Feiertagsgesetzgebung in Deutschland

Assunta Tammelleo

Assunta Tammelleo

Sonntag, 24. Mai 2015 - 09:30 Uhr

Nicht erst seit Pegida-Zeiten regen wir uns über islamisch geprägte Länder auf, in denen religiöse Bestimmungen vom Staat aus festgeschrieben werden und für alle Bürger gelten. Was wir schnell vergessen: Auch unser eigenes Recht treibt bisweilen seltsame Blüten, die einzig und allein auf veralteten Moralvorstellungen fußen. Eine davon: das öffentliche Tanz- und Musikverbot an Karfreitag und anderen christlichen Feiertagen. Gesetzlich verankert ist diese Zwangsregelung in den Feiertagsgesetzen der Länder unter Berufung auf das Grundgesetz (Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung). "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt", sagt Artikel 139 WRV. Explizit von Tanz oder Musik ist im Grundgesetz selbst also keine Rede, was noch nicht viel heißt…*

„Bayern ist Spitze“, das wissen schon mal alle, die sich für Fußball, Autos und Oktoberfest interessieren. Doch weit weniger beachtet nimmt das flächenmäßig größte deutsche Bundesland einen weiteren Spitzenplatz ein; gemeinsam mit Baden-Württemberg und Hessen hat es das strengste Musik-und Tanzverbot zum Schutz seiner 9 sogenannt „Stillen Tage“, das sogar private Feiern geschlossener Gesellschaften z.B. an Karfreitagen an Orten mit Schankanlagen staatlicherseits unter Androhung von bis zu 10.000,00 € Bußgeld verbietet. Der weltanschaulich neutrale deutsche Staat versucht damit, allen hier lebenden Nicht-Christen egal welcher Weltanschauung ihre arbeitsfreien Tage zu vermiesen. Wer am Karfreitag das Tanzbein schwingt, so die Befürworter dieser Regelung, trampele auf dem Gedenken Jesu Christi herum und beleidige die christliche Religion.

Natürlich kann man sich auch als Ungläubige in Bayern an 9 Tagen im Jahr zusammen reißen und mal nicht die Sau rauslassen. Schließlich machen auch Gottlose nicht jeden Tag Party, bloß weil sie sich so freuen, dass ihnen keiner ganz weit oben im weiß-blauen Himmel anschafft, was sie zu tun und zu lassen haben. Beim Einsatz des Bund für Geistesfreiheit München für die Abschaffung des Musik- und Tanzverbotes als Bestandteil des Bayerischen Feiertagsgesetzes geht es schlichtweg darum, sich in einem demokratischen Land christliche Vorschriften zur Lebensgestaltung schlicht zu verbitten.

Für Karfreitag 2007 wollte der Bund für Geistesfreiheit München als Protest gegen die bestehenden, damals sogar noch strengeren Regelungen in Sachen Musik- und Tanzverbot zu einer Party aufrufen mit dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqualen“, mit jeder Menge Hintergedanken… Auf Betreiben der Erzdiözese München-Freising verhängte das Münchner Kreisverwaltungsreferat dann auch prompt einen 300,00 € teuren Bußgeldbescheid des Verbotes, verbunden mit der Ankündigung, dass bei Zuwiderhandlung mit einem Bußgeld – in diesem besonders schweren Fall – von 10.000,00 € zu rechnen sei. An jenem Karfreitag haben wir dann das Partyprogramm doch kurzfristig geändert, also mit 200 Leuten einen Film angeschaut und acapella „We shall overcome“ gesungen; 10.000,00 € erschien uns doch ein wenig viel finanzieller Aufwand für eine einzige Party.

Der Rest ist ja schon wieder Geschichte. Der bfg mÜnchen ist in den Folgejahren durch alle juristischen Instanzen gegangen mit jeweils negativem Ausgang und steht mit seinem Anliegen seit 2012 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das den Fall immerhin zur Entscheidung angenommen hat. Auf ein Urteil, das angeblich noch in diesem Jahr fallen soll, sind wir sehr gespannt. Notfalls müssen wir weiter bis zum Europäischen Gerichtshof.

Doch allein die Gerichte, egal, wie sie auch entscheiden, können uns nicht helfen. Die Aktion des bfg mÜnchen richtet sich vor allen Dingen an alle Nicht-Gläubigen, sich mehr und engagierter für die Trennung von Staat und Kirche einzusetzen. Mehr Mut zu zeigen, mehr humorvolle Aktionen entwickeln und sich mehr und besser zu vernetzen. Ein mutmachendes Beispiel ist die Geschichte des § 175 Strafgesetzbuch, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechtes unter Strafe stellte, doch aufgrund der jahrzehntelangen Aktivitäten homosexueller Aktivisten und der sich ändernden Moralsvorstellungen zu recht 1994 ersatzlos gestrichen worden ist. Dagegen ist das Musik- und Tanzverbot in Bayern ein Witz; wäre doch irgendwie gelacht, wenn man das nicht weg brächte! Doch ohne nachdrücklichen Einsatz zahlreicher echter Demokraten wird es nicht gelingen. Und so wird bei der Convention nicht nur über Sinn und Unsinn der aktuellen Gesetzeslage in Sachen Musik- und Tanzverbot zu diskutieren sein, sondern auch über den Einsatz geeigneter Mittel, um z.B. mit der ersatzlosen Streichung des depperten Musik- und Tanzverbotes der Trennung von Staat und Kirche deutlich näher zu kommen!

*Hannah Wagner/DER STERN