Ab 2000: Bundesweite "Heidensteuer"?
Aus: IBKA Rundbrief September 1999
Nachdem die evangelische Kirche 1998 in Baden-Württemberg als elftem Bundesland das "besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe" eingeführt hat, steht diese sogenannte "Heidensteuer" nun offenbar flächendeckend bevor.
Das besondere Kirchgeld wird erhoben, wenn der (besser) verdienende Ehepartner keiner steuererhebenden Kirche angehört, der andere hingegen Mitglied der evangelischen Kirche ist. Es macht etwa 30 bis 40 Prozent der regulären Kirchensteuer aus und beträgt, je nach zu versteuerndem Einkommen, bis zu 4.500 DM pro Jahr! Offiziell soll das besondere Kirchgeld dazu dienen, auch Familien zur Finanzierung der kirchlichen Leistungen heranzuziehen, bei denen der Verdiener aus der Kirche ausgetreten ist, um die Kirchensteuer zu sparen.
Das besondere Kirchgeld dürfte allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig sein.
Erstens dürfen die Kirchen nur ihre Mitglieder besteuern und folglich auch nur Merkmale zur Besteuerung heranziehen, die sich auf diese beziehen. Die Nichtmitgliedschaft einer anderen Person (nämlich des gut verdienenden Ehepartners) zählt definitiv nicht dazu, vielmehr bewirkt dies de facto eine Besteuerung von Nichtmitgliedern. Daher auch der Vorwurf der "Heidensteuer".
Um diesem Vorwurf zu entgehen, wird behauptet, das Kirchgeld beziehe sich nur auf den Teil des gemeinsamen Einkommens, der dem kirchengebundenen Ehepartner zustünde. Im umgekehrten Fall (Verdiener ist Kirchenmitglied, der Partner nicht) wird allerdings darauf verzichtet, vor der Berechnung des Kirchensteuer den dem Nichtkirchenmitglied zustehenden Teil des Einkommens abzuziehen. Dies verstößt gegen den elementaren rechtsstaatlichen Grundsatz, dass Gleiches gleich behandelt werden muss (Gleichheitssatz).
Schließlich verstößt das Kirchgeld ironischerweise auch noch gegen den verfassungsmäßigen Schutz von Ehe und Familie. Dieser ist nämlich dahingehend auszulegen, dass zwei Partnern durch die Eheschließung kein Nachteil gegenüber Unverheirateten entstehen darf. Heiratet aber ein nicht oder nur gering verdienendes Kirchenmitglied eine(n) gut verdienende(n) Konfessionslose(n), so wird plötzlich Kirchgeld fällig, wo dies vorher nicht der Fall war.
Nun, IBKA-Mitglieder dürften vom besonderen Kirchgeld wohl nur in den seltensten Fällen betroffen sein. Wer aber Bekannte hat, die in einer "glaubensverschiedenen" Ehe leben, der kann diesen u.U. einige hundert bis tausende Mark pro Jahr ersparen, wenn er sie rechtzeitig auf diesen Sachverhalt hinweist. Sofern sich das Noch-Kirchenmitglied zum Austritt entscheidet, sollte dieser unbedingt bis Ende November 1999 erfolgen, damit die Kirchensteuerpflicht auch tatsächlich bis zur Einführung des Kirchgelds Anfang 2000 erloschen ist.
Mit der Einführung gerechnet werden muß in Bayern, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. In allen anderen Ländern wird es bereits erhoben.
Matthias Krause