"Staatsvertrag" Brandenburgs mit dem Vatikan

Aus: MIZ 2/94

Am 27. April 1994 verabschiedete der brandenburgische Landtag einen "Staatsvertrag" mit dem Vatikan über das Bistum Magdeburg - die "erste völkerrechtliche Vereinbarung"1 des neuen Bundeslandes. Der Vertrag beruft sich auf das heute noch gültige Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 und überträgt es erstmals auf ein Bistum der ehemaligen DDR.

In einer Frage an Ministerpräsident Stolpe (SPD) nannte es Bündnis-Fraktionschef Nooke "einen unbeschreiblichen Vorgang, daß 1994 Verträge geschlossen werden, die auf Verträgen aus dem Dritten Reich basieren". Stolpe wich einer direkten Antwort aus. Justizminister Hans Otto Bräutigam bat Nooke, solch komplizierte Fragen künftig schriftlich einzureichen, damit sich die Regierung vorbereiten könne.2

Monatelang war in Brandenburg hinter verschlossenen Türen mit der katholischen Kirche verhandelt worden, die in diesem Bundesland nicht einmal fünf Prozent der Gesamtbevölkerung an Mitgliedern zählt. Über Verlauf und Inhalt der Gespräche zwischen Staat und Kirche wurde strengstes Stillschweigen bewahrt. Als der Landtag am 27. April 1994 - unzureichend und kurzfristig informiert, mit der Materie wenig vertraut und faktisch vor vollendete Tatsachen gestellt - die Vereinbarung absegnen durfte, wagte allein der Abgeordnete Nooke öffentliche Kritik.

Noch bemerkenswerter als Nookes Widerspruch ist die Reaktion des Justizministers Bräutigam: Nicht Geheimverhandlungen zwischen Staat und Kirche sind aus ministerieller Sicht kritikwürdig, sondern das Verhalten eines Parlamentariers, der von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht. Daß Stolpe klaren Antworten hinsichtlich des Abkommens mit dem Vatikan ausweicht, wundert nicht. Seine Stärke war schon immer die Geheimdiplomatie.

FLS

Anmerkungen: