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(533) Ansbach. Nach Otto von Habsburg führt Atheismus notwendig zum Kollektivismus. Der Chef der
rechtslastigen Paneuropa-Bewegung (vgl. MIZ 3/80) behauptete in einem Referat "Christentum - die Seele Europas" vor der
Ackermann-Gemeinde in Ansbach ferner, daß heute kaum ein Wissenschaftler noch Materialist oder Atheist sein könne. Einzig die
zwingende Logik (!) habe "zu dieser Wende des Geistes hin zu einem persönlichen Gott geführt". (Deutsche Tagespost, 11.4.84.)
Abgesehen davon, daß Habsburg unfähig oder nicht willens ist, die in Westeuropa anwachsende atheistische Bewegung zur Kenntnis
zu nehmen, deren Qualität sich erheblich von dem in osteuropäischen Ländern häufig praktizierten stereotypen Staats-Atheismus
unterscheidet, so stellt er seine Diffamierungskampagne mit der Formel: Atheist gleich Kommunist ganz in den Dienst der
klerikalen antikommunistischen Kreuzzugsideologie. Selbst bei sogenannten progressiven Christen, aber auch bei bürgerlichen
Liberalen und Sozialdemokraten gibt es offenkundig ein großes Publikum, das solche undifferenzierten Thesen widerspruchslos
hinnimmt. Habsburgs Auffassung, einzig die zwingende Logik habe zu einer Wende hin zum Glauben an einen persönlichen Gott
geführt, wird dagegen sogar schon in Kirchenkreisen angezweifelt. Viele Christen räumen freimütig ein, daß die Ausbreitung des
Vernunftdenkens und der Naturwissenschaften namentlich bei Intellektuellen eine weitgehende Abkehr vom Glauben bewirkt
haben.
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(534) Grühl. Eine 13jährige buddhistische Kambodschanerin wurde vom katholischen
St.-Ursula-Gymnasium in Brühl auf Weisung des erzbischöflichen Generalvikariats in Köln nicht als Schülerin aufgenommen.
Begründung: Katholische Schulen sind für Katholiken da. (Süddeutsche Zeitung, 15.3.84.) Katholische Schulen werden in
Nordrhein-Westfalen zu über 80 Prozent vom Staat, d.h. aus Steuermitteln, finanziert.
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(535) Bielefeld. Das katholische Kolping-Berufsbildungswerk in Brakel (Kreis Höxter) soll durch
Belegfälschung mehrere Millionen Mark von der Bundesanstalt für Arbeit kassiert haben. Der Geschäftsführer, gegen den
Haftbefehl erlassen wurde, hätte sich nach Bekanntwerden des Verdachts selbst der Polizei gestellt. Zur Klärung der
Betrugsaffäre hat die Staatsanwaltschaft auch in anderen Kolping-Einrichtungen Unterlagen beschlagnahmt. (Süddeutsche Zeitung,
22.3.84.)
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(536) Berlin. Das Oberverwaltungsgericht Berlin stellte fest, daß die "Transzendentale Meditation"
als Jugendsekte oder neue Jugendreligion bezeichnet werden darf. Der Trägerverein mit dem verharmlosenden Namen "Internationale
Meditationsgesellschaft - Deutscher Verband e.V." hatte vergebens verlangt, aus einem Bericht über "Jugendsekten und
Psychokulte" gestrichen zu werden.
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(537) München. In einer rechtskräftiqen Entscheidung hat die Bezirkregierung von Oberbayern der
"Scientology Church" das steuersparende Attribut der Gemeinnützigkeit aberkannt, weil diese Organisation eindeutig
wirtschaftliche Ziele "mit den Mitteln eines Geschäftsbetriebs" verfolge. Zugleich wurde der Entzug der Rechtsfähigkeit durch
die Stadt München bestätigt. (Süddeutsche Zeitung, 13.3.84.)
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(538) Düsseldorf/Nürnberg. Mit Sorge registriert die nordrhein-westfälische Landesregierung die
immer raffinierteren Werbemethoden der Jugendsekten. Speziell die Baghwan-Sekte versucht, öffentliche Diskotheken und
Gaststätten in Großstädten zu betreiben, was ihr in bislang elf Fällen (in der BRD) gelungen ist. Eine andere Sekte bemühte
sich sogar um die Teilnahme am diesjährigen Kölner Rosenmontagszug. Auch Unterwanderungsversuche von Vereinen wurden
festgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt der Baghwan-Sekte ist Nürnberg, wo neben einer Nobeldiskothek noch ein "Meditations-
und Body-Center", eine Maßschneiderei und ein von Baghwan-Jüngern betriebener Einkaufsservice zum Wirkungsfeld der Sekte
gehören. (Deutsche Tagespost, 21.3.84 und Süddeutsche Zeitung, 2.5.84.)
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(539) München/Freising. Eine Umfrage der katholischen Kirche im Bereich der Erzdiözese München und
Freising ergab, daß die bäuerliche Jugend zwar stärker an die Kirche gebunden ist als die städtische, es gebe aber auch viele
Zeichen für einen "Verlust an religiöser Substanz". Etwa ein Drittel der katholischen Dorfjugend nimmt heute nicht mehr am
früher selbstverständlichen Sonntags-Kirchgang teil. Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, des
höchsten katholischen Laiengremiums, forderte sogar die Einberufung einer eigenen Synode, weil sich so viele Katholiken von der
Kirche zurückzögen, ohne deshalb gleich auszutreten. Mit ein Grund dafür sei das Auseinanderdriften von kirchlicher Lehre und
Alltagsmoral. (Süddeutsche Zeitung, 12.3.84 u. 11.4.84.)
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(540) Dachau. Auf einer Studientagung der Erzdiözese München und Freising zum Thema "Verliert die
Kirche die Bauern?" beschwor Bayerns Landwirtschaftsminister Eisenmann die Einheit von Kreuz und Pflug: "Die Landwirtschaft ist
durch ihre enge Verbindung mit der Natur seit jeher in besonderer Weise dem biblischen Schöpfungsauftrag verpflichtet." -
Verblüffung erntete er auch für die Bemerkung, die Qualität bayerischer Landprodukte sei ohne ethische Grundhaltung nicht zu
gewährleisten. Der Tagungsleiter, ein Pfarrer, räumte allerdings ein, auch die Gläubigkeit der Bauern bleibe zunehmend in
äußerer Kirchlichkeit stecken. (Süddeutsche Zeitung, 11.4.84.)
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(541) Stuttgart, Der Schleier um die "Europäische Arbeiterpartei" (EAP) beginnt sich zu lüften.
Diese politische Gruppierung, die bundesweit nur rund 400 Mitglieder hat, kam bei den baden-württembergischen Landtagswahlen
zwar nur auf rund 1600 Stimmen; dennoch ist sie nicht zu unterschätzen. Sie kann keineswegs als demokratische Partei im
herkömmlichen Sinn angesehen werden, sondern wird z.B. im Sachstandsbericht der NRW-Landesregierung mit ihren
Frontorganisationen "Anti-Drogen-Koalition" und "Club of Life" unter die Jugendreligionen eingestuft. Laut einem Gutachten des
evangelischen Sektenexperten Haack (München) besitzt die EAP alle drei typischen Merkmale einer totalitären Sekte: das
"rettende Konzept", den "heiligen Meister" und eine zu allem bereite Anhängerschaft, deren einziges Ziel es ist, der
Restgesellschaft dieses rettende Rezept aufzuoktroyieren (EAP-Slogan bei der Bundestagswahl 1983: "Wir haben das
Patentrezept"). Eltern, deren Kinder den häuslichen Kontakt abgebrochen haben und nur noch für die EAP und ihre
Vorfeldorganisationen tätig sind, wiesen auf einen bedenklichen Umstand hin: Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
Heribert Hellenbroich, ist ein Bruder des hohen EAP-Funktionärs Anno Hellenbroich. Und die EAP betreibt einen eigenen
Nachrichtendienst, den Executive-Intelligence-Review (EIR). (Selbst die konservative Deutsche Tagespost stellt hier die Frage:
"Wie ist das Verhältnis des Verfassungsschutzes zum EAP-gesteuerten EIR?".) Interessant ist auch, daß sich EAP-Chef La Rouche
weltweiter Beziehungen, u.a. auch zum Papst, rühmt. Dies wurde vom Vatikan heruntergespielt, aber nicht ausdrücklich
dementiert. Wo diese Sekte politisch einzuordnen ist, zeigt eine Veröffentlichung über den "La Roche Cult" unter dem Titel
"Nazis without Swastika" (Nazis ohne Hakenkreuz) von Dennis King. (Deutsche Tagespost, 2.5.84.) Eine Information fehlt in
dieser sonst sehr instruktiven Abhandlung: eine Stellungnahme zu der wiederholt geäußerten, bislang weder bestätigten noch
dementierten Auffassung, daß der CIA einer der Geldgeber der EAP sei.
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(542) Bad Segeberg. Auf der Jahrestagung der "Laien in der katholischen Militärseelsorge" hob der
Bamberger Erzbischof und oberste katholische Militärgeistliche, Kredel, die wahre Einheit von Soldat-Sein und Christ-Sein
hervor, die sich nicht allein in der Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (!) erfülle. Jeder Christ
verherrliche vielmehr "die Ehre Gottes zuerst im Dienen, d.h. in der Nachfolge Jesu". Auf der gleichen Tagung beschlossen die
katholischen Soldaten eine Unterstützungskampagne zugunsten der katholischen Aktion "Wähle das Leben" (Deutsche Tagespost,
15.5.84.) Trotz der etwas verklausulierten Ausdrucksweise des Herrn Militärbischofs kristallisiert sich ein bemerkenswerter
Grundgedanke heraus: In der Werthierarchie des Christen und besonders des christlichen Soldaten ist christliches Dienen im
Zweifelsfall wichtiger als die Verteidigung demokratischer Grundsätze. Und wie katholische Soldaten im hoffentlich nie
eintretenden Ernstfall "das Leben wählen" wollen, bleibt ihr Geheimnis. Hier offenbart sich einer der elementarsten
Widersprüche in der christlichen Moral. Wenn es um Schwangerschaftsabbrüche oder um Sterbehilfe geht, soll Leben auch gegen den
Willen von Betroffenen erhalten werden. Die Konsequenz militärischer Aktionen in einem möglichen Ernstfall wird aber
bestenfalls achselzuckend bedauert, wenn nicht gar billigend in Kauf genommen.
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(543) Düsseldorf. Fast ein Drittel der Landesmittel (NRW) für Denkmalpflege in Höhe von rund 40
Millionen DM wurde für kirchliche Gebäude zur Verfügung gestellt. Seit 1980 wurden allein von diesem Bundesland insgesamt 190
Mio. DM in die Denkmalförderung investiert. (Deutsche Tagespost, 15.5.84.)
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(544) Frankfurt. Das "Katholische Büro", die Lobby der katholischen Bischöfe in Bonn, forderte von
der Bundesregierung deutlichere Akzente in der Familienpolitik und lieferte gleich einen massiven finanzpolitischen
Forderungskatalog mit: Kinderfreibetrag von mindestens DM 3000, Gesamtentlastung von mindestens 8 Milliarden DM, keine Erhöhung
der Mehrwertsteuer, Abbau von nicht näher präzisierten Subventionen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.4.84.) Solche
Aktivitäten wären glaubwürdiger, hätte die katholische Kirche nicht bei der letzten Steuerreform 1977, mit Rücksicht auf ihre
Kirchensteuereinnahmen, eine Reduzierung der Steuerentlastung gerade auch für kinderreiche Familien angestrebt. Schon jammert
sie wieder über die von der (Lohn- und Einkommensteuer abhängigen) voraussichtlichen Kirchensteuerausfälle, verschweigt aber,
daß sie an der "heimlichen Steuererhöhung" der letzten Jahre kräftig mitverdient hat. Außerdem müssen sich die selbsternannten
Finanzexperten fragen lassen, ob Ihnen die noch 1980 bitter beklagte Staatsverschuldung nunmehr nicht mehr so wichtig
ist.
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(545) Stuttgart. Die Informationspolitik der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gerät auch in
Kirchenkreisen zunehmend ins Zwielicht. Nachdem MIZ bereits im vergangenen Jahr skandalöse Manipulationen der KNA aufdeckte
(vgl. MIZ 2-3/83 sowie 4/83), beschwerte sich nun sogar die katholische Friedensinitiative "Pax Christi". Diese Organisation,
so KNA, habe in Süddeutschland die Friedensbewegung verlassen. Zwei Tage später meldete sich - ebenfalls über die KNA der
verteidigungspolitische (!) Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Weiskirch, ehemals Chefredakteur des katholischen Magazins
Weltbild, und forderte "Pax Christi" auf, die Friedensbewegung auch auf Bundesebene zu verlassen. Als die erste Meldung eine
Woche später dementiert wurde ("ein Phantom"), brachte KNA nicht etwa eine Richtigstellung, sondern ihre eigene Interpretation
schon in der Überschrift: "Pax Christi bekräftigt Trennung von Kommunisten - mit anderen Gruppen weiter Zusammenarbeit in der
Friedensbewegung". In Wahrheit war der Kommunismus-Aspekt für "Pax Christi" absolut zweitrangig. (Deutsches Allgemeines
Sonntagsblatt, 18.3.84.) Nach Redaktionsschluß erreichte uns folgende Meldung: "Das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die
Republik Österreich hat der Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur, Konrad W. Kraemer, erhalten. Der
Geschäftsführer der KNA, Wilhelm Finge, wurde mit dem Silbernen Ehrenzeichen ausgezeichnet." (Süddeutsche Zeitung,
30./31.5.84.) Wir erinnern: Im Mai 1983 verfaßte KNA-Chefredakteur Dr. Konrad W. Kraemer ein an die Rundfunkintendanten der BRD
gerichtetes Schreiben des "Katholischen Pressebundes e.V.", dessen Vorsitzender Kraemer gleichzeitig ist (vgl. MIZ Nr. 2-3/84,
S. 19ff.). Darin versucht Kraemer, in die öffentlich-rechtliche Programmstruktur des Rundfunks mit klerikaler Brachialgewalt
einzugreifen: Da es "kirchliche Defizite in Programmgestaltung und Personalpolitik" gebe, müsse in der Personalpolitik des
Rundfunks dafür Sorge getragen werden, daß junge, begabte christliche Nachwuchskräfte eine faire Chance erhielten. Derselbe
Vorsitzende des schon mit neofaschistischen Tönen an die Öffentlichkeit getretenen "Katholischen Pressebundes" erhält nun von
der "sozialistisch" regierten Republik Österreich das "Große Ehrenzeichen". p.s.: Bundeskanzler Sinowatz (SPÖ) ist
praktizierender Katholik.
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(546) München. Der Justitiar des Ordinariats der Erzdiözese München wurde wegen uneidlicher
Falschaussage zu DM 9000.- Geldstrafe verurteilt. In dem seinerzeit aufsehenerregenden Prozeß gegen den Liegenschaftsreferenten
der Diözese, Bald, hatte er behauptet, im Ordinariat befänden sich keine Unterlagen über dessen illegale Grundstücksgeschäfte.
Tatsächlich wurden bei einer Durchsuchungsaktion dort 35 Ordner gefunden. Gleiches hatte auch der Vorgesetzte des Justitiars,
Prälat Strasser, behauptet, ohne deshalb je zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Dabei hatte der Richter im Strafprozeß
gegen Bald bei der Urteilsbegründung sogar die erhebliche Mitverantwortung des Prälaten an Balds Veruntreuungen herausgestellt.
(Süddeutsche Zeitung, 21.3.84 u. 10.5.84.) Auch Pressevertreter ließen wiederholt durchblicken, daß hier wieder einmal der
Priestertalar vor einer Verurteilung bewahrt habe.
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(547) Bayreuth. Als "eindeutig positiv" bewertete der bayerische Landesbischof Hanselmann (evang.),
daß erstmals ungetaufte Kinder am Religionsunterricht teilnehmen können. Unterdessen werden in bayerischen Großstädten immer
häufiger Fälle bekannt, in denen sogar konfessionslose Grundschüler zur Teilnahme am Religionsunterricht genötigt werden, weil
sie sonst u.U. zum Besuch des obligatorischen Ersatzfaches Ethik an eine andere Schule gehen müßten - und zwar nachmittags. Zu
dieser Problematik verweisen wir auf einschlägige Artikel in MIZ, in den Nummern 2/81, 1/82, 4/82, 1/83, 2-3/83, 4/83, in
diesem Heft, sowie auf den IBKA-Sonderdruck "Ethikunterricht als Ersatz für Religionsunterricht?"
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(548) Schweinfurt. Der katholische Pfarrer Greitenbach darf nicht Betriebsseelsorger werden, weil
er seiner Kirche zu arbeitnehmerfreundlich ist. Er hatte vor dem Verwaltungsgebäude eines ausländischen Konzerns einen
Gottesdienst abgehalten und die Entlassungspläne der Konzernleitung als "kapitalistisches Unrecht" bezeichnet. Nach Breitenbach
müsse die Kirche das Unrecht beim Namen nennen, und die Verantwortlichen sollten sich nicht mit Arbeitsessen und
Betriebsbesichtigunngen zufriedengeben. Außerdem wurde dem Betriebsseelsorger vorgeworfen, er habe zweimal ökumenische
Gottesdienste am Sonntagvormittag abgehalten, zu einem Zeitpunkt also, wo dies nach kirchlichen Vorschriften verboten ist.
(Süddeutsche Zeitung, 5.4.84.)
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(549) München. Erhebliche Bedenken äußerten die bayerischen Bischöfe gegen die Einrichtung neuer
Fernsehkanäle und anderer Medien. Bei näherer Betrachtung ihrer Einwände stellt sich allerdings heraus, daß die Kirchen beim
Privatfernsehen nun plötzlich eine Verringerung ihres Einflußbereichs befürchten. Außerdem wandten sie sich gegen mögliche
TV-Werbung am "geheiligten" Sonntag. (Süddeutsche Zeitung, 14.4.84 und Augsburger Allgemeine, 4.4.84.)
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(550) Hamburg. Gegen eine tagespolitische Interpretation der Bergpredigt hat sich der
Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Lohse, ausgesprochen. Der Bischof, früher Professor für Neues Testament, wies darauf hin, daß
die Bergpredigt im Grunde keine Rede Jesu, sondern lediglich eine Redekomposition des Evangelisten Matthäus sei. (Süddeutsche
Zeitung, 19./20.4.84 und Allgemeines Deutsches Sonntagsblatt, 15.4.84.) Eine paradoxe Situation: Da sich viele pazifistisch
eingestellte Christen auf die Bergpredigt berufen, sind nun ausgerechnet die Konservativen gezwungen zu erinnern, daß die
Bergpredigt ja gar nicht von Jesus stammt. Karlheinz Deschner faßt diese Sachlage in seinem Buch "Abermals krähte der Hahn" so
zusammen: "Die Reden in den Evangelien, die Bergpredigt, die Aussendungsrede u.a. wurden von Jesus so nie gehalten. Die
Evangelisten haben sie aus älterem Sprachgut zusammengestellt oder - wie ein Theologe sagt, der das Wort Fälschung, obschon es
formal zuträfe, vermeiden möchte - selber erst aus allerhand Stückchen komponiert." (S. 33)
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(551) Tutzing. In katholischen Kreisen wächst offenbar die Neigung, als Preis für die Einheit mit
anderen Kirchen auf die Vorrangstellung des Papstes zu verzichten. Auf einer katholisch-evangelischen Akademietagung wies der
katholische Bibelexeget Joseph Blank darauf hin, daß es keinen Nachweis für ein von Jesus gestiftetes Petrusamt gebe. Außerdem
sei der Anspruch des Bischofs von Rom als Nachfolger des Petrus und "Stellvertreter Christi" überhaupt erst im 4.Jahrhundert
artikuliert worden. (Süddeutsche Zeitung, 9.5.84.)
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(552) Berlin. Der evangelische Altbischof Scharf hat eingeräumt, daß die Kirche "in ihrer
Gesamtheit" während der Hitlerzeit in der Judenfrage versagt habe. Auf der gleichen Gedenkveranstaltung erklärte der frühere
Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Beckmann, der Kirchenkampf habe im wesentlichen erst nach den Olympischen Spielen
1936 begonnen und bei Kriegsanfang ein gewisses Ende gefunden. (Süddeutsche Zeitung, 3.4.84.) Während die evangelische Kirche,
nicht nur auf dieser Veranstaltung, ihre Rolle während der Nazizeit relativ ehrlich und selbstkritisch diskutiert, verdrängt
die katholische Kirche ihre Vergangenheit, indem sie allenfalls ihre Widerständler an der Basis vorzeigt. Ein Paradebeispiel
für einseitige Geschichtsklitterung lieferte 1983 insbesondere der katholische Historiker Konrad Repgen.
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(553) München. Um Ihre Schäfchen nicht aus den Augen zu lassen, hat die evangelische Kirche 120
Pfarrer aus allen Bundesländern zur "Betreuung" von Urlaubern in Bayern eingesetzt. Zudem bringt die Landeskirche extra zwei
Ferienmagazine für Urlauber und Kurgäste heraus. (Süddeutsche Zeitung, 25.4.84.)
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(554) Hamburg. Die Hansestadt will künftig nicht mehr für die Stelle eines katholischen
Gefängnispfarrers aufkommen. Damit soll eine Gleichstellung mit den evangelischen Haftanstaltsseelsorgern, die ebenfalls nicht
vom Staat finanziert sind, erreicht werden. In Hamburg gehören 51 Prozent der Einwohner der evangelischen und 5 Prozent der
katholischen Kirche an. (Deutsche Tagespost 4.4.84.)
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(555) Augsburg. Die sprunghafte Entwicklung der Sekten in Teilen des Allgäu veranlaßt nun auch den
Bischof von Augsburg, nach einem geeigneten Sektenbeauftragten zu suchen. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, daß diese
Forderung von einem gewählten Landrat ausging - ein Beweis für die in Süddeutschland vielfach fast selbstverständliche
Verquickung von Staat und Kirche. (Augsburger Allgemeine, 3.4.84)
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(556) Neu-Ulm. Im Gegensatz zu offiziellen Kirchenverlautbarungen nehmen die Nachwuchsprobleme in
den kirchlichen Jugendverbänden zu. Sogar im ländlich strukturierten bayerischen Kreis Neu-Ulm macht sich dies bemerkbar: Der
Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mußte sich dort wegen "Strukturschwierigkeiten" auflösen. (Augsburger
Kirchenzeitung, 1.4.84.)
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(557) Der Arzt Siegfried Ernst, Mitglied der Landessynode der evangelischen Kirche, darf weiter
behaupten, daß überkonfessionelle Abtreibungskliniken wie das Bremer "Pro-familia"-Modell "Embryo-Mördersyndikate" seien. Er
wurde vor dem Ulmer Landgericht jedoch zu DM 1600,- Geldstrafe mit Bewährung verurteilt, weil er den DGB mit der NSdAP
gleichgesetzt hatte. Dagegen legte der Arzt Revision ein. (Augsburger Allgemeine, 22.3.84.)
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(558) Leonberg. Die Pleite der "Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft mbH" des evangelischen
Siedlungswerks kostet nicht nur die beiden 50-Prozent-Teilhaber (evangelische Kirche und Leonberger Bausparkasse) jeweils 60
Mio. DM, sondern auch die betroffenen Geschäftsbanken müssen etwa 40 bis 50 Mio. DM an Forderungen abschreiben. Das bedeutet,
daß die öffentlichen Sparkassen (und mithin die Steuerzahler) mit einem zweistelligen Millionenbetrag zur Kasse gebeten werden.
Hinzu kommen noch Steuerausfälle aufgrund des verschlechterten Betriebsergebnisses der geschädigten Banken. (Süddeutsche
Zeitung, 29.3.84.)
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(559) Weiden. Die kirchlichen Stellen unternehmen neuerdings verstärkte Anstrengungen, um die Weihe
des geheiligten Sonntags. wiederherzustellen. Nachdem kürzlich sogar versucht wurde, Fußballvereine zur Vorverlegung ihrer
Spiele auf Freitag bzw. Samstag zu bewegen (freilich erfolglos), sollen nun auf dem riesigen Truppenübungsplatz Grafenwöhr
sonntags die Waffen schweigen. Die Kirchenfunktionäre sehen in dem "kriegerischen Krach" eine Verletzung der Sonntagsruhe.
(Süddeutsche Zeitung, 17.4.84.) Abgesehen davon, daß eine solche Argumentation solange unglaubwürdig bleibt, wie derselbe
"kriegerische Krach" werktags als selbstverständlich angesehen wird. Die Kirchen kurieren hier an Symptomen. Nicht der
Fußballsport ist immer attraktiver geworden, sondern der sonntägliche Kirchgang immer unattraktiver. Oder sollen hier
letztlich, wie in Israel am Sabbat, alle sonntäglichen Freizeitvergnügungen so eingeschränkt werden, daß die Leute vor lauter
Langeweile wieder in die Gotteshäuser getrieben werden? Und was sagt die Kirche erst, wenn ein Atomkrieg droht? Vielleicht noch
an einem Sonntag ...
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(560) Frankfurt. Scharfe Kritik an der Verwehrung des passiven Wahlrechts für kirchliche und
diakonische Mitarbeiter, die keiner christlichen Kirche angehören, hat die Interessenvertretung der kirchlichen Mitarbeiter in
der EKD geübt. Diese Praxis stehe "im krassen Widerspruch zu öffentlichen Verlautbarungen der leitenden Gremien in Kirche und
Diakonie". Wenn dort von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Minderheiten gesprochen werde, seien diese nichts als
"Fensterreden". - Eine entsprechende Regelung war erst kürzlich eingeführt worden; das Landesarbeitsgericht wies eine Klage
dagegen ab, weil die Kirchen laut Grundgesetz im internen Bereich nicht an sonst geltende Grundrechte gebunden seien.
(Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 8.4.84.)
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(561) Hannover. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Lohse,
erklärte anläßlich des 50.Jahrestages der "Barmer Erklärung", in der die deutsche evangelische Kirche am 31.Mai 1934 ihre
Eigenständigkeit gegenüber dem NS-Staat betont hatte, die Barmer Synode habe das evangelische Staatsverständnis richtig
formuliert, als sie verkündete, "daß der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in
der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von
Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung
an." Göttliche Anordnung, sagte Lohse, habe auch hinter dem Nazi-Staat gestanden, dessen Pervertierung eine ganz andere Sache
sei. Auch die DDR und andere sozialistische Staaten hätten ebenso ein "göttliches Mandat" wie jeder westliche Staat. Ob sich
ein Staat als atheistisch bezeichne, sei in diesem Zusammenhang ohne Belang. (Frankfurter Rundschau, 29.5.84.)
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(562) Köln. Gegen die Überlassung öffentlicher Gebäude zu Rekrutierungszwecken an die
"Sri-Chinmoy"-Jugendsekte hat ein Studentenverband in einem Schreiben an den Oberstadtdirektor protestiert und ihn
aufgefordert, die Arbeitsweise dieser Sekte zu überprüfen. (Deutsche Tagespost, 11.4.84)
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(563) Berlin. Die Teilnahme am (in Berlin freiwilligen) Religionsunterricht läßt nach der
Konfirmation erheblich nach. Während in den 7. und 8. Klassen - je nach Schulart - noch zwischen 52 und 75 Prozent der
evangelischen Schüler den Religionsunterricht besuchen, sind es in den 9. und 10. Klassen nur mehr zwischen 18 und 31 Prozent.
Die Religionslehrer suchen dem Problem mit einem neuen, "moderneren" Lehrplan beizukommen, der aber schon im Entwurfsstadium
auf erbitterte Ablehnung der "Bekenntnistreuen" stößt. (Rheinischer Merkur, 27.4.84.)
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(564) München. Scharfe Kritik an der Beteiligung von Katholiken am Ostermarsch 1984 hat das
Erzbischöfliche Ordinariat in München geübt. Es sei unverständlich, wenn sich Personen, die der katholischen Kirche angehören,
in eine Reihe mit Kommunisten stellten. Daraufhin forderten zahlreiche katholische Teilnehmer des Ostermarsches den Rücktritt
des Prälaten Genewein, der die Kritik des Ordinariats verbreitet hatte. (Süddeutsche Zeitung, 25.4.84 und Augsburger
Kirchenzeitung, 29.4.84.) Man sollte jedoch nicht vergessen, daß der vorgeschobene Prälat immer nur die Meinung des Erzbischofs
wiedergibt, dessen Doppelzüngigkeit in Abrüstungsfragen (in Predigten für Frieden, bei Aktionen gegen konkrete
Abrüstungsinitiativen) bekannt ist. Katholische Pazifisten sollten endlich einmal durchschauen, daß unverbindliche
Schaufensterpredigten nur das strategische Ziel verfolgen, möglichst viele kirchengebundene Anhänger der Friedensbewegung
weiter an die Amtskirche zu binden.
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(565) München. Ihr "Erstaunen und Befremden" hat die Arbeitsgruppe München des internationalen
Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) in gleichlautenden Schreiben an das Schulreferat der Landeshauptstadt und an
das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus darüber zum Ausdruck gebracht, "daß mit Stadtratsbeschluß vom 23.Mai
1984 insgesamt 108 Münchner Schulen während des Katholikentages (4.-8. Juli 1984) den Katholiken überlassen" werden sollen, "so
daß zigtausend Kinder trotz Schulpflicht nicht zur Schule gehen dürfen. Das kommt uns vor wie eine Aussperrung. Es hilft auch
nicht darüber hinweg, daß der Unterrichtsausfall an Samstagen nachgeholt werden soll. Die Kinder machen jedenfalls die
Erfahrung, daß die Schulpflicht außer Kraft gesetzt werden kann, wenn die Kirche kommt." Die IBKA-Vertreter kritisieren die
öffentlichen Stellen, daß sie "der katholischen Kirche eine außergewöhnlich bevorzugte Behandlung zuteil werden lassen",
obgleich auch das Grundgesetz den Politikern "eine Trennung von der Kirche, mithin also auch das Unterlassen einer besonderen
Bevorzugung, auferlegt hat".
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(566) München. Die evangelische Kirche rechnet in Bayern ab 1987 mit einer Pfarrerschwemme, klagt
aber laut Landesbischof Hanselmann über angeblich fehlende finanzielle Mittel. Hanselmann schlug sogar vor, "um Geld zu beten,
damit mehr junge Pfarrer in den kirchlichen Dienst übernommen werden können". (Süddeutsche Zeitung, 19./20.4.84.) Wenn ein
deutscher Landesbischof um mehr Geld beten läßt, wirkt dies geradezu blasphemisch. Laut eigenen Angaben besitzt die
evangelische Kirche in der BRD unter anderem - über 6000 Häuser und Wohnungen (ohne Pfarrgebäude), die allein für sich schon
einen Wert von weit über einer Milliarde Mark repräsentieren. Es gibt nur zwei Kirchen, die noch reicher sind als die EKD: der
Vatikan und die deutsche katholische Kirche. Andererseits sind die Pfarrer in der Bundesrepublik so gut bezahlt wie nirgendwo
sonst auf der Weit. Gerade deshalb, und auch wegen des Anspruchs, einen "besonderen Dienst" auszuüben, ist doch wohl der Weg
konsequenter, den die Pfälzer und die Westberliner Synode eingeschlagen haben (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 22.Mai 1984 und
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Mai 1984), nämlich die Pfarrer zum Verzicht auf einen Teil ihrer materiellen Privilegien
zu bewegen. Insofern ist Hanselmanns Gebet wohl eher als Ablenkungsversuch und Mitleidhascherei zu bewerten.
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(567) Bonn. Bundesweit belegen rund 11.800 Studenten das Fach Katholische Theologie; das entspricht
einem Anteil von 1,5 Prozent aller Studierenden. Der Anteil der Professoren dieser Fachrichtung ist ungleich höher, wird aber
bundesweit nicht exakt angegeben. An der Universität Augsburg entfallen aber auf die knapp 5 Prozent Theologiestudenten rund 20
Prozent aller Lehrstühle. (Rheinischer Merkur, 27.4.84 und Süddeutsche Zeitung, 28./29.5.84.)
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(568) Köln. Einen Tag vor der geplanten Sendung hat ein anonym gebliebenes Mitglied der
katholischen Laienorganisation Opus Dei dem Westdeutschen Rundfunk per einstweiliger Verfügung die Ausstrahlung eines Films
untersagt, in dem über die Praktiken dieser umstrittenen, militanten Organisation berichtet werden sollte. Opus Dei
unterscheidet sich kaum von den Jugendsekten: Zeugen berichteten von Selbstgeißelungen, Briefzensur, Schlagen von Untergebenen,
Gehirnwäsche, Entfremdung von den Eltern und der Nötigung zur Beibringung hoher finanzieller Beiträge. (Augsburger Allgemeine,
5. 5.84.)
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(569) Passau. Die ehrenwerte Gesellschaft der Stadt Passau hat sich gegen die Schülerin Anja
Rosmus-Wenninger verschworen, weil sie eine Arbeit "Widerstand und Verfolgung. Am Beispiel Passau's 1933-1939" zu
veröffentlichen gedachte. CSU und SPD halten NS-Dokumente unter Verschluß, die städtischen Behörden sperrten die Archive. Amts-
und Landgericht verweigerten jede Akteneinsicht. Das Bistumsarchiv redete sich mit dem Hinweis heraus, die Dokumente seien
"ungeordnet". Rosmus-Wenninger verweist in ihrer kritischen, jetzt als Buch (Andreas Haller-Verlag, Passau) erschienenen
Publikation u.a. auch die braune Vergangenheit des 1981 verstorbenen, ehemaligen Chefredakteurs des Passauer Bistumsblattes,
Emil Janik, nach. Dieser war mit nazifreundlichen Leitartikeln ("Keiner hat das Recht, in vaterlandsloser Gesinnung die
Geschlossenheit dieser Front zu gefährden") Hitler zu Diensten gewesen und hatte noch 1977 bekundet, "nicht alles, was die
Machthaber des Dritten Reiches unternahmen", sei "grundfalsch" gewesen. Gegen die recherchierende Schülerin stellte Erwin
Janik, ein Bruder des Geistlichen, der als Chefredakteur der Passauer Neuen Presse wirkt und in seinem Blatt gelegentlich
scharfe Kommentare aus dem Bayernkurier und der Deutschen Nationalzeitung nachdrucke, Strafanzeige. Er sah das Andenken seines
Bruders verunglimpft. Das Stadtarchiv ließ daraufhin alle Dokumente über Juden und Judenverfolgung verschwinden, darunter
Hinweise auf die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsdienst (SD) und Passauer Klerus. (Der Spiegel Nr. 18, 30.4.84.)