6. Steuern und Zuschüsse
Für die beiden großen christlichen Kirchen übernimmt der Staat das Eintreiben ihrer Mitgliedsbeiträge in Form der sogenannten Kirchensteuer - im Jahr 1992 über 17 Milliarden Mark! Vor allem diesem Umstand ist die große finanzielle Macht der Kirchen in Deutschland zuzuschreiben. Soweit es sich um Lohn- und GehaltsempfängerInnen handelt, müssen die ArbeitgeberInnen den Abrechnungs- und Buchungsaufwand für das Beitreiben dieser Kirchensteuer kostenlos für die Kirchen übernehmen. Das Verfassungsprinzip, daß niemand seine weltanschauliche Einstellung offenbaren muß, wird zugunsten der Kirchensteuerbeitreibung mißachtet. So erfahren die ArbeitgeberInnen die Konfessionszugehörigkeit ihrer MitarbeiterInnen bzw. Behörden das religiöse Bekenntnis der von ihnen verwalteten BürgerInnen.
Abgesehen vom Kirchensteuereinzug durch den Staat werden den Kirchen zusätzliche Einnahmen und Zuschüsse aus den Staatshaushalten zugewendet. Begründet wird dies mit der angeblichen Verpflichtung zur Entschädigung der Kirchen für Vermögensverluste durch die sogenannten Säkularisationen. Solche Zahlungen haben deutlich den Charakter staatlicher Renten an die Kirchen, die auch von den Steuergeldern nichtchristlicher BundesbürgerInnen gezahlt werden. Dabei blieb bislang unberücksichtigt, daß sich die Kirchen vor der "Säkularisation" (1803) ein (nach heutiger Bewertung) Milliardenvermögen auf rechtlich fragwürdige Weise (z. B. Konfiszierung des Vermögens von "Hexen" und Inquisitionsopfern) angeeignet hatten. Allein schon deshalb müßten die von der "Säkularisation" abgeleiteten Staatszuschüsse ersatzlos gestrichen werden. Niemals haben die christlichen Kirchen ihrerseits ihre Opfer entschädigt. Für keine andere Gruppe, geschweige denn Einzelpersonen, erkennt der Staat nach derartigen Zeiträumen noch Entschädigungsansprüche an. Angesichts der seit fast zwei Jahrhunderten erfolgten Zahlungen aus öffentlichen Mitteln sind alle evtl. bestehenden Ansprüche längst abgegolten.
Darüber hinaus werden den Kirchen aus öffentlichen Haushalten Zuschüsse (z. B. Baukostenzuschüsse von Bund, Ländern und Gemeinden) in Milliardenhöhe sowie über Pauschalleistungen der Länder bis hin zur Mitfinanzierung kirchlicher Veranstaltungen (wie Kirchentage, ökumenische Feiern u. ä.) weitere Millionenbeträge gewährt. Diese Zuschüsse werden häufig von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr dynamisch fortgeschrieben, mitunter sogar an parlamentarischen Kontrollinstanzen vorbei. Außerdem ist nicht erkennbar, weshalb trotz einer Verfassungsbestimmung, die verbindlich die Ablösung dieser auf alten Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen vorschreibt, das Grundgesetz eines weitanschaulich-religiös neutralen Staates sogar die Neubegründung von Staatsleistungen zulassen soll.
Bei der Finanzierung öffentlicher Sozialeinrichtungen in kirchlicher Hand wird lediglich ein geringer Teil der Kosten von den beiden großen Kirchen selbst aufgebracht. Den Überwiegenden Kostenanteil (zwischen 85 und 100 Prozent, je nach Einrichtung) tragen die NutzerInnen und die öffentlichen Hände, also auch die konfessionslosen SteuerzahlerInnen. Das verhilft den Kirchen zu einer ungeheuren Geld- und Machtfülle.
Über diese direkte Finanzierung hinaus wird durch indirekte Hilfen des Staates der finanzielle Beitrag der Kirchen noch weiter gemildert: Über Steuerabzugsfähigkeit der Kirchensteuer, über den Einsatz von Zivildienstleistenden und über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Bei Berücksichtigung dieser Hilfen kommen kirchliche Sozialeinrichtungen den Staat teurer zu stehen, als wenn er sie selbst unterhalten und dafür die immense Subventionierung der Kirchen einstellen würde. Als Fazit läßt sich feststellen, daß diese Einrichtungen in Deutschland fast vollständig durch öffentliche Zuwendungen finanziert und unterhalten werden, ohne nennenswertes Kontroll- und Mitspracherecht des Staates.
Forderungen des IBKA:
- Das Kirchensteuersystem ist abzulösen. Art. 137 Abs. 6.der Weimarer Reichsverfassung von 1919 - gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes - ist ersatzlos zu streichen. Die Beseitigung des Kirchensteuerprivilegs ergibt sich zwangsläufig aus der Forderung nach Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus, der Kirche (siehe dazu Punkt 10). Denn das den Kirchen zuerkannte Besteuerungsrecht entfällt mit der Aberkennung dieses Status'.
- Die Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung des einzelnen ist Teil seiner unverletzlichen Privatsphäre. Niemand darf gezwungen werden, seine Konfession oder Weltanschauung gegenüber Einwohnermeldeämtern oder auf der Lohnsteuerkarte offenzulegen. Kirchenbehörden haben auch nicht das Recht, zur Klärung der Kirchensteuerveranlagung einen Nachweis der Nichtzugehörigkeit zu einer Konfession zu verlangen. Bis zur Verfassungsänderung auf Ablösung des Kirchensteuerprivilegs ist der landesrechtlich geregelte Einzug der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter sofort einzustellen. Dies ist ohne Verletzung der Verfassung möglich, da das Grundgesetz den Kirchen lediglich das - unter datenschutzrechtlichen Gründen freilich höchst bedenkliche - Recht einräumt "aufgrund der staatlichen Steuerlisten" ihre Steuern zu erheben.
- Die auf historischen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Kirchen (z. B. aufgrund der sogenannten Säkularisation von Kirchenvermögen im 19. Jahrhundert) sind zu beenden. Durch die bisherigen Zahlungen des Staates gilt die von der Verfassung vorgesehene Ablösung als erfolgt. Das 1919 in Kraft getretene und 1949 bestätigte Verfassungsgebot, die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften durch die Landesgesetzgebungen gemäß den vom Bund aufzustellenden Grundsätzen abzulösen, ist deshalb als vollzogen aufzuheben.
- Steuer- und gebührenrechtliche Sondervorteile (wie Freistellung von Grundsteuern, Grunderwerbssteuern, Verwaltungsgebühren, Gerichtskosten u. ä.) der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, insbesondere der beiden christlichen Großkirchen, sind abzuschaffen.
- Solange den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, insbesondere den beiden christlichen Großkirchen, Zuschüsse und finanzielle Leistungen aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, sind diese lückenlos offenzulegen und uneingeschränkt der parlamentarischen Kontrolle sowie der Publizitätspflicht zu unterwerfen. Hierunter fallen auch dynamisch von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr fortgeschriebene Leistungen und Zuwendungen aufgrund von Verträgen, Verwaltungsvereinbarungen, historischen Rechtstiteln o. ä.