7. Arbeitsplätze

Im Jahr 1985 haben die christlichen Großkirchen vor dem Bundesverfassungsgericht ein Urteil erstritten (Az: BvR 1703/83), demzufolge sie jederzeit MitarbeiterInnen ihrer Einrichtungen bei Verstoß gegen die - kirchlich eng verstandene - Loyalitätspflicht über normale arbeitsrechtlich gerechtfertigte Gründe hinaus kündigen dürfen. Spätestens nach diesem Gerichtsurteil muß öffentlich die Frage aufgeworfen werden, wie lange ein demokratisches Gemeinwesen noch Einrichtungen eines Arbeitgebers aus öffentlichen Haushalten unterhalten darf, in denen die Wahrnehmung von Grundrechten (z. B. Eheschließung oder Bekenntnisfreiheit) mit dem Arbeitsplatzverlust geahndet wird.

Die Frage ist um so dringender zu stellen, als die christlichen Kirchen in Deutschland mit etwa 900.000 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem Öffentlichen Dienst sind. Sie betreiben Krankenhäuser, Verlage, Altersheime, Kindergärten, Kinderheime, Rettungsdienste, Beratungsstellen, Privatschulen, Sozialstationen u. a. Dies bedeutet im einzelnen: Beschäftigte beim Arbeitgeber Kirche haben schwerwiegende Nachteile hinzunehmen: Zunächst werden sie ihrer verfassungsmäßigen Grundrechte beraubt, denn Kirchenaustritt oder Wiederverheiratung nach vorhergegangener Scheidung oder die Äußerung einer Meinung, die im Gegensatz zur kirchlichen Lehrmeinung steht, können ohne weiteres zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Darüber hinaus wird die Wahrnehmung ihrer Interessen als ArbeitnehmerInnen über eine gewerkschaftliche Vertretung kompromißloser bekämpft als in allen anderen Wirtschaftsbetrieben. Den Gewerkschaften wird bei kirchlichen Einrichtungen fast ausnahmslos der Zugang verweigert, Betriebsräte sind unzulässig; statt dessen regeln die Kirchen die "betriebliche Mitbestimmung" durch sog. MitarbeiterInnenvertretungen. Gewerkschaftsmitglieder werden benachteiligt und häufig diszipliniert. Obgleich bei vielen kirchlichen Einrichtungen der Staat den überwältigenden Anteil der gegebenenfalls durch Einnahmen nicht gedeckten Kosten trägt (siehe dazu Punkt 6), nimmt er es hin, daß die bei der Kirche beschäftigten ArbeitnehmerInnen an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte gehindert werden. Daß alle Unternehmen der Kirchen für Konfessionslose als mögliche Arbeitsplätze verschlossen sind, versteht sich von selbst. Wiederum wird deutlich, was es für kirchenfreie Menschen bedeutet, wenn wesentliche Einrichtungen, die zur Infrastruktur eines Gebietes gehören, als konfessionelle Einrichtungen geführt werden. Dies hat sich in den neuen Bundesländern noch krasser entwickelt: Obwohl der Anteil der ChristInnen hier höchstens 30 Prozent beträgt, werden das öffentliche Leben und insbesondere die sozialpflegerischen Einrichtungen von den Kirchen dominiert.

Forderungen des IBKA:

  • Wenn kirchliche MitarbeiterInnen der katholischen Kirche ihren Arbeitsplatz verlieren, weil sie nach einer Ehescheidung wieder heiraten wollen, eine Meinung öffentlich äußern, die im Gegensatz zur kirchlichen Lehrmeinung steht oder aus der Kirche austreten, so darf die Öffentliche Hand eine solche Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts nicht auch noch finanzieren.
  • Für kirchliche Einrichtungen, soweit sie nicht rein innerkirchliche Belange wahrnehmen, finden das Betriebsverfassungsrecht und das sonstige Arbeitsrecht uneingeschränkt Anwendung.
  • Staatliche Bezuschussung freier Träger ist davon abhängig zu machen, daß diese sich dem allgemein gültigen, gesetzlich fixierten Arbeitsrecht unterwerfen.