Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich

Acta Apostolicae Sedis 25 [1933], 389ff. Reichsgesetzblatt von 1933, II, 679ff. [Deutscher und italienischer Text. In den A. A. S. hat das ganze Vertragswerk die Überschrift: Inter Sanctam Sedem et Germanicam Rempublicam Sollemnis Conventio, der italienische Text: Concordato fra la Santa Sede ed il Reich Germanico].

Siehe auch: 60 Jahre Reichskonkordat

Seine Heiligkeit Papst Pius XI. und der Deutsche Reichspräsident, von dem gemeinsamen Wunsche geleitet, die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern, gewillt, das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Staat für den Gesamtbereich des Deutschen Reiches in einer beide Teile befriedigenden Weise dauernd zu regeln, haben beschlossen, eine feierliche Übereinkunft zu treffen, welche die mit einzelnen deutschen Ländern abgeschlossenen Konkordate ergänzen und auch für die übrigen Länder eine in den Grundsätzen einheitliche Behandlung der einschlägigen Fragen sichern soll.

Zu diesem Zweck haben Seine Heiligkeit Papst Pius XI. zu Ihrem Bevollmächtigten Seine Eminenz den Hochwürdigsten Herrn Kardinal Eugen Pacelli, Ihren Staatssekretär, und der Deutsche Reichspräsident zum Bevollmächtigten den Vizekanzler des Deutschen Reiches, Herrn Franz von Papen, ernannt, die, nachdem sie ihre beiderseitigen Vollmachten ausgetauscht und in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Artikel übereingekommen sind:

Artikel 1

Das Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion.
Es anerkennt das Recht der katholischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ihre Angelegenheiten selbständig und zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen.

Artikel 2

Die mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) abgeschlossenen Konkordate bleiben bestehen und die in ihnen anerkannten Rechte und Freiheiten der katholischen Kirche innerhalb der betreffenden Staatsgebiete unverändert gewahrt. Für die übrigen Länder greifen die in dem vorliegenden Konkordat getroffenen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit Platze Letztere sind auch für die obengenannten drei Länder verpflichtend, soweit sie Gegenstände betreffen, die in den Länderkonkordaten nicht geregelt wurden oder soweit sie die früher getroffene Regelung ergänzen.
In Zukunft wird der Abschluß von Länderkonkordaten nur im Einvernehmen mit der Reichsregierung erfolgen.

Artikel 3

Um die guten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich zu pflegen, wird wie bisher ein apostolischer Nuntius in der Hauptstadt des Reiches und ein Botschafter des Deutschen Reiches beim Heiligen Stuhl residieren.

Artikel 4

Der Heilige Stuhl genießt in seinem Verkehr und seiner Korrespondenz mit den Bischöfen, dem Klerus und den übrigen Angehörigen der katholischen Kirche in Deutschland volle Freiheit.
Dasselbe gilt für die Bischöfe und sonstigen Diözesanbehörden für ihren Verkehr mit den Gläubigen in allen Angelegenheiten ihres Hirtenamtes.
Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffenden Verfügungen, die von den kirchlichen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit (Artikel 1 Abs. 2) erlassen werden, können ungehindert veröffentlicht und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der Gläubigen gebracht werden.

Artikel 5

In Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit genießen die Geistlichen in gleicher Weise wie die Staatsbeamten den Schutz des Staates. Letzterer wird gegen Beleidigungen ihrer Person oder ihrer Eigenschaft als Geistliche sowie gegen Störungen ihrer Amtshandlungen nach Maßgabe der allgemeinen staatlicher Gesetzgebung vorgehen und im Bedarfsfall behördlichen Schutz gewähren.

Artikel 6

Kleriker und Ordensleute sind frei von der Verpflichtung zur Übernahme öffentlicher Ämter und solcher Obliegenheiten, die nach den Vorschriften des kanonischen Rechtes mit dem geistlichen Stande bzw. dem Ordensstande nicht vereinbar sind. Dies gilt insbesondere von dem Amt eines Schöffen, eines Geschworenen, eines Mitglieds der Steuerausschüsse oder der Finanzgerichte.

Artikel 7

Zur Annahme einer Anstellung oder eines Amtes im Staat oder bei einer von ihm abhängigen Körperschaft des öffentlichen Rechtes bedürfen Geistliche des Nihil obstat ihres Diözesanordinarius sowie des Ordinarius des Sitzes der öffentlich-rechtlichen Körperschaft.
Das Nihil obstat ist jederzeit aus wichtigen Gründen kirchlichen Interesses widerrufbar.

Artikel 8

Das Amtseinkommen der Geistlichen ist in gleichem Maße von der Zwangsvollstreckung befreit wie die Amtsbezüge der Reichs- und Staatsbeamten.

Artikel 9

Geistliche können von Gerichtsbehörden und anderen Behörden nicht um Auskünfte über Tatsachen angehalten werden, die ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden sind und deshalb unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fallen.

Artikel 10

Der Gebrauch geistlicher Kleidung oder des Ordensgewandes durch Laien oder durch Geistliche oder Ordenspersonen, denen dieser Gebrauch durch die zu ständige Kirchenbehörde durch endgültige, der Staatsbehörde amtlich bekanntgegebene Anordnung rechtskräftig verboten worden ist, unterliegt staatlicherseits den gleichen Strafen wie der Mißbrauch der militärischen Uniform.

Artikel 11

Die gegenwärtige Diözesanorganisation und -zirkumskription der katholischen Kirche im Deutschen Reich bleibt bestehen. Eine in Zukunft etwa erforderlich erscheinende Neueinrichtung eines Bistums oder einer Kirchenprovinz oder sonstige Änderungen der Diözesanzirkumskription bleiben, soweit es sich um Neubildungen innerhalb der Grenzen eines deutschen Landes handelt, der Vereinbarung mit der zuständigen Landesregierung vorbehalten. Bei Neubildungen oder Änderungen, die über die Grenzen eines deutschen Landes hinausgreifen, erfolgt die Verständigung mit der Reichsregierung, der es überlassen bleibt, die Zustimmung der in Frage kommenden Länderregierungen herbeizuführen. Dasselbe gilt entsprechend für die Neuerrichtung oder Änderung von Kirchenprovinzen, falls mehrere deutsche Länder daran beteiligt sind. Auf kirchliche Grenzverlegungen, die lediglich im Interesse der örtlichen Seelsorge erfolgen, finden die vorstehenden Bedingungen keine Anwendung.
Bei etwaigen Neugliederungen innerhalb des Deutschen Reiches wird sich die Reichsregierung zwecks Neuordnung der Diözesanorganisation und -zirkumskription mit dem Heiligen Stuhl in Verbindung setzen.

Artikel 12

Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 11 können kirchliche Ämter frei errichtet und umgewandelt werden, falls Aufwendungen aus Staatsmitteln nicht beansprucht werden. Die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung von Kirchengemeinden erfolgt nach Richtlinien, die mit den Diözesanbischöfen vereinbart werden und für deren möglichst einheitliche Gestaltung die Reichsregierung bei den Länderregierungen wirken wird.

Artikel 13

Die katholischen Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände und Diözesanverbände, die Bischöflichen Stühle, Bistümer und Kapitel, die Orden und religiösen Genossenschaften sowie die unter Verwaltung kirchlicher Organe gestellten Anstalten, Stiftungen und Vermögensstücke der katholischen Kirche behalten bzw. erlangen die Rechtsfähigkeit für den staatlichen Bereich nach den allgemeinen Vorschriften des staatlichen Rechts. Sie bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren; den anderen können die gleichen Rechte nach Maßgabe des für alle geltenden Gesetzes gewährt werden.

Artikel 14

Die Kirche hat grundsätzlich das freie Besetzungsrecht für alle Kirchenämter und Benefizien ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinden, soweit nicht durch die in Artikel 2 genannten Konkordate andere Vereinbarungen getroffen sind.
Bezüglich der Besetzung von Bischöflichen Stühlen findet auf die beiden Suffraganbistümer Rottenburg und Mainz wie auch für das Bistum Meißen die für den Metropolitansitz der Oberrheinischen Kirchenprovinz Freiburg getroffene Regelung entsprechende Anwendung. Das gleiche gilt für die erstgenannten zwei Suffraganbistümer bezüglich der Besetzung von domkapitularischen Stellen und der Regelung des Patronatsrechtes.

Außerdem besteht Einvernehmen über folgende Punkte:

  1. Katholische Geistliche, die in Deutschland ein geistliches Amt bekleiden oder eine seelsorgerliche oder Lehrtätigkeit ausüben, müssen:
    1. deutsche Staatsangehörige sein,
    2. ein zum Studium an einer deutschen höheren Lehranstalt berechtigendes Reifezeugnis erworben haben,
    3. auf einer deutschen staatlichen Hochschule, einer deutschen kirchlichen akademischen Lehranstalt oder einer päpstlichen Hochschule in Rom ein wenigstens dreijähriges philosophisch-theologisches Studium abgelegt haben.
  2. Die Bulle für die Ernennung von Erzbischöfen, Bischöfen, eines Koadjutors cum jure successionis oder eines Praelatus nullius wird erst ausgestellt, nachdem der Name des dazu Ausersehenen dem Reichsstatthalter in dem zuständigen Lande mitgeteilt und festgestellt ist, daß gegen ihn Bedenken allgemein politischer Natur nicht bestehen. Bei kirchlichem und staatlichem Einverständnis kann von den im Absatz 2, Ziffer 1 a, b und c genannten Erfordernissen abgesehen werden.

Artikel 15

Orden und religiöse Genossenschaften unterliegen in bezug auf ihre Gründung, Niederlassung, die Zahl und - vorbehaltlich Artikel 15 Absatz 2 - die Eigenschaften ihrer Mitglieder, ihre Tätigkeit in der Seelsorge, im Unterricht, in Krankenpflege und karitativer Arbeit, in der Ordnung ihrer Angelegenheiten und der Verwaltung ihres Vermögens staatlicherseits keiner besonderen Beschränkung. Geistliche Ordensobere, die innerhalb des Deutschen Reiches ihren Amtssitz haben, müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Provinz - und Ordensoberen, deren Amtssitz außerhalb des deutschen Reichsgebietes liegt, steht, auch wenn sie anderer Staatsangehörigkeit sind, das Visitationsrecht bezüglich ihrer in Deutschland liegenden Niederlassungen zu.
Der Heilige Stuhl wird dafür Sorge tragen, daß für die innerhalb des Deutschen Reiches bestehenden Ordensniederlassungen die Provinzorganisation so eingerichtet wird, daß die Unterstellung deutscher Niederlassungen unter ausländische Provinzialobere tunlichst entfällt. Ausnahmen hiervon können im Einvernehmen mit der Reichsregierung zugelassen werden, insbesondere in solchen Fällen, wo die geringe Zahl der Niederlassungen die Bildung; einer deutschen Provinz untunlicht macht oder wo besondere Gründe vorliegen, eine geschichtlich gewordene und sachlich bewährte Provinzorganisation bestehen zu lassen.

Artikel 16

Bevor die Bischöfe von ihrer Diözese Besitz ergreifen, leisten sie in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueid nach folgender Formel:

»Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande... Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und vorn meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge (um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.«

Artikel 17

Das Eigentum und andere Rechte der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, der Anstalten, Stiftungen und Verbände der katholischen Kirche an ihrem Vermögen werden nach Maßgabe der allgemeinen Staatsgesetze gewährleistet.
Aus keinem irgendwie gearteten Grunde darf ein Abbruch von gottesdienstlichen Gebäuden erfolgen, es sei denn nach vorherigem Einvernehmen mit der zuständigen kirchlichen Behörde.

Artikel 18

Falls die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholische Kirche abgelöst werden sollten, wird vor der Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden.

Zu den besonderen Rechtstiteln zählt auch das rechtsbegründete Herkommen. Die Ablösung muß den Ablösungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen gewähren.

Artikel 19

Die katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten. Ihr Verhältnis zur kirchlichen Behörde richtet sich nach den einschlägigen Konkordaten und dazugehörenden Schlußprotokollen festgelegten Bestimmungen unter Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschriften. Die Reichsregierung wird sich angelegen sein lassen, für sämtliche in Frage kommenden katholischen Fakultäten Deutschlands eine einheitliche Praxis zu sichern

Artikel 20

Die Kirche hat das Recht, soweit nicht andere Vereinbarungen vorliegen, zur Ausbildung des Klerus philosophische und theologischen Lehranstalten zu errichten, die ausschließlich von der kirchlichen Behörde abhängen, falls keine staatlichen Zuschüsse verlangt werden.
Die Errichtung, Leitung und Verwaltung der Priesterseminare sowie der kirchlichen Konvikte steht, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ausschließlich den kirchlichen Behörden zu.

Artikel 21

Der katholische Religionsunterricht in den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten ist ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche erteilt. Im Religionsunterricht wird die Erziehung zu vaterländischem, staatsbürgerlichem und sozialem Pflichtbewußtsein aus dem Geiste des christlichen Glaubens des Sittengesetzes mit besonderem Nachdruck gepflegt werden, ebenso wie es im gesamten übrigen Unterricht geschieht. Lehrstoff und Auswahl der Lehrbücher für den Religionsunterricht werden im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde festgesetzt. Den kirchlichen Oberbehörden wird Gelegenheit gegeben werden, im Einvernehmen mit der Schulbehörde zu prüfen, ob die Schüler Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehrern und Anforderungen der Kirche erhalten.

Artikel 22

Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern findet Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung statt. Lehrer, die wegen ihrer Lehre oder sittlichen Führung; vom Bischof zur weiteren Erteilung des Religionsunterrichtes für ungeeignet erklärt worden sind, dürfen, solange dies Hindernis besteht, nicht als Religionslehrer verwendet werden.

Artikel 23

Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewährleistet. In allen Gemeinden, in denen Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte es beantragen, werden katholische Volksschulen errichtet werden, wenn die Zahl der Schüler unter gebührender Berücksichtigung der örtlichen schulorganisatorischen Verhältnisse einen nach Maßgabe der staatlichen Vorschriften geordneten Schulbetrieb durchführbar erscheinen läßt.

Artikel 24

An allen katholischen Volksschulen werden nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören und Gewähr bieten, den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule zu entsprechen.
Im Rahmen der allgemeinen Berufausbildung der Lehrer werden Einrichtungen geschaffen, die eine Ausbildung katholischer Lehrer entsprechend den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule gewährleisten

Artikel 25

Orden und religiöse Kongregationen sind im Rahmen der allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bedingungen zur Gründung und Führung von Privatschulen berechtigt. Diese Privatschulen geben die gleichen Berechtigungen wie die staatlichen Schulen, soweit sie die lehrplanmäßigen Vorschriften für letztere erfüllen.
Für Angehörige von Orden oder religiösen Genossenschaften gelten hinsichtlich der Zulassung zum Lehramte und für die Anstellung an Volksschulen, mittleren oder höheren Lehranstalten die allgemeinen Bedingungen.

Artikel 26

Unter Vorbehalt einer umfassenden späteren Regelung der eherechtlichen Fragen besteht Einverständnis darüber, daß, außer im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines Verlobten, auch im Falle schweren sittlichen Notstandes, dessen Vorhandensein durch die zuständige bischöfliche Behörde bestätigt sein muß, die kirchliche Einsegnung der Ehe vor der Ziviltrauung vorgenommen werden darf. Der Pfarrer ist in solchen Fällen verpflichtet, dem Standesamt unverzüglich Anzeige zu erstatten.

Artikel 27

Der Deutschen Reichswehr wird für die zu ihr gehörenden katholischen Offiziere, Beamten und Mannschaften sowie deren Familien eine exemte Seelsorge zugestanden.
Die Leitung der Militärseelsorge obliegt dem Armeebischof. Seine kirchliche Ernennung erfolgt durch den Heiligen Stuhl, nachdem letzterer sich mit der Reichsregierung in Verbindung gesetzt hat, um im Einvernehmen mit ihr eine geeignete Persönlichkeit zu bestimmen. Die kirchliche Ernennung der Militärpfarrer und sonstigen Militärgeistlichen erfolgt nach vorgängigem Benehmen mit der zuständigen Reichsbehörde durch den Armeebischof. Letzterer kann nur solche Geistliche ernennen, die von ihrem zuständigen Diözesanbischof die Erlaubnis zum Eintritt in die Militärseelsorge und ein entsprechendes Eignungszeugnis erhalten haben. Die Militärgeistlichen haben für die ihnen zugewiesenen Truppen und Heeresangehörigen Pfarrechte.
Die näheren Bestimmungen über die Organisation der katholischen Heeresseelsorge erfolgen durch ein Apostolisches Breve. Die Regelung der beamtenrechtlichen Verhältnisse erfolgt durch die Reichsregierung.

Artikel 28

In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen Häusern der öffentlichen Hand wird die Kirche im Rahmen der allgemeinen Hausordnung zur Vornahme seelsorgerlicher Besuche und gottesdienstlicher Handlungen zugelassen. Wird in solchen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und müssen hierfür Geistliche als Staats- oder sonstige öffentliche Beamte eingestellt werden, so geschieht dies im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde.

Artikel 29

Die innerhalb des Deutschen Reiches wohnhaften katholischen Angehörigen einer nichtdeutschen völkischen Minderheit werden bezüglich der Berücksichtigung ihrer Muttersprache in Gottesdienst, Religionsunterricht und kirchlichem Vereinswesen nicht weniger günstig gestellt werden, als der rechtlichen und tatsächlichen Lage der Angehörigen deutscher Abstammung und Sprache innerhalb des Gebietes des entsprechenden fremden Staates entspricht.

Artikel 30

An den Sonntagen und den gebotenen Feiertagen wird in den Bischofskirchen sowie in den Pfarr-, Filial- und Klosterkirchen des Deutschen Reiches im Anschluß an den Hauptgottesdienst, entsprechend den Vorschriften der kirchlichen Liturgie, ein Gebet für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes eingelegt.

Artikel 31

Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände, die ausschließlich religiösen, reinkulturellen und karitativen Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind, werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.
Diejenigen katholischen Organisationen, die außer religiösen, kulturellen oder karitativen Zwecken auch anderen, darunter auch sozialen oder berufsständischen Aufgaben dienen, sollen, unbeschadet einer etwaigen Einordnung in staatliche Verbände, den Schutz des Artikels 31 Absatz 1 genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten.

Die Feststellung der Organisationen und Verbände, die unter die Bestimmungen dieses Artikels fallen, bleibt vereinbarlicher Abmachung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat vorbehalten. Insoweit das Reich und die Länder sportliche oder andere Jugendorganisationen betreuen, wird Sorge getragen werden, daß deren Mitgliedern die Ausübung ihrer kirchlichen Verpflichtungen an Sonn- und Feiertagen regelmäßig ermöglicht wird und sie zu nichts veranlaßt werden, was mit ihren religiösen und sittlichen Überzeugungen und Pflichten nicht vereinbar wäre.

Artikel 32

Auf Grund der in Deutschland bestehenden besonderen Verhältnisse wie im Hinblick auf die durch die Bestimmungen des vorstehenden Konkordats geschaffenen Sicherungen einer die Rechte und Freiheiten der katholischen Kirche im Reich und seinen Ländern wahrenden Gesetzgebung erläßt der Heilige Stuhl Bestimmungen, die für die Geistlichen und Ordensleute die Mitgliedschaft in politischen Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien ausschließen.

Artikel 33

Die auf kirchliche Personen oder kirchliche Dinge bezüglichen Materien, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, werden für den kirchlichen Bereich dem geltenden kanonischen Recht gemäß geregelt.
Sollte sich in Zukunft wegen der Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung dieses Konkordates irgendeine Meinungsverschiedenheit ergeben, so werden der Heilige Stuhl und das Deutsche Reich im gemeinsamen Einvernehmen eine freundschaftliche Lösung herbeiführen.

Artikel 34

Das vorliegende Konkordat, dessen deutscher und italienischer Text gleiche Kraft haben, soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden baldigst ausgetauscht werden. Es tritt mit dem Tage ihres Austausches in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Konkordat unterzeichnet

Geschehen in doppelter Urschrift.

In der Vatikanstadt, am 20. Juli 1933.

L. S. gez. Eugenio Cardinale Pacelli

L. S. gez. Franz von Papen

Schlußprotokoll

Bei der Unterzeichnung des am heutigen Tage abgeschlossenen Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich haben die ordnungsmäßig bevollmächtigten Unterzeichneten folgende übereinstimmende Erklärungen abgegeben, die einen integrierenden Bestandteil des Konkordats selbst bilden.

Zu Artikel 3

Der Apostolische Nuntius beim Deutschen Reich ist, entsprechend dem Notenwechsel zwischen der Apostolischen Nuntiatur in Berlin und dem Auswärtigen Amt vom 11. und 27. März 1930, Doyen des dort akkreditierten Diplomatischen Korps.

Zu Artikel 13

Es besteht Einverständnis darüber, daß das Recht der Kirche, Steuern zu erheben, gewährleistet bleibt.

Zu Artikel 14 Absatz 2 Ziffer 2

Es besteht Einverständnis darüber, daß, sofern Bedenken allgemeinpolitischer Natur bestehen, solche in kürzester Frist vorgebracht werden. Liegt nach Ablauf von 20 Tagen eine derartige Erklärung nicht vor, so wird der Heilige Stuhl berechtigt sein, anzunehmen, daß Bedenken gegen den Kandidaten nicht bestehen. Über die in Frage stehenden Persönlichkeiten wird bis zur Veröffentlichung der Ernennung volle Vertraulichkeit gewahrt werden.
Ein staatliches Vetorecht soll nicht begründet werden.

Zu Artikel 17

Soweit staatliche Gebäude oder Grundstücke Zwecken der Kirche gewidmet sind, bleiben sie diesen, unter Wahrung etwa bestehender Verträge, nach wie vor überlassen.

Zu Artikel 19 Satz 2

Die Grundlage bietet zur Zeit des Konkordatsabschlusses besonders die Apostolische Konstitution »Deus scientiarum Dominus« vom 24. Mai 1931 und die Instruktion vom 7. Juli 1932.

Zu Artikel 20

Die unter Leitung der Kirche stehenden Konvikte an Hochschulen und Gymnasien werden in steuerrechtlicher Hinsicht als wesentliche kirchliche Institutionen im eigentlichen Sinne und als Bestandteil der Diözesanorganisation anerkannt.

Zu Artikel 24

Soweit nach Neuordnung der Lehrerbildungswesens Privatanstalten in der Lage sind, den allgemein geltenden staatlichen Anforderungen für Ausbildung von Lehrern oder Lehrerinnen zu entsprechen, werden bei ihrer Zulassung auch bestehende Anstalten der Orden und Kongregationen entsprechend berücksichtigt werden.

Zu Artikel 26

Ein schwerer sittlicher Notstand liegt vor, wenn es auf unüberwindliche oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu beseitigende Schwierigkeiten stößt, die zur Eheschließung erforderlichen Urkunden rechtzeitig beizubringen.

Zu Artikel 27 Absatz 19

Die katholischen Offiziere, Beamten und Mannschaften sowie deren Familien gehören nicht den Ortskirchengemeinden an und tragen nicht zu deren Lasten bei.
Absatz 4
Der Erlaß des Apostolischen Breve erfolgt im Benehmen mit der Reichsregierung.

Zu Artikel 28

In dringenden Fällen ist der Zutritt dem Geistlichen jederzeit zu gewähren.

Zu Artikel 29

Nachdem die Deutsche Reichsregierung sich zu dem Entgegenkommen in bezug auf nichtdeutsche Minderheiten bereitgefunden hat, erklärt der Heilige Stuhl, in Bekräftigung seiner stets vertretenen Grundsätze bezüglich des Rechtes der Muttersprache in der Seelsorge, im Religionsunterricht und im katholischen Vereinsleben, bei künftigen konkordatären Abmachungen mit anderen Ländern auf die Aufnahme einer gleichwertigen, die Rechte der deutschen Minderheiten schützende Bestimmung Bedacht nehmen zu wollen.

Zu Artikel 31 Absatz 4

Die im Artikel 31 Absatz 4 niedergelegten Grundsätze gelten auch für den Arbeitsdienst.

Zu Artikel 32

Es herrscht Einverständnis darüber, daß vom Reich bezüglich der nichtkatholischen Konfessionen gleiche Regelungen betreffend parteipolitische Betätigung veranlaßt werden.
Das den Geistlichen und Ordensleuten Deutschlands in Ausführung des Artikels 32 zur Pflicht gemachte Verhalten bedeutet keinerlei Einengung der pflichtmäßigen Verkündung und Erläuterung der dogmatischen und sittlichen Lehren und Grundsätze der Kirche.


In der Vatikanstadt, am 20. Juli 1933.

L. S. gez. Eugenio Cardinale Pacelli
L. S. gez. Franz von Papen

Austausch der Ratifikationen

Acta Apostolicae Sedis 25 [1933], 414.
Conventione inter Apostolicam Sedem et Rem Germanorum publicam rata habita, die 10. Septembris 1933 in Palatio Apostolico Vaticono Ratihabitionis Instrumenta accepta et reddita mutuo fuerunt. Exinde, i.e.a die 10 Septembris 1933, quo die huiusmodi Instrumenta permutata fuerunt, Conventio inter Ssmum Dominum Nostrum Pium PP. XI et Supremum Reipublicae Germanicae Praesidem (Deutsche Reichspraesident) icta una simul cum Protocollo findi, vigere et valere coepit ad normam art. 34 comm. 1 eiusdem Pactionis.

Nach der Ratifizierung des Übereinkommens zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Deutschen Reich wurden am 10. September 1933 im Vatikan die Ratifikationsurkunden ausgewechselt. Seitdem, d. i. vom 10. September 1933 an, dem Tage des Austausches dieser Urkunden, ist die zwischen Sr. Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Deutschen Reichspräsidenten abgeschlossene Übereinkunft zugleich mit dem Schlußprotokoll nach Maßgabe des Artikels 34 Abs. 1 dieses Vertrages in Kraft und Geltung.

Bekanntmachung über das Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl

Reichsgesetzblatt 1933, II, 679.

Am 20. Juli 1933 ist in der Vatikanstadt zwischen Vertretern des Deutschen Reichs und des Heiligen Stuhls ein Konkordat unterzeichnet worden. Das Konkordat und das dazugehörende Schlußprotokoll werden nachstehend veröffentlicht.

Das Konkordat ist ratifiziert worden. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat am 10. September 1933 in der Vatikanstadt stattgefunden. Das Konkordat und das Schlußprotokoll sind gemäß Artikel 34 des Konkordats am 10. September 1933 in Kraft getreten.

Zur Ausführung des Konkordats ist das im Reichsgesetzblatt von 1933 Teil I Seite 625 veröffentlichte Gesetz vom 12. September 1933 ergangen.

Berlin, den 12. September 1933.

Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath
Der Reichsminister des Innern Frick

Gesetz zur Durchführung des Reichskonkordats

Reichsgesetzblatt 1933, I, 625.

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
Der Reichsminister des Innern wird ermächtigt, die zur Durchführung der Bestimmungen des Reichskonkordats erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.

Berlin, den 12. September 1933.

Der Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister des Auswärtigen
Freiherr von Neurath

Der Reichsminister des Innern
Frick

Erlaß über die Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Reiches und Preußens in Kirchenangelegenheiten

Reichsgesetzblatt 1935, I, 1029.

Auf den Reichsminister ohne Geschäftsbereich Kerrl gehen die bisher im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern sowie im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bearbeiteten kirchlichen Angelegenheiten über. Wegen der Ausführung dieses Erlasses treffen die beteiligten Reichs- und Preußischen Minister nähere Bestimmungen.

Berlin, den 16. Juli 1935.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
Rust

Der Preußische Ministerpräsident
in Vertretung: Körner

Der Geheimanhang des Reichskonkordats

Abgedruckt in: Schöppe, Lothar, Konkordate seit 1800, Frankfurt/M.-Berlin 1964, S.35

Im Falle einer Umbildung des gegenwärtigen deutschen Wehrsystems im Sinne der Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht wird die Heranziehung von Priestern und anderen Mitgliedern des Welt- und Ordensklerus zur Leistung der Militärdienstpflicht im Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl nach Maßgabe etwa folgender Leitgedanken geregelt werden:

a) Die in kirchlichen Anstalten befindlichen Studierenden der Philosophie und Theologie, welche sich auf das Priestertum vorbereiten, sind vom Militärdienst und den darauf vorbereitenden Übungen befreit, ausgenommen im Fall der allgemeinen Mobilisierung.

b) Im Fall einer allgemeinen Mobilisierung sind die Geistlichen, die in der Diözesanverwaltung oder in der Militärseelsorge beschäftigt sind, von der Gestellung frei. Als solche gelten die Ordinarien, die Mitglieder der Ordinariate, die Vorsteher der Seminare und kirchlichen Konvikte, die Seminarprofessoren, die Pfarrer, Kuraten, Rektoren, Koadjutoren und die Geistlichen, welche dauernd einer Kirche mit öffentlichem Gottesdienst vorstehen.

c) Die übrigen Geistlichen treten, falls sie tauglich erklärt werden, in die Wehrmacht des Staates ein, um unter der kirchlichen Jurisdiktion des Armeebischofs sich der Seelsorge bei den Truppen zu widmen, falls sie nicht zum Sanitätsdienst eingezogen werden.

d) Die übrigen Kleriker in sacris oder Ordensleute, die noch nicht Priester sind, sind dem Santitätsdienst zuzuteilen. Dasselbe soll im Rahmen des Möglichen mit den unter a) erwähnten Priesteramtskandidaten geschehen, die noch nicht die höheren Weihen erhalten haben.