Kirchensteuerprivileg ausbauen?

Aus: IBKA Rundbrief Mai 2004

Zu Ostern meldeten sich wieder zahlreiche Politiker in den Medien, um ihre brennende Sorge um die Kirchen­einnahmen und -mitgliedszahlen kund zu tun. Christa Nickels, kirchenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen regte an, zusätz­liches Vermögen und gut situierte Rentner in die Steuer einzubeziehen. Bisher ist die Kirchensteuer an die Lohn- und Einkom­mensteuer gekoppelt; Rentner ohne zu versteuerndes Einkommen zahlen keine Kirchensteuer.

Besonders dreiste Lobbypolitik fun­diert mit Desinformation verbreitete der stellvertretende CDU-Vorsitzende Chris­toph Böhr am 10. April in der BILD-Zeitung. "Immer mehr Deutsche treten aus der Kirche aus, nur um Steuern zu sparen. Diese unheilvolle Entwicklung muss drin­gend gestoppt werden. Kirchenaustritt darf kein Steuersparmodell sein." Kirchen­mitgliedern solle neu ermöglicht werden, 20 Prozent der Kirchensteuer direkt von ihrer Einkommensteuerschuld abzuziehen. Bisher kann die Kirchensteuer "lediglich" vom zu versteuernden Einkommen abge­zogen werden. (Dadurch wird die Kirchen­steuer bereits zu ca. 40% vom Staat sub­ventioniert.) Nach Böhrs Ansicht würden nicht nur die Kirchen, sondern auch der Staat davon profitieren. "Die Kirchen betreiben schließlich zahlreiche Kinder­gärten, Krankenhäuser, Schulen oder Sozialstationen. Diese Einrichtungen sind jedoch weitgehend oder gar in Gänze öffentlich finanziert und nicht aus Kir­chensteuereinnahmen! Auch ist die argu­mentativ herangezogene aktuelle Ver­schuldung des Erzbistums Berlin, mit 148 Millionen Euro, weniger durch auch andernorts geschehene Kirchenaustritte entstanden, als aufgrund von erheblichem Missmanagement und fehlgeschlagenen Börsenspekulationen. Wenn die Zahl der Kirchenaustritte zu Mindereinnahmen führt, wäre dieser Folge doch durch Abbau des offenbar nicht mehr benötigten Überangebotes zu begegnen. Wie sagte Erzbischof Schick am 07. April in der Süddeutschen Zeitung so treffend über die katholische Kirche: "Wenn ein Geschäft Kunden verliert, und trotzdem den Ver­käuferstamm ständig erhöht, dann kann das auf Dauer, zumindest bei gleichen Bedingungen, nicht gut gehen." Also sind jetzt wieder die willfährigen Politiker am Werk, den Kirchen noch bessere staatliche Bedingungen des Steuer­privilegs zu verschaffen?