Schule NRW - Religionsfreiheit

Zum Schuljahresbeginn 2008/2009 versandte der Landesvorstand NRW des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten e.V (IBKA) wie im vergangenen Jahr ein Rundschreiben an alle Schulleiter der Grund-, Haupt-, Real- sowie Gesamtschulen und der Gymnasien des Bundeslandes NRW.

Freiwilligkeit der Teilnahme an Religionsunterricht und Schulgottesdienst - Info 01 2008/2009

Sehr geehrte Damen und Herren, unter Bezugnahme auf unser Rundschreiben vom 30.07.2007 sowie anlässlich des Schuljahresbeginns 2008/2009 in diesen Tagen wenden wir uns erneut an Sie in Ihrer Eigenschaft als Schulleiter/in. Bereits zum Schuljahresbeginn 2007/2008 baten wir um die Information der Eltern und/oder der religionsmündigen Schüler über die Freiwilligkeit der Teilnahme an Schulgottesdienst und Religionsunterricht, unabhängig von einer konfessionellen Zugehörigkeit der Schüler. Unser Rundschreiben sowie unsere damalige Pressemitteilung 'Schulgottesdienst - Schwänzen erlaubt' erzeugten bei Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern reges Interesse an der Thematik, einige ausgewählte Reaktionen veröffentlichte der Humanistische Pressedienst.
Leider erkennen wir in unserer Recherche nach wie vor ein Informationsdefizit vieler religionsmündiger Schüler oder auch der Erziehungsberechtigten der Jüngeren zu ihren Rechten und Pflichten bzgl. der Teilnahme an Gottesdienst oder Religionsunterricht. Auch der Bildungsreport NRW 2007 verdeutlicht eindringlich die seit Jahren beständig steigende Zahl der konfessionslosen Schüler, dass eine umfassende Information zum Thema dringend geboten ist. Somit bitten wir Sie erneut, an Ihrer Schule zu prüfen, ob und auf welche Art die unten aufgeführten einschlägigen Vorschriften zu diesem Themenkreis beachtet werden. Bitte informieren Sie Schüler und Erziehungsberechtigte umfassend. Gerade konfessionslose Schüler oder auch solche, welche eine Auseinandersetzung mit religiösen Glaubenssätzen nicht wünschen, werden durch mangelnde Information benachteiligt. Mit freundlichen Grüßen,

Rainer Ponitka
IBKA e.V., Landessprecher NRW
E-Mail: nrw@ibka.org  

Die Teilnahme an Schulgottesdiensten ist freiwillig

"Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen ... gezwungen werden." sagt der ins Grundgesetz übernommene Art. 136 Satz 4 der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Weiter Art.141 WRV: "Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist."
"Dieser Schulgottesdienst erscheint in der Regel als eine erste Stunde im Stundenplan und tritt nicht an die Stelle einer der in den Stundentafeln vorgesehenen Unterrichtsstunden.(1) " An religiösen Veranstaltungen wie z.B. Schulgottesdiensten nicht teilnehmenden Schülern können keine ersatzweisen Verpflichtungen auferlegt werden.

Die Teilnahme am Religionsunterricht ist ebenso freiwillig

Gemäß Art. 7 Abs. 2 GG entscheiden die Erziehungsberechtigten, bzw. ab Eintritt der Religionsmündigkeit mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs die Schüler selbst über die Teilnahme am Religionsunterricht.
Auch als Religionsunterricht ist eine eindeutige Vermittlung religiöser Glaubenssätze in anderen Unterrichtsfächern anzusehen, bspw. die Vorbereitung eines Gottesdienstes durch Einüben der Lieder etc.
In Nordrhein Westfalen ist die Abmeldung vom Religionsunterricht jederzeit(2) und formlos möglich, ein vierzehnjähriger oder älterer Schüler entscheidet dies selbst, auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten.(3)

Schüler, die am Religionsunterricht nicht teilnehmen, sind angemessen zu betreuen

Nicht zulässig ist es, vom RU abgemeldete Schüler zur Teilnahme am Unterricht anderer Klassen zu verpflichten.(4)
Die Schüler sind in diesem Zeitraum in NRW im Fach "Praktische Philosophie" zu unterrichten oder können, soweit eine Aufsichtspflicht der Schule besteht, in Binnenstunden in einem beaufsichtigten 'Silentium' Hausaufgaben erledigen. Im übrigen haben die Schüler in dieser Zeit frei.(5)
Soweit weder "Praktische Philosophie" noch ein beaufsichtigtes Silentium angeboten wird, bieten sich die Eckstunden für den Religionsunterricht an.

Mehrfach wurde uns gegenüber geltend gemacht, dass die Verlegung des Religionsunterrichts in die Eckstunden durch Erlass der Bezirksregierungen verboten sei. Wir konnten jedoch die Existenz solcher Erlasse nicht verifizieren.

 

Eltern und Schüler sind über diese Regelungen zu informieren, insbesondere darüber, daß sie gleichermaßen für Konfessionslose und -angehörige gelten. Auch Lehrer und Schulsekretariate bedürfen der Information über diese Umstände, da es sich hier um gesetzlich festgeschriebene Normen handelt. Die bloße Information stellt sicherlich keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, diese scheint aber gefährdet, wenn Eltern oder Schüler ungenügend informiert sind. Eine Fehlinformation hingegen kann den Verdacht der absichtsvollen Förderung einzelner Religionsgemeinschaften erwecken. Dies widerspräche dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates, unter dessen Aufsicht alle Schulen stehen.(6)

 

(1) Schulgottesdienst - RdErl. d. Kultusministeriums v. 13. 4. 1965, Abs 2 Satz 2 (2) RdErl. d. Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder des Landes NRW v. 20. 6. 2003, Abs 6. Teilnahme am Religionsunterricht, Satz 6.2 "...Die Befreiung vom Religionsunterricht kann nicht an bestimmte Termine gebunden werden. ..." (3) Gesetz über die religiöse Kindererziehung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 404-9, veröffentlichten bereinigten Fassung, geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002), "§ 5 (1) Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. (2) Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden. § 6 Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Erziehung der Kinder in einer nicht bekenntnismäßigen Weltanschauung entsprechende Anwendung." (4) Vergl BVerwG 6 C 11-97 vom 19.06.1998 (5) Vergl. 3 L 6 / 00 Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht vom 07.12.2001 (6) Art. 7 (1) GG