Geheim ausgehandeltes Konkordat mit dem Vatikan nicht unterzeichnen!

Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg

OFFENER BRIEF
an die Mitglieder des Landtags
und der Landesregierung Brandenburgs

voraus per Fax an Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich, Ministerpräsident Matthias Platzeck und die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen

30. Oktober 2003

zugleich Pressemitteilung

Geheim ausgehandeltes Konkordat mit dem Vatikan nicht unterzeichnen!

Staatliche Förderpraxis für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach öffentlich-transparenter Debatte in einem Gesetz neu ordnen.

Sehr geehrter Herr Dr. Knoblich, sehr geehrter Herr Platzeck,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wie inzwischen bekannt wurde, ist seitens der Brandenburger Landesregierung beabsichtigt, am 12. November 2003 mit dem Heiligen Stuhl ein öffentlich bisher nicht bekanntes Konkordat zu unterzeichnen, welches für das Land Brandenburg langfristige und faktisch nicht kündbare rechtliche und finanzielle Verpflichtungen enthält. Ohne hinreichende öffentliche Diskussion wird der Landtag aufgefordert, dem Konkordat bereits zwei Tage nach der Unterzeichnung durch die Landesregierung zuzustimmen.

Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg hat mit fünf weiteren freigeistig-humanistischen Verbänden dem Ministerpräsidenten und dem Landtag am 29. Oktober 2003 eine umfängliche kritischen Stellungnahme zum Konkordatstext übermittelt (siehe Hinweis am Ende des Briefes).

Es ist nicht hinnehmbar, dass angesichts der desolaten Haushaltslage des Landes, welche sich in umfangreichen Kürzungen im Sozialbereich und anderen öffentlichen Bereichen auswirkt, der katholischen Kirche, welche nur 3,2 % der Bevölkerung Brandenburgs repräsentiert, durch ein Konkordat umfängliche Sonderrechte sowie überhöhte und unbefristete staatliche Zuwendungen garantiert werden sollen.

Unsere ablehnende Haltung zum beabsichtigten Staatsvertrag wird noch dadurch verstärkt, dass in dem Vertragstext das in der Nazizeit von Deutschland mit dem Vatikan abgeschlossene Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 als mindestens in Teilen weiter "in Geltung stehend" anerkannt wird.

Wir fordern die Mitglieder der Landesregierung und des Landtages auf, das Konkordat nicht zu unterzeichnen und statt dessen die bisherige Förderpraxis und alternative Konzepte zur finanziellen Unterstützung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften öffentlich-demokratisch zu diskutieren. Im Ergebnis auch einer Anhörung zu finanziellen Unterstützung dieser Gemeinschaften sollte ein verfassungskonformes Gesetz - wie es kürzlich auch das Verwaltungsgericht Potsdam für notwendig erachtet hat - die künftigen Zuwendungen für diese Gemeinschaften regeln.

Bestehende Verträge, wie z.B. der Staatskirchenvertrag mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg müßten dann überprüft und den gesetzlichen Bestimmungen angepaßt werden.

Ein wichtiger Schwerpunkt der vorgeschlagenen Anhörung sollte die verfassungsmäßig gebotene Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sein. Es ist aus unserer Sicht nicht hinzunehmen, dass gegenüber den christlichen Kirchen in verfassungswidriger Weise andere Religionsgemeinschaften (z.B. Jüdische Gemeinden) und Weltanschauungsgemeinschaften offensichtlich benachteiligt werden. Dem Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg z.B. wird durch das Land nicht nur verfassungswidrig das Grundrecht auf Gleichbehandlung an den öffentlichen Schulen verwehrt. Von den bisherigen äußerst niedrig geplanten staatlichen Zuwendungen für gemeinnützige Projekte (zuletzt jährlich 25.000 Euro) hat der Verband in 2003 nicht einen Euro erhalten. Für das Haushaltsjahr 2004 wurde seitens des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur nur noch ein Betrag von 3.000 Euro (in Worten: dreitausend!) für alle Brandenburger Weltanschauungsverbände vorgesehen. Die Zuwendungen für die beiden christlichen Kirchen sollen dagegen in 2004 um mehr als 100.000 Euro auf insgesamt mehr als 12,6 Millionen Euro anwachsen - und dies ohne Einrechnung der Kosten für den Religionsunterricht.

Wir bitten um baldige Antwort auf diesen Brief durch den Landtagspräsidenten, den Ministerpräsidenten und die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Wartenberg
Staatssekretär a.D.

Vorsitzender