Ethik statt Religion?

Der offene Diskussionsabend mit Erich Katterfeld fand am 17.11.2010 im InterCity Hotel in Freiburg statt.
Veranstalter war der IBKA Regionalverband Freiburg

Herr Erich Katterfeld, Lehrer für Naturwissenschaften an einem beruflichen Gymnasium in Lörrach, referierte über Situation und Gestaltung des Ethikunterrichts in den Schulen Baden-Württembergs. Zunächst erläuterte er seine Ansicht, dass Ethikkompetenz aus der Vernunft resultiert, aus Glauben hingegen Moral, Theologie predigt Moral, Vernunft lehrt Ethik. Dann verwies er auf die rechtliche Grundlage des Religionsunterrichtes, die sich aus dem Konkordat des Vatikans mit dem Hitlerregime (1933) herleitet, aber auch aus den Staatsverträgen, die die evangelische Kirche mit den einzelnen Bundesländern abgeschlossen hat. Badisches Konkordat bereits 1932, erneuert 2007 und einstimmig vom Landtag Baden-Württembergs angenommen.

Ethikunterricht wurde auf Veranlassung der katholischen und evangelischen Kirche eingeführt, weil verhindert werden sollte, dass Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden, in den Genuss einer Freistunde kämen. Der Ethikunterricht ist somit nur ein Ersatzfach für Schüler die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ethik ist kein alternatives Fach, Religion und Ethik sind aber beide Abiturfächer. Unterrichtet wird das Fach an den Haupt- und Realschulen von der 8. bis zur 10. Klasse, an den Gymnasien ab der 7. Klasse. Vorher werden die Kinder durch Religionsunterricht indoktriniert.

Laut Schulgesetz in Baden-Württemberg, § 1: „… ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler in Verantwortung vor Gott und im Geiste christlicher Nächstenliebe zu erziehen“. Nichtchristliche und besonders nichtreligiöse Kinder bleiben hiermit außen vor, dabei ist zu bedenken, dass 32 % der Schüler in Baden-Württemberg weder evangelisch noch katholisch sind.

Das ethisch-philosophische Grundlagenstudium ist zwar seit 2001 Pflichtbestandteil der universitären Lehrerbildung, aber die Hälfte der Ausbildung liegt im Verantwortungsbereich der theologischen Lehrstühle. Ethikunterricht darf zwar nicht von Religionslehrern unterrichtet werden, aber ehemalige Religionslehrer, die aus der Kirche ausgetreten sind, dürfen Ethik unterrichten, obwohl sie von ihrer ursprünglichen Ausbildung her dafür eigentlich nicht geeignet sind (einmal Theologe, immer Theologe).

Herr Katterfeld machte anhand vieler Beispiele z.B. auch konkreter Lehrpläne deutlich, dass der Ethikunterricht in der heutigen Zeit unverzichtbar ist. Dieser Unterricht soll keine Werte vermitteln, sondern die Schüler befähigen, selbst Werte zu erkennen und entsprechend Entscheidungen zu treffen. Ethik ist ein wissenschaftliches Fach im Gegensatz zum Religionsunterricht, der eine reine Bekenntnisveranstaltung darstellt.

Sein Resümee: Der Ethikunterricht steht keineswegs gleichgewichtig zum übermächtigen Religionsunterricht. In einer pluralistischen und auch multikulturellen Gesellschaft geböte es die Vernunft, einen für alle obligatorischen Ethikunterricht anzubieten, der sich nicht mit Predigen von Glaubenssätzen befasst, sondern selbständiges Denken und das dafür notwendige philosophische Handwerks- bzw. Kopfwerkszeug zur Verfügung stellt.

(Autor: Hartmut Ortlieb)