei. (Dolomiten, 27.10.00)

  • (2942) Moskau. In der Russisch-Orthodoxen Kirche, einer der größten der Welt, herrscht das Finanzchaos. Das berichtet das Ostkirchenforschungsinstitut Keston (Oxford). Es beruft sich auf eine unabhängige Studie unter dem Titel "Die dunklen Seiten der wirtschaftlichen Aktivitäten der Russisch-Orthodoxen Kirche". Danach versickern Kirchengelder in dunklen Kanälen, eine Kirchenmafia profitiere vom Verkauf unverzollter Zigaretten und türkischem Gold, und Schmiergeldzahlungen seien an der Tagesordnung. Das Moskauer Patriarchat müsse zugeben, dass ihm der vollständige Überblick fehle. Dessen Sprecher, Vsevolod Chaplin (Moskau), habe die Studie zwar als "größtenteils übertrieben" bezeichnet, aber eingeräumt, dass es zahlreiche Probleme gebe. Die Gemeinden, Klöster und Diözesen hätten nicht genügend Eigenmittel. Keston kritisiert, dass es der kirchlichen Finanzverwaltung an "Glasnost" (Offenheit) mangele. Weil die Verteilung von Kirchenmitteln nicht funktioniere, müßten die 76 Diözesen und rund 7.000 Gemeinden sehen, wie sie durch eigene kommerzielle Unternehmungen, etwa den Verkauf von selbst gebranntem Wodka oder Kerzen, an Geld kämen. Die Beiträge der Gemeindemitglieder überstiegen selten die Summe von etwa 2.600 Mark pro Jahr; daraus müßten sie unter anderem das Gehalt des Priesters und die Instandhaltung der Kirche zahlen. Wie zur Sowjetzeit seien "schwarze Kassen" weit verbreitet. (idea-online, 27.10.00)

  • (2943) Moskau. Der Betrieb der untergegangenen "Kursk" sowie der anderen russischen Atom-U-Boote wurde bzw. wird zu einem erheblichen Teil aus Spendengeldern der russisch-orthodoxen Kirche finanziert. Der Klerus sieht seinen Beitrag zur Vaterlandsverteidigung als wichtigen Teil seines christlichen Auftrags an. Zum einen erhofft er sich eine Verbesserung seines Images bei konservativen Bevölkerungskreisen, zum anderen zeigen sich Missionserfolge beim Militär. Ein hoher Marine-Offizier bezeichnete den christlichen Einfluß als förderlich für die Kampfmoral. In der "Kursk" hing das orthodoxe Kreuz genau an der Stelle, an der früher der rote Stern nebst Sichel und Hammer angebracht war. Den Untergang konnte es allerdings auch nicht verhindern ... (3Sat Auslandsjournal extra, 25.8.2000)

Rumänien

  • (2944) Iasi. In Rumänien ist eine 46-jährige Lehrerin aus dem Schuldienst entlassen worden, weil sie als angebliche "Braut Jesu" ein Jahr lang im Hochzeitskleid ihre Schüler unterrichtete. Florentina Caileanu sei in ihrer Schule in der nordwestrumänischen Stadt Iasi mehrmals wegen ihres Verhaltens ermahnt worden und trotzdem immer wieder im weißen Brautkleid zum Unterricht erschienen, sagte die Schulinspektorin des rumänischen Bildungsministeriums, Camelia Gavrila. Ihren kleinen Schülern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren erzählte die Junggesellin regelmäßig, sie sei "die Ehefrau von Jesus". Wegen der fortgesetzten Klagen von Eltern sah sich das Ministerium schließlich gezwungen, die Lehrerin zu entlassen. (Mittelbayerische Zeitung, 18.10.00)

Nordamerika

USA

  • (2945) New York. Abtreibungsgegnerinnen in den USA wollen einen neuen Weg einschlagen, um gegen Abtreibungskliniken vorzugehen. Ähnlich wie Raucher, die Tabakkonzerne mit Schadenersatzklagen in Millionenhöhe überziehen, wollen sie vor Gericht hohe Entschädigungen für Frauen erzwingen, die nach Schwangerschaftsabbrüchen psychische und körperliche Schäden erlitten haben. Die Amerikanische Lebens-Liga (ALL) verweist darauf, dass immer noch die Vorstellung vorherrsche, dass eine Abtreibung für die Frau relativ risikolos sei. Abtreibungskliniken klärten die Schwangeren kaum über mögliche Folgeschäden auf wie Selbstmordgedanken, Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, Depressionen und Alkoholismus. Millionen Frauen könnten auf Wiedergutmachung klagen. Falls sie hohe Entschädigungen zugesprochen bekämen, würde dies eventuell das finanzielle Aus für einige Abtreibungskliniken bedeuten.
    Unterdessen hat eine wissenschaftliche Langzeitstudie, die der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft vorgelegt wurde, gezeigt, dass Frauen in den ersten sechs Jahren nach einem Schwangerschaftsabbruch etwa doppelt so oft seelisch erkranken wie Mütter, die ihr Kind zur Welt bringen. Dies treffe besonders auf Frauen mit geringem Einkommen zu, so die Autoren der Studie, die Psychologieprofessoren Priscilla Coleman und David Reardon. In den USA besteht seit einem Grundsatzurteil des Obersten Gerichts aus dem Jahr 1973 ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch. (idea-online, 18.8.00)
    Anm. MIZ: Die Kunst der Sozialforschung besteht weniger im quantitativen Sammeln von Daten als in ihrer qualitativen Deutung. Auch im Fall der oben genannten Studie kann man leicht zu Fehldeutungen kommen. So werden Abtreibungsgegnerinnen gerne übersehen, dass die beschriebenen psychischen Probleme nicht zuletzt darauf zurückzuführen sind, dass den Frauen durch die massive Propaganda gegen den Schwangerschaftsabbruch ein schlechtes Gewissen eingeredet wurde. Außerdem: Würden die Frauen gezwungen, ihre Kinder ungewollt auszutragen, statt abzutreiben, würde hierdurch sicherlich auch die Zahl der seelisch erkrankten Mütter steigen. Kurzum: Die Studie kann kaum als Beleg für die Sinnhaftigkeit christlicher "Lebensschutz"-Kampagnen angeführt werden.

  • (2946) New York Wer der Bibel bisher Glauben geschenkt hat, dürfte die Welt nicht mehr verstehen: Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, dass unsere sprichwörtlichen Urahnen Adam und Eva sich nie begegnet sind. Das wird in der November-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Genetics berichtet. Adam, der genetische Urvater vom Schlag des Homo sapiens sapiens, habe etwa 84.000 Jahre später gelebt als die genetische Eva. Seit längerem gehen Genforscher bereits davon aus, dass die weibliche Vererbungslinie auf eine Frau zurückzuführen ist, die vor 143.000 Jahren in Afrika lebte. Über unzählige Generationen soll sich ihr genetisches Profil weltweit ausgebreitet haben.
    Die weibliche Vererbungslinie wird anhand der Mitochondrien untersucht . Diese "Zellkraftwerke" werden nur von der Mutter weitergegeben und besitzen eigenes Erbgut. Dagegen beruht die weltweit vorherrschende Variante des männlichen Y-Chromosoms auf dem Erbgut eines Mannes, der erst vor rund 59.000 Jahren in Afrika zur Welt gekommen sein soll. Zu spät für ein Treffen mit Eva. Das ist das Ergebnis einer Genanalyse von mehr als 1000 Männern in 22 geografischen Regionen, die das Team um Peter Underhill von der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, in der Zeitschrift veröffentlichte. Die heute weltweit vorherrschenden Chromosomen der Menschen hätten sich demnach zu verschiedenen Zeiten entwickelt, so die Wissenschaftler. Die zur Zeit Evas verbreiteten Variationen des männlichen Geschlechtschromosoms wurden 84.000 Jahre später von der "Adam-Version" übertrumpft. (Spiegel-online, 31.10.00)

  • (2947) Washington. Politische Experten in Washington haben die religiösen Äußerungen von US-Senator Joseph Lieberman als "Spiel mit dem Feuer" bezeichnet. Als Lieberman auf einer Wahlveranstaltung für "eine wichtigere Rolle der Religion im öffentlichen Leben" plädierte, geriet er ins Kreuzfeuer der Kritik. Das verwunderte nicht sonderlich in einem Land, das (aufgrund der Vielfalt religiöser Überzeugungen) wie kaum ein zweites auf Trennung von Staat und Religion besteht. Noch heute darf in öffentlichen Schulen kein Gebet gesprochen werden. Ebenso wenig dürfen zur Weihnachtszeit Krippen oder andere christliche Embleme in oder vor öffentlichen Gebäuden gezeigt werden.

    Überraschend an der Kritik war, dass sie zuerst aus den eigenen Reihen kam, nämlich von der Anti-Defamation-League (ADL), einer jüdischen Organisation, die vehement gegen Antisemitismus kämpft. Sie warnte Lieberman davor, die "Religion zu politischen Zwecken zu missbrauchen". Lieberman musste erkennen, dass seine Wortwahl, wonach der "Verfall der moralischen Werte, besonders in der Pop-Kultur, durch eine Stärkung der Religion" aufgehalten werden müsse, nicht ganz glücklich und für viele Bürger beleidigend war. So wehrten sich neben der ADL eine ganze Reihe von Bürgerrechtsorganisationen, die darauf hinwiesen, dass es sehr viele Menschen mit einem strengen ethischen Verständnis und einer hohen Moral gebe, die in keiner Weise religiös seien und das eine nicht mit dem anderen gekoppelt werden dürfe. (Berliner Morgenpost, 4.9.00)

  • (2948) Rockford. Ein katholischer Priester richtete in einer Abtreibungsklinik in Rockford (US-Staat Illinois) schweren Schaden an. Der 32-Jährige fuhr mit seinem Auto in der Nacht durch die Eingangstür der Klinik und zerschlug dann mit einer Axt das Mobiliar im Flur, so die Polizei. Gestoppt wurde der Geistliche erst durch den Besitzer des Gebäudes, der Warnschüsse abfeuerte. "Er hätte meinen Kopf abgehackt, wäre ich nicht bewaffnet gewesen", sagte Gerald Webster. Der Priester wurde festgenommen und gegen Kaution wieder freigelassen. (WAZ, 2.10.00)

  • (2949) Oklahoma City. Eine Schülerin im US-Bundesstaat Oklahoma ist nach Angaben einer Bürgerrechtsbewegung wegen Hexerei vom Unterricht ausgeschlossen worden. Im Namen der Minderjährigen reichte die Organisation Klage ein. Der Konrektor ihrer Schule hatte die Disziplinarstrafe damit begründet, dass sie einen Lehrer verhext habe, so dass er schwer erkrankt sei. Der Vater der Zehntklässlerin äußerte sich entrüstet: "Ich kann kaum glauben, dass ich im Jahr 2000 vor Gericht ziehen muss, um meine Tochter vor Hexerei-Vorwürfen zu schützen." (WAZ, 30.10.00)

Afrika

Kenia

  • (2950) Nairobi. Über 50 ältere Männer sind im August in Westkenia überfallen und gewaltsam beschnitten worden. Unter den Opfern sei auch ein Geistlicher der Anglikanischen Kirche, meldete die Daily Nation in Nairobi. (WAZ, 29.8.00)

Uganda

  • (2951) Kampala. Gegen den Gebrauch von Kondomen als Schutz vor Aids hat sich der Apostolische Nuntius in Uganda, Erzbischof Christoph Pierre, ausgesprochen. Kondome böten keinen Schutz vor Ansteckung, sondern förderten sexuelle Freizügigkeit, so der Geistliche bei einem Gottesdienst. (WAZ, 21.8.00)

Asien

Indien

  • (2952) Delhi. Folter im "Heim der Nächstenliebe": Eine Nonne des Schwesterordens Missionaries of Charity, der von Mutter Teresa in der indischen Stadt Kalkutta gegründet wurde, hat die Hand eines siebenjährigen Mädchens auf einer heißen Platte verbrannt. Schwester Nirmala, die gegenwärtige Leiterin des in aller Welt aktiven Ordens, gab zu: "Schwester Francesca hat die zulässigen Grenzen überschritten." Die beschuldigte Ordensfrau stellte sich in Begleitung ihrer Chefin den Behörden und durfte nach Hinterlegung einer Kaution heimkehren. Eine Untersuchung des Ordens ergab nun, dass die Anklage stimmt. Schwester Francesca habe vier Mädchen bestrafen wollen, weil sie ihre Sachen gestohlen hätten. Der Orden versicherte, die Untersuchungen nicht behindern zu wollen. Der Prozess soll im Oktober stattfinden.

    Der Skandal kommt manchen Kreisen in Indien mehr als gelegen. Unter der Regierung des hindunationalistischen Premierministers Atal Bihari Vajpayee häufen sich Zwischenfälle, in denen Anhänger des Regierungschefs Christen überfallen und verprügeln. Hindunationalistische Gruppen beschuldigen Indiens Christen, die nur 2,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen, gemeinsame Sache mit Terroristen und ominösen fremden Mächten zu machen. (Baseler Zeitung, 22.9.00)

Oman

  • (2953) Oman. Emanzipation in kleinen Schritten: Im islamischen Sultanat Oman können Frauen jetzt auch als Taxifahrerinnen arbeiten. Sie dürfen allerdings nur weibliche Fahrgäste befördern und nicht auf Kundensuche durch die Straßen fahren, sondern können nur direkt gerufen werden. (WAZ, 5.9.00)

Israel

  • (2954) Tel Aviv. Ein orthodoxer Jude ist in Tel Aviv unter dem Verdacht festgenommen worden, vier Prostituierte getötet und acht Bordelle angezündet zu haben. Er war auf frischer Tat ertappt worden, als er erneut ein Feuer legen wollte. Der 34-Jährige habe die Stadt "reinigen" wollen. (taz, 28.8.00)

China

  • (2955) Peking. Entgegen aller Proteste aus Peking hat Papst Johannes Paul II. in Rom 33 Missionare und 87 chinesische Katholiken heilig gesprochen. Die meisten von ihnen waren im Jahr 1900 während des sogenannten Boxer-Aufstands umgekommen, der sich gegen das Christentum und die westlichen Staaten richtete. China betrachtet den Aufstand als legitimen Widerstand gegen den europäischen Imperialismus. (WAZ, 2.10.00)