Staatskirchenvertrag auch für Hamburg?
Aus: IBKA Rundbrief August 2003
Mitte April wurde bekannt, dass mit Hamburg das letzte deutsche Bundesland einen Staatsvertrag mit der evangelischen Kirche aushandelte. Der Entwurf lag bereits vor. Auch in Hamburg sollte, was bisher auf Vereinbarungsbasis lief, durch einen - einseitig kaum kündbaren - Staatsvertrag langfristig festgeschrieben werden. So geht es um die Garantie der Theologischen Fakultäten, um Feiertagsschutz, Kirchensteuer und Staatsleistungen. "Wir waren in der nordelbischen Kirche zu dem Entschluss gekommen, jetzt diese moderne Art des Miteinander-Umgehens zu wählen", sagte Oberkirchenrätin Chowaniec. Nach einem Briefwechsel zwischen Bischöfin Maria Jepsen und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seien sich beide Seiten einig gewesen, auf dieser Ebene einen Schritt weiterzukommen.
Was in einem säkularen Staat ausgerechnet an einem Staatskirchenvertrag "modern" ist, bleibt allerdings ein Rätsel. Am 23. April veröffentlichte der IBKA deshalb eine Pressemitteilung und machte auch befreundete säkulare Gruppen im Raum Hamburg auf das Vorhaben aufmerksam.
Aber die in Hamburg mitregierende Schill-Partei ließ die Vertragsverhandlungen vorerst platzen. Innensenator Ronald Schill begründete die Ablehnung mit den bombastischen Worten: "Ein Hamburger kniet vor niemandem nieder, auch nicht vor der Kirche. Wer einen Vertrag schließt, verpflichtet sich zu etwas, er unterwirft sich." Schill verwies dramatisch auf das Deckengemälde im Großen Festsaal des Rathauses, "wo der Hamburger wegretuschiert wurde, der ursprünglich vor Bischof Ansgar kniete." Die Notwendigkeit eines Staatsvertrages sei nicht erkennbar, hieß es aus seiner Fraktion. Über Hamburg hinaus ist jedoch bekannt, dass der eitle Innensenator Schill und die von ihm autoritär geführte rechtspopulistische Partei und deren Fraktion seit längerem nicht nur in Fragen der Behandlung von Ausländern mit der liberalen Bischöfin Maria Jepsen sich heftig uneins sind. Ganz offensichtlich nutzte Schill diese Chance, um ganz andere "Rechnungen" rhetorisch zu begleichen.
Das Geschrei, das nun von allen Seiten einsetzte, war enorm. So war aus der Bischofskanzlei zu hören, ein Staatskirchenvertrag sei gerade Ausdruck der Trennung von Staat und Kirche, die einer gegenseitigen Unterstützung Raum gebe.
Der Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) erwartet "mehr Achtung und Respekt vor demokratischen Institutionen wie der Kirche" [sic!] und betonte auch gleich seine eigene "jahrzehntelange" Mitgliedschaft. Der FDP-Landesvorsitzende Reinhard Soltau bezeichnete die Schill-Äußerung als "völlig daneben".
Der Oppositionsführer Walter Zuckerer (SPD) empfahl Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gar, sich formell bei der Nordelbischen Kirche für das Scheitern des Vertrages zu entschuldigen.
Im Zuge der Berichterstattung beschrieb die Presse ausführlich die "Leistungen" der Kirche, vor allem im sozialen Bereich. Dabei wurde ungeniert der sachlich falsche Eindruck erweckt, Kindergärten und gar kirchliche Kliniken würden zu einem beträchtlichen Anteil aus der Kirchensteuer finanziert. Indes wächst der Druck, den Staatsvertrag doch noch durchzudrücken. Auch die eigene Fraktion hat sich teilweise in dieser Angelegenheit von Schill distanziert. Man darf gespannt sein.
Einer Anfrage des DFV, Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein, den Vertragsentwurf einzusehen, wurde von der Senatsverwaltung nicht entsprochen. In einer telefonischen Nachfrage erklärte der Leiter der Staatlichen Pressestelle, Christian Schnee, dem Vorsitzenden des Landesverbandes, Uwe Scheer, dass kein Entwurf des Senats zu einem Kirchenstaatsvertrag vorliege. Der einzige Entwurf sei der der Nordelbischen Kirche, den aber die Senatspressestelle nicht veröffentlicht. Das müsse schon die Kirche selber tun. Nachdem die "Schill-Seite", so Schnee wörtlich, Einspruch erhoben habe, gebe es derzeit keinen Entwurf des Senats. Hätte, so abschließend Herr Schnee, der Senat den Vertragsentwurf der Kirche unterschrieben, dann würde in der Tat Hamburg ein "Kirchenstaat" werden.
[Aktualisierung: Die Verhandlungen mit Landeskirche und Erzbistum über den Staatskirchenvertrag begannen im Februar 2005. Lesen Sie hierzu Tatort Hamburg: Auf zum letzten Gefecht!]