-
(2723) München. Die Beratungsorganisation "Pro Familia" will vom Freistaat Bayern mehr Geld für
ihre Schwangerenberatung. Dafür wird gefordert, den katholischen Beratungsstellen in Bayern die staatliche Anerkennung zu
entziehen. Als Begründung erklärte Pro Familia, der künftige Beratungsschein sei mit dem bischöflichen Zusatz rechtswidrig.
Eine entsprechende Klage Pro Familias liegt dem Verwaltungsgericht Augsburg vor. (Radio Vatikan, 7.-10.7.99)
-
(2724) Schwerin. Die geplante Anerkennung des "Interessenvereins humanistische Jugendarbeit und
Jugendweihe" in Mecklenburg-Vorpommern als Träger der freien Jugendhilfe hat bei den beiden großen Kirchen im Land scharfen
Protest ausgelöst. Damit werde die Jugendweihe in einen "staatlich sanktionierten Rahmen" gehoben, heißt es in einer im April
in Schwerin verbreiteten Erklärung der mecklenburgischen und der pommerschen Kirche sowie des Erzbistums Hamburg. Dies müsse
von vielen, für die diese Feier zu DDR-Zeiten "eine bis heute nicht aufgearbeitete Schmerzgeschichte darstellte, als Schlag ins
Gesicht empfunden werden". Die Absicht des Sozialministeriums deute auf eine Förderung der Jugendweihe mit Steuergeldern hin.
Für die Kirchen sei es selbstverständlich, dass Konfirmation und Firmung keine staatliche finanzielle Unterstützung erhielten.
Zugleich sei es irreführend, wenn das Sozialministerium die Jugendweihe als nichtreligiöse Veranstaltung darstelle. Allein der
Begriff "Weihe" mache ihren "pseudoreligiösen Charakter" deutlich. (Neues Deutschland, 9.4.99)
Anm. MIZ: Getroffene Hunde heulen bekanntlich am lautesten. Wer Jahr für Jahr Millionen vom Staat abkassiert, die eigenen
Bischöfe aus den allgemeinen Steuern bezahlt und selbst die letzte Ölung über die allgemeinen Krankenhaussätze abrechnet,
sollte sich nicht damit schmücken, dass er hin und wieder selbstgebackene Oblaten kostenlos verteilt. Die scharfen Geschütze,
die die Kirchen gegen die Jugendweihe auffahren, dienen nur dem Zweck, einen ungeliebten Konkurrenten vom Markt zu drängen. Es
ist zu hoffen, dass die verantwortlichen PolitikerInnen diesen Versuch eines unlauteren Wettbewerbs durchkreuzen.
-
(2725) Hamburg. Mit einer bundesweiten Aktion "Segenskoffer" will die evangelische Kirche
Zukunftsängsten auf dem Weg ins dritte Jahrtausend begegnen. Sieben symbolträchtige Gegenstände werden derzeit in 20 000 Koffer
aus Pappe gepackt: sieben Scheiben ungesäuertes Brot, ein Säckchen mit Salz, ein Holzkreuz zum Umhängen, eine Kerze, ein
Bronze-Engel, eine Pilger-Muschel und ein Tütchen mit Sonnenblumen-Samen. Eine Broschüre enthält Bibeltexte und Meditationen
zum Thema Segen. Außerdem liegen jedem Koffer drei "Segenspostkarten" bei. "Es gibt immer wieder Gurus, die die
Jahrtausendwende für sich nutzen", sagte Öffentlichkeitspastor Hinrich C.G. Westphal Anfang April bei der Vorstellung des
Segenskoffers in Hamburg. Ängste würden geschürt und von "Endzeitaposteln" vermarktet. Aus christlicher Sicht wolle der Verein
"Andere Zeiten" mit Hilfe des Segenskoffers dazu eine Alternative bieten. Die Aktion werde spätestens im Advent beginnen. Der
"Segenskoffer" kann für 42 Mark plus Porto beim Verein "Andere Zeiten" bestellt werden. (Darmstädter Echo, 10.4.99)
Anm. MIZ: Erinnert dieser Segenskoffer nicht frappant an den "Feldkoffer", den Militärgeistliche im Krieg benutzten, um die
Utensilien für das Abendmahl immer griffbereit zu haben?
-
(2726) München. Ein bayerisches Elternpaar, das die Entfernung des Kruzifixes aus dem
Schulklassenraum seines Kindes verlangt, hat in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin recht bekommen. Zwar
bestätigten die Richter die bayerische Regelung, wonach generell Kruzifixe in bayerischen Klassenzimmern hängen sollen, als
verfassungskonform. Zugleich stimmten sie in dem konkreten Einzelfall aber den Eltern zu und verfügten, das Kreuz müsse
abgenommen werden. Kernpunkt des Urteils ist, dass es beim Widerspruch gegen das Kruzifix nicht auf die Qualität des Einspruchs
ankommt, wenn der Wille der Eltern erkennbar und eindeutig ist. Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war den Eltern
nämlich noch bescheinigt worden, dass sie gegen das Kreuz im Klassenzimmer keine "ernsthaften und einsehbaren Gründe"
vorgebracht hätten. Doch das ist nach der Berliner Entscheidung gar nicht entscheidend. Die Forderung nach einsehbaren Gründen
dürfe nur so verstanden werden, dass sich Schulleiter und Gerichte in den Standpunkt der Widersprechenden hineinversetzen
müßten. "Daher können auch triviale Begründungen anzuerkennen sein", heißt es in dem Urteil. Wenn - wie im vorliegenden Fall -
deutlich werde, dass die Eltern Atheisten seien oder aus antireligiösen Aufassungen heraus das Kreuz im Klassenzimmer
ablehnten, "muß dies ausreichen".
Generell gab das Bundesverwaltungsgericht der bayerischen Widerspruchsregelung aber dennoch seinen Segen. Bei
verfassungskonformer Auslegung" bestünden dagegen "keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken", hieß es. Dem vom
Bundesverfassungsgericht betonten Grundsatz der Freiwilligkeit werde mit dem bayerischen Modell, wonach nur bei einem konkreten
Einspruch das Kreuz abzuhängen ist, "noch hinreichend Rechnung getragen". (Frankfurter Rundschau, 22.4.99)
-
(2727) Frankfurt. Die christlichen Kirchen haben nach Einschätzung des hessisch-nassauischen
Kirchenpräsidenten Peter Steinacker "kein Monopol mehr in Fragen der Religion und Weltanschauung". Bei einer fortschreitenden
Säkularisierung verliere die christliche Religion im öffentlichen Leben immer mehr an Boden, beklagte Steinacker in Frankfurt
zum Auftakt der Frühjahrssynode seiner Landeskirche. Die Kirchensynode vertritt knapp zwei Millionen evangelische Christen in
Teilen von Rheinland-Pfalz und Hessen. Seine Beobachtungen machte Steinacker an Erfahrungen mit der neuen rot-grünen
Bundesregierung fest. In den Steuerfragen, die sich massiv auf die Finanzlage der Kirchen auswirken, seien die Kirchen erstmals
"weder informiert, noch gar wie in früheren Jahren angehört worden". Die beteiligten Minister und Abgeordneten hätten die
Auswirkungen ihrer Beschlüsse auf die Kirchensteuer gar nicht erkannt. Dabei bedeute das Steuerentlastungsgesetz für die
Kirchen im Jahr 2002 Mindereinnahmen von rund 15 Prozent, die Pläne zur Unternehmenssteuerreform würden noch einmal zehn bis 15
Prozent an Verlust bringen. (Darmstädter Echo, 24.4.99). Das Finanzministerium schätzt die jährlichen Steuerausfälle der
Kirchen durch die Steuerreform auf rund 1,5 Milliarden Mark. (Radio Vatikan, 22.-24.4.99)
-
(2728) Mainz. Die Katholiken wollen ihre Schulen in den neuen Bundesländern stärker zur
Verbreitung der römischen Glaubenslehre nutzen. "Die Gründung von eigenen Schulen war eine der wichtigsten Sachen, die man
machen konnte", sagte der Mainzer Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, in Mainz. Während die
Jugendweihe floriere, liege der "missionarische Elan" der katholischen Kirche noch weit zurück. Bischof Lehmann sprach von
einer großen Chance, mit Hilfe der Konfessionsschulen ein Vakuum in der "geistigen Wüste" der neuen Bundesländer zu füllen. Ein
neuer Aufbau könne nur von unten geschehen. Die Schulen seien dafür ein "geeignetes Instrument". (Neues Deutschland,
4.5.1999)
-
(2729) Stuttgart. Die steuerpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Frick, hat
eine Abschaffung der Kirchensteuer gefordert. "Der Staat sollte keine Kirchensteuer erheben. Hohe Kirchensteuern veranlassen
viele Menschen dazu, aus der Kirche auszutreten", erklärte die FDP-Politikern in einem Interview. Es gebe viele Menschen, die
sich die Kirchensteuer "nicht mehr leisten können". Statt einer staatlich eingezogenen Kirchensteuer plädierte Frick für einen
freiwilligen Beitrag an die Kirchen. (Darmstädter Echo, 8.5.99)
-
(2730) Ludwigshafen. Gute Geschäfte mit Gottes Segen macht der geschäftstüchtige Gottesgelehrte
Vikar Johannes Holzach. Er ist einer von acht "Freien Priestern" in Deutschland, die unter dieser Rubrik überkonfessionelle
Trauungen auf einer Internet-Seite vornehmen. Der 38jährige Ludwigshafener gehört noch zu den preiswerten Anbietern: 500 Mark
verlangt er für seinen Auftritt, andere verlangen mehrere tausend Mark. In den USA unter dem Slogan "Rent a priest" längst
etabliert, wächst auch hierzulande der Markt für "Riten-Designer". Die Kirchen bekommen private Konkurrenz. Nach einer Emnid-
Studie kann sich jeder dritte Bundesbürger vorstellen, Segnungen auch von nichtkirchlichen Anbietern vornehmen zu lassen. Bei
den unter 30jährigen ist es fast jeder zweite. Unter Kirchenmitgliedern genießen die Gewerbe-Theologen kaum weniger Sympathien
als bei den Konfessionslosen. "Aus Gläubigen werden Kunden", beschreibt der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz den
Trend. (Süddeutsche Zeitung, 15.5.1999)
-
(2731) Berlin. Der Humanistische Verband wird nicht mit den großen christlichen Kirchen
gleichgestellt. Der Verband erhält auch keine geforderte höhere Förderung vom Land. Dies hat das Verwaltungsgericht Anfang Juni
entschieden. Als Begründung verwies das Gericht auf die geringe Zahl von 550 zahlenden Mitgliedern. Die rund 3 500
Fördermitglieder wurden nicht mitgerechnet. Zudem hat nach Auffassung des Gerichts Berlin schon mit Millionen-Zahlungen gegen
das Haushaltsrecht verstoßen. (Az. VG 27 A 179.98 und 58.98). Der Verband wollte vor allem eine Anerkennung als Körperschaft
des öffentlichen Rechts. Diesen Status haben die Kirchen seit der Weimarer Republik, aber auch kleinere Gemeinschaften wie
Baptisten. Damit gibt es die Möglichkeit, Steuern einzuziehen und höhere Staatszuschüsse zu beanspruchen. Er beruft sich auf
das große Interesse an dem Fach Lebenskunde. Rund 24 000 Jugendliche an Berlins Schulen lassen sich vom Verband unterrichten -
etwa die Zahl der katholischen Religionsschüler. Nach Ansicht des Gerichtes aber hat der Verband nicht die notwendige "Gewähr
der Dauer" und "keine hinreichende finanzielle Stabilität". Der Vorsitzende des Humanistischen Verbandes Bruno Osuch läßt nun
prüfen, ob der Verband vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung einlegt. Das Urteil schreibe die "Privilegierung der großen
Kirchen" fest. (Berliner Zeitung, 4.6.99)
Anm. MIZ: Der Versuch des Humanistischen Verbandes, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden und somit
in gewisser Weise (was die "Ausplünderung des Staates" betrifft) mit den Kirchen gleichzuziehen, hat unter Konfessionslosen
lange Zeit für heftige Kontroversen gesorgt. Vielleicht sorgt das Urteil dafür, dass die Positionen neu überdacht werden.
-
(2732) Stuttgart. Sollten Christen versuchen, Menschen jüdischen Glaubens zu "bekehren"? Um diese
Frage ist im Vorfeld des diesjährigen Kirchentages ein heftiger Streit ausgebrochen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, sagte seine Teilnahme an dem Forum "Nein zur Judenmission" kurzfristig ab. Die
Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen sei "zu einseitig auf eine Ablehnung der Judenmission fixiert",
begründete EKD-Sprecher Thomas Krüger die Absage. Die Veranstalter hätten Kocks Vorschlag abgelehnt, auch Befürworter der
Judenmission zu Wort kommen zu lassen. Der Streit um die Judenmission hatte sich entzündet, weil auf dem Kirchentag auch der
umstrittene "Evangeliumsdienst für Israel" auftrat. Diese Gruppe tritt vehement dafür ein, Juden zu missionieren. Aus Protest
zog sich daraufhin die Israelitische Religionsgemeinschaft weitgehend aus dem Kirchentagsprogramm zurück. Nach Angaben Käßmanns
sagte auch der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, "aus Termingründen"
seine Teilnahme an dem Forum ab.
"Wir sehen im Kirchentagspräsidium, dass die Frage der Judenmission nicht ad hoc entschieden werden kann", betonte die
Generalsekretärin des Kirchentages, Margot Käßmann, die zugleich Bischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover
ist. Ebenso äußerte sich auch der Stuttgarter Landesbischof Eberhardt Renz: "So leicht kann man keine Antwort darauf geben."
(Spiegel online, 16.6.99)
-
(2733) Essen. Mit Fotomodels will die katholische Kirche das Image ihrer Priester aufbessern.
Schnittige Jungs und flotte Sprüche auf Plakaten und Postkarten sollen junge Männer ins Priesteramt locken. "Wer Menschen Kraft
geben will, wird Fitness-Trainer oder Priester", lautet einer der Slogans. Ins Rollen gebracht wurde die Imagekampagne vom
Bochumer Priesterseminar. "Wir wollen, dass die Menschen übers Priestertum ins Gespräch kommen", sagt dessen Leiter Hans-Werner
Thönnes. Nur noch 600 junge Menschen haben 1998 in Deutschland eine Ausbildung zum Priester begonnen - nach Angaben der
Deutschen Bischofskonferenz halb so viele wie zehn Jahre zuvor. Allein im Bistum Essen sank die Zahl der Priester von über 1
000 in den 60er Jahren auf heute rund 770. "Viele Priester sind heute für zwei Gemeinden zuständig", sagt Bistumssprecher
Ulrich Lota. (Fränkischer Tag, 26.7.99)
-
(2734) Hamburg. Erstmals öffnet ein Bundesland seine Standesämter für gleichgeschlechtliche
Paare. Als Beleg der "Ehe" erhalten die Partner eine Partnerschaftsurkunde. Es ist eine rein symbolische Handlung ohne
rechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren. Moderate Töne zur "Hamburger Ehe" kommen von der Nordelbischen
Evangelischen Lutherischen Kirche. "Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind Zeichen von Liebe, Verantwortung und
Solidarität, sagt Bischöfin Maria Jepsen und fordert gesellschaftliche Anerkennung und rechtlichen Schutz. Allerdings sei das
Hamburger Modell keine Ehe und sollte auch nicht so genannt werden. Das klare Abstandgebot zur Ehe, die unter dem besonderen
Schutz des Staates steht, werde eingehalten. Die CDU läuft hingegen Sturm gegen das Gesetz. Nach den Worten ihrer
Bürgerschaftsabgeordenten Karen Koop ist die Ehe urchristlich und nicht auf gleichgeschlechtliche Paare übertragbar.
(Westfälische Allgemeine Zeitung, 8.4.99)
-
(2735) Köln. Die Einschaltquote der 44 Jahre alten Verkündigungssendung "Wort zum Sonntag", die
früher noch drei Millionen treue Fans hatte, liegt seit Februar [Zeitpunkt der Neugestaltung] bei durchschnittlich 1,65
Millionen Zuschauern. (ARD/ZDF-Videotext 10.4.99)
Anm. MIZ: Wie sagt man so schön? Da wurden alte Fans vergrault, aber keine neuen hinzugewonnen...